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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Demüthige Selbst-Erkänntniß.
Demüthige Selbst-Erkänntniß.
Will mich des Hochmuths Brut mit Demuth-Larven
schrecken,
Will sie mir meines Geists Vernichtungen entdecken,
Und, durch den Höllen-Schluß, Verzweiflung mir erwecken:
"Was bist, was weißt du doch? Nichts: daraus folget klar,
"Daß deine Seele nie was Göttlichs ist, noch war;
So zeiget mir dennoch, selbst der Unwissenheit
Erkänntniß und Begriff von meiner Fähigkeit
Nicht nur was grosses an; sie machet uns so gar
Das allerhellste Licht der Weißheit offenbar.
Nichts zeigt uns deutlicher die unermeßne Grösse
Des Schöpfers, und zugleich der Menschen Schwäch' und
Blösse;
Ja nichts erhebet mehr der grossen GOttheit Preis,
Als eben, da man weiß, daß man nur wenig weiß.
Jndem wenn die Vernunft so, wie sie soll, verfährt;
Uns ein gedoppelt Gut daraus entspringet,
Da es uns nicht allein zur wahren Demuth bringet:
GOTT selber wird dadurch am würdigsten verehrt.
[Abbildung]
Noth[-]
Demuͤthige Selbſt-Erkaͤnntniß.
Demuͤthige Selbſt-Erkaͤnntniß.
Will mich des Hochmuths Brut mit Demuth-Larven
ſchrecken,
Will ſie mir meines Geiſts Vernichtungen entdecken,
Und, durch den Hoͤllen-Schluß, Verzweiflung mir erwecken:
„Was biſt, was weißt du doch? Nichts: daraus folget klar,
„Daß deine Seele nie was Goͤttlichs iſt, noch war;
So zeiget mir dennoch, ſelbſt der Unwiſſenheit
Erkaͤnntniß und Begriff von meiner Faͤhigkeit
Nicht nur was groſſes an; ſie machet uns ſo gar
Das allerhellſte Licht der Weißheit offenbar.
Nichts zeigt uns deutlicher die unermeßne Groͤſſe
Des Schoͤpfers, und zugleich der Menſchen Schwaͤch’ und
Bloͤſſe;
Ja nichts erhebet mehr der groſſen GOttheit Preis,
Als eben, da man weiß, daß man nur wenig weiß.
Jndem wenn die Vernunft ſo, wie ſie ſoll, verfaͤhrt;
Uns ein gedoppelt Gut daraus entſpringet,
Da es uns nicht allein zur wahren Demuth bringet:
GOTT ſelber wird dadurch am wuͤrdigſten verehrt.
[Abbildung]
Noth[-]
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[160/0176] Demuͤthige Selbſt-Erkaͤnntniß. Demuͤthige Selbſt-Erkaͤnntniß. Will mich des Hochmuths Brut mit Demuth-Larven ſchrecken, Will ſie mir meines Geiſts Vernichtungen entdecken, Und, durch den Hoͤllen-Schluß, Verzweiflung mir erwecken: „Was biſt, was weißt du doch? Nichts: daraus folget klar, „Daß deine Seele nie was Goͤttlichs iſt, noch war; So zeiget mir dennoch, ſelbſt der Unwiſſenheit Erkaͤnntniß und Begriff von meiner Faͤhigkeit Nicht nur was groſſes an; ſie machet uns ſo gar Das allerhellſte Licht der Weißheit offenbar. Nichts zeigt uns deutlicher die unermeßne Groͤſſe Des Schoͤpfers, und zugleich der Menſchen Schwaͤch’ und Bloͤſſe; Ja nichts erhebet mehr der groſſen GOttheit Preis, Als eben, da man weiß, daß man nur wenig weiß. Jndem wenn die Vernunft ſo, wie ſie ſoll, verfaͤhrt; Uns ein gedoppelt Gut daraus entſpringet, Da es uns nicht allein zur wahren Demuth bringet: GOTT ſelber wird dadurch am wuͤrdigſten verehrt. [Abbildung] Noth-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/176>, abgerufen am 02.05.2024.