Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Nutz und Nothwendigkeit der Wenn ich der Felder Schmuck, wenn ich der GärtenUeberlegung. Pracht, Zusammt der Wälder Zier, im Sommer sehe; Gedenck ich an die Winter-Nacht Und wie der Mittags-Schein des Jahrs so schnell vergehe; Doch zu dem Endzweck nicht, Durch ein zukünftig Leid Die gegenwärt'ge Lust zu stöhren, Wol aber, durch die Flüchtigkeit, Noch meine Freude zu vermehren. Denn, denck ich: dauret es nur kurtze Zeit; Warum laß ich die kurtze Zeit verschwinden? Warum bestreb' ich mich nicht, so viel mehr, So lang als ich es hab', es öfter zu empfinden, Und, durch ein dergestalt oft wiederholt Ergetzen, Jn längeren Besitz des guten mich zu setzen? Erwegt man oft die Gegenwart des Guten; So lässt sich dadurch gleichsam binden Die rege Schnelligkeit der flüchtigen Minuten. Gedancken sind es blos allein, Wodurch die Güter dieser Erden Uns zugeeignet werden. Ach, laßt uns denn beschäftigt seyn, Durch ein in unsre Macht gesetztes Dencken Uns oft viel Guts uns selbst zu schencken! Mannig- N
Nutz und Nothwendigkeit der Wenn ich der Felder Schmuck, wenn ich der GaͤrtenUeberlegung. Pracht, Zuſammt der Waͤlder Zier, im Sommer ſehe; Gedenck ich an die Winter-Nacht Und wie der Mittags-Schein des Jahrs ſo ſchnell vergehe; Doch zu dem Endzweck nicht, Durch ein zukuͤnftig Leid Die gegenwaͤrt’ge Luſt zu ſtoͤhren, Wol aber, durch die Fluͤchtigkeit, Noch meine Freude zu vermehren. Denn, denck ich: dauret es nur kurtze Zeit; Warum laß ich die kurtze Zeit verſchwinden? Warum beſtreb’ ich mich nicht, ſo viel mehr, So lang als ich es hab’, es oͤfter zu empfinden, Und, durch ein dergeſtalt oft wiederholt Ergetzen, Jn laͤngeren Beſitz des guten mich zu ſetzen? Erwegt man oft die Gegenwart des Guten; So laͤſſt ſich dadurch gleichſam binden Die rege Schnelligkeit der fluͤchtigen Minuten. Gedancken ſind es blos allein, Wodurch die Guͤter dieſer Erden Uns zugeeignet werden. Ach, laßt uns denn beſchaͤftigt ſeyn, Durch ein in unſre Macht geſetztes Dencken Uns oft viel Guts uns ſelbſt zu ſchencken! Mannig- N
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Nutz und Nothwendigkeit der
Ueberlegung.
Wenn ich der Felder Schmuck, wenn ich der Gaͤrten
Pracht,
Zuſammt der Waͤlder Zier, im Sommer ſehe;
Gedenck ich an die Winter-Nacht
Und wie der Mittags-Schein des Jahrs ſo ſchnell vergehe;
Doch zu dem Endzweck nicht,
Durch ein zukuͤnftig Leid
Die gegenwaͤrt’ge Luſt zu ſtoͤhren,
Wol aber, durch die Fluͤchtigkeit,
Noch meine Freude zu vermehren.
Denn, denck ich: dauret es nur kurtze Zeit;
Warum laß ich die kurtze Zeit verſchwinden?
Warum beſtreb’ ich mich nicht, ſo viel mehr,
So lang als ich es hab’, es oͤfter zu empfinden,
Und, durch ein dergeſtalt oft wiederholt Ergetzen,
Jn laͤngeren Beſitz des guten mich zu ſetzen?
Erwegt man oft die Gegenwart des Guten;
So laͤſſt ſich dadurch gleichſam binden
Die rege Schnelligkeit der fluͤchtigen Minuten.
Gedancken ſind es blos allein,
Wodurch die Guͤter dieſer Erden
Uns zugeeignet werden.
Ach, laßt uns denn beſchaͤftigt ſeyn,
Durch ein in unſre Macht geſetztes Dencken
Uns oft viel Guts uns ſelbſt zu ſchencken!
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