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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Abend-Andacht.
So viel dessen Meng' erlaubet, zu betrachten, zu erwegen,
Und, im frölichem Erinnern, ordentlich zu überlegen,
Was uns aus dem Gnaden-Born seiner Liebe zugeflossen,
Wie so mannigfachen Seegen wir geniessen, und genossen.
Sind nun aber, wie im Meer alle Tropfen nicht zu zehlen,
Auch die Wunder sonder Zahl, die der Schöpfer uns
verliehn;
Wollen wir doch wenigstens, wie wir schuldig, uns bemühn,
Einige derselbigen vor den andern zu erwehlen.
Und, weil unsre Seele leicht, wenn sie es erwegt, empfindet,
Wie sie durch die Sinnen blos mit der Creatur sich bindet;
Also rühm' ich billig, lobe, preis' und ehre den dafür,
Der, in Sinnen, solche Schätze menschlicher Natur zu gönnen
Uns alhier gewürdiget. GOtt gehöret wahrlich mehr,
Als wir, leider! ihm erweisen, für die Sinnen Preis und
Ehr.
Daß ich heute hören, schen, fühlen, riechen, schmecken
können,
Daß du dazu Ohren, Augen, Hände, Nas' und Zunge mir,
Wie geschenckt, so auch erhalten, Schöpfer, dafür danck
ich dir.
Daß ich mit Getränck und Speisen habe Mund und Ma-
gen füllen,
Ja mit mannigfacher Anmuth meinen Durst und Hunger
stillen,
Und mit Lust mich nähren können, ist warhaftig danckens
wehrt,
Da uns GOtt, nicht nur zur Nothdurft, sondern auch mit
Anmuth nährt.
Daß die mir geschenckte Glieder, deren eine solche Menge
Jnnerlich und äusserlich, daß der Nerv-und Adern Gänge
Durch
Abend-Andacht.
So viel deſſen Meng’ erlaubet, zu betrachten, zu erwegen,
Und, im froͤlichem Erinnern, ordentlich zu uͤberlegen,
Was uns aus dem Gnaden-Born ſeiner Liebe zugefloſſen,
Wie ſo mannigfachen Seegen wir genieſſen, und genoſſen.
Sind nun aber, wie im Meer alle Tropfen nicht zu zehlen,
Auch die Wunder ſonder Zahl, die der Schoͤpfer uns
verliehn;
Wollen wir doch wenigſtens, wie wir ſchuldig, uns bemuͤhn,
Einige derſelbigen vor den andern zu erwehlen.
Und, weil unſre Seele leicht, wenn ſie es erwegt, empfindet,
Wie ſie durch die Sinnen blos mit der Creatur ſich bindet;
Alſo ruͤhm’ ich billig, lobe, preiſ’ und ehre den dafuͤr,
Der, in Sinnen, ſolche Schaͤtze menſchlicher Natur zu goͤnnen
Uns alhier gewuͤrdiget. GOtt gehoͤret wahrlich mehr,
Als wir, leider! ihm erweiſen, fuͤr die Sinnen Preis und
Ehr.
Daß ich heute hoͤren, ſchen, fuͤhlen, riechen, ſchmecken
koͤnnen,
Daß du dazu Ohren, Augen, Haͤnde, Naſ’ und Zunge mir,
Wie geſchenckt, ſo auch erhalten, Schoͤpfer, dafuͤr danck
ich dir.
Daß ich mit Getraͤnck und Speiſen habe Mund und Ma-
gen fuͤllen,
Ja mit mannigfacher Anmuth meinen Durſt und Hunger
ſtillen,
Und mit Luſt mich naͤhren koͤnnen, iſt warhaftig danckens
wehrt,
Da uns GOtt, nicht nur zur Nothdurft, ſondern auch mit
Anmuth naͤhrt.
Daß die mir geſchenckte Glieder, deren eine ſolche Menge
Jnnerlich und aͤuſſerlich, daß der Nerv-und Adern Gaͤnge
Durch
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[171/0187] Abend-Andacht. So viel deſſen Meng’ erlaubet, zu betrachten, zu erwegen, Und, im froͤlichem Erinnern, ordentlich zu uͤberlegen, Was uns aus dem Gnaden-Born ſeiner Liebe zugefloſſen, Wie ſo mannigfachen Seegen wir genieſſen, und genoſſen. Sind nun aber, wie im Meer alle Tropfen nicht zu zehlen, Auch die Wunder ſonder Zahl, die der Schoͤpfer uns verliehn; Wollen wir doch wenigſtens, wie wir ſchuldig, uns bemuͤhn, Einige derſelbigen vor den andern zu erwehlen. Und, weil unſre Seele leicht, wenn ſie es erwegt, empfindet, Wie ſie durch die Sinnen blos mit der Creatur ſich bindet; Alſo ruͤhm’ ich billig, lobe, preiſ’ und ehre den dafuͤr, Der, in Sinnen, ſolche Schaͤtze menſchlicher Natur zu goͤnnen Uns alhier gewuͤrdiget. GOtt gehoͤret wahrlich mehr, Als wir, leider! ihm erweiſen, fuͤr die Sinnen Preis und Ehr. Daß ich heute hoͤren, ſchen, fuͤhlen, riechen, ſchmecken koͤnnen, Daß du dazu Ohren, Augen, Haͤnde, Naſ’ und Zunge mir, Wie geſchenckt, ſo auch erhalten, Schoͤpfer, dafuͤr danck ich dir. Daß ich mit Getraͤnck und Speiſen habe Mund und Ma- gen fuͤllen, Ja mit mannigfacher Anmuth meinen Durſt und Hunger ſtillen, Und mit Luſt mich naͤhren koͤnnen, iſt warhaftig danckens wehrt, Da uns GOtt, nicht nur zur Nothdurft, ſondern auch mit Anmuth naͤhrt. Daß die mir geſchenckte Glieder, deren eine ſolche Menge Jnnerlich und aͤuſſerlich, daß der Nerv-und Adern Gaͤnge Durch

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/187>, abgerufen am 02.05.2024.