Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Hirten-Gedicht.
"So weise Wege sinnt, und dessen Allmacht ehrt,
"Der, durch das milde Korn, so Vieh, als Menschen,
nährt.

"Nicht zu bewundern ist, wenn zu dem Sternen HErrn
"Dein treues Volck, mit aufgehabnen Händen,
"Für dein beständigs Heil und Wolergehn so gern
"Und unabläßig fleht!" Jch fing hierauf mein Singen,
Nach seiner Vorschrift, an:
Doch hab ich sonst fast nichts dabey gethan,
Als Günthers weise Wort' in Reime bringen.
Darauf nahm Seegenfeld ein Blat Papier,
Aus seinem Taschen-Buch und reicht es Hirtenau,
Mit diesem Worten, ein: Dieß war des Fürsten Wille,
Was ich beschreiben sollt. Ließ ob ich nicht genau
Geschrieben, was er schrieb, ich les' indessen dir,
Jn dieser Einsamkeit, in dieser süssen Stille,
Was ich davon gereimet für.
Worbey denn Hirtenau den überreichten Brief,
Mit frohem Blick, Bewundrung-voll durchlief.
O ew'ger Ursprung aller Dinge!
Der alles, und auch mich, gemacht!
Gieb, daß ich meiner Seelen Kräfte,
Mit Lust und mit Verwundrung hefte
Auf deiner Wercke Nutz und Pracht,
Die du aus Nichts, hervor gebracht,
Und stets in Andacht dir lobsinge,
Wenn ich, in ihnen, dich betracht!
Du ruffest dem, das nicht ist, daß es sey,
Und lässest das, was worden ist, vergehn!
Dein Winck heist wiederum das, so bereits vorbey,
Aufs neue wiederum entstehn!
Dein
Hirten-Gedicht.
„So weiſe Wege ſinnt, und deſſen Allmacht ehrt,
„Der, durch das milde Korn, ſo Vieh, als Menſchen,
naͤhrt.

„Nicht zu bewundern iſt, wenn zu dem Sternen HErrn
„Dein treues Volck, mit aufgehabnen Haͤnden,
„Fuͤr dein beſtaͤndigs Heil und Wolergehn ſo gern
„Und unablaͤßig fleht!„ Jch fing hierauf mein Singen,
Nach ſeiner Vorſchrift, an:
Doch hab ich ſonſt faſt nichts dabey gethan,
Als Guͤnthers weiſe Wort’ in Reime bringen.
Darauf nahm Seegenfeld ein Blat Papier,
Aus ſeinem Taſchen-Buch und reicht es Hirtenau,
Mit dieſem Worten, ein: Dieß war des Fuͤrſten Wille,
Was ich beſchreiben ſollt. Ließ ob ich nicht genau
Geſchrieben, was er ſchrieb, ich leſ’ indeſſen dir,
Jn dieſer Einſamkeit, in dieſer ſuͤſſen Stille,
Was ich davon gereimet fuͤr.
Worbey denn Hirtenau den uͤberreichten Brief,
Mit frohem Blick, Bewundrung-voll durchlief.
O ew’ger Urſprung aller Dinge!
Der alles, und auch mich, gemacht!
Gieb, daß ich meiner Seelen Kraͤfte,
Mit Luſt und mit Verwundrung hefte
Auf deiner Wercke Nutz und Pracht,
Die du aus Nichts, hervor gebracht,
Und ſtets in Andacht dir lobſinge,
Wenn ich, in ihnen, dich betracht!
Du ruffeſt dem, das nicht iſt, daß es ſey,
Und laͤſſeſt das, was worden iſt, vergehn!
Dein Winck heiſt wiederum das, ſo bereits vorbey,
Aufs neue wiederum entſtehn!
Dein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0104" n="88"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hirten-Gedicht.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="14">
            <l>&#x201E;So wei&#x017F;e Wege &#x017F;innt, und de&#x017F;&#x017F;en Allmacht ehrt,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Der, durch das milde Korn, &#x017F;o Vieh, als Men&#x017F;chen,<lb/><hi rendition="#et">na&#x0364;hrt.</hi></l><lb/>
            <l>&#x201E;Nicht zu bewundern i&#x017F;t, wenn zu dem Sternen HErrn</l><lb/>
            <l>&#x201E;Dein treues Volck, mit aufgehabnen Ha&#x0364;nden,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Fu&#x0364;r dein be&#x017F;ta&#x0364;ndigs Heil und Wolergehn &#x017F;o gern</l><lb/>
            <l>&#x201E;Und unabla&#x0364;ßig fleht!&#x201E; Jch fing hierauf mein Singen,</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="15">
            <l>Nach &#x017F;einer Vor&#x017F;chrift, an:</l><lb/>
            <l>Doch hab ich &#x017F;on&#x017F;t fa&#x017F;t nichts dabey gethan,</l><lb/>
            <l>Als <hi rendition="#fr">Gu&#x0364;nthers</hi> wei&#x017F;e Wort&#x2019; in Reime bringen.</l><lb/>
            <l>Darauf nahm <hi rendition="#fr">Seegenfeld</hi> ein Blat Papier,</l><lb/>
            <l>Aus &#x017F;einem Ta&#x017F;chen-Buch und reicht es <hi rendition="#fr">Hirtenau,</hi></l><lb/>
            <l>Mit die&#x017F;em Worten, ein: Dieß war des Fu&#x0364;r&#x017F;ten Wille,</l><lb/>
            <l>Was ich be&#x017F;chreiben &#x017F;ollt. Ließ ob ich nicht genau</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;chrieben, was er &#x017F;chrieb, ich le&#x017F;&#x2019; inde&#x017F;&#x017F;en dir,</l><lb/>
            <l>Jn die&#x017F;er Ein&#x017F;amkeit, in die&#x017F;er &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Stille,</l><lb/>
            <l>Was ich davon gereimet fu&#x0364;r.</l><lb/>
            <l>Worbey denn <hi rendition="#fr">Hirtenau</hi> den u&#x0364;berreichten Brief,</l><lb/>
            <l>Mit frohem Blick, Bewundrung-voll durchlief.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="16">
            <l>O ew&#x2019;ger Ur&#x017F;prung aller Dinge!</l><lb/>
            <l>Der alles, und auch mich, gemacht!</l><lb/>
            <l>Gieb, daß ich meiner Seelen Kra&#x0364;fte,</l><lb/>
            <l>Mit Lu&#x017F;t und mit Verwundrung hefte</l><lb/>
            <l>Auf deiner Wercke Nutz und Pracht,</l><lb/>
            <l>Die du aus Nichts, hervor gebracht,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;tets in Andacht dir lob&#x017F;inge,</l><lb/>
            <l>Wenn ich, in ihnen, dich betracht!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="17">
            <l>Du ruffe&#x017F;t dem, das nicht i&#x017F;t, daß es &#x017F;ey,</l><lb/>
            <l>Und la&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t das, was worden i&#x017F;t, vergehn!</l><lb/>
            <l>Dein Winck hei&#x017F;t wiederum das, &#x017F;o bereits vorbey,</l><lb/>
            <l>Aufs neue wiederum ent&#x017F;tehn!</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Dein</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[88/0104] Hirten-Gedicht. „So weiſe Wege ſinnt, und deſſen Allmacht ehrt, „Der, durch das milde Korn, ſo Vieh, als Menſchen, naͤhrt. „Nicht zu bewundern iſt, wenn zu dem Sternen HErrn „Dein treues Volck, mit aufgehabnen Haͤnden, „Fuͤr dein beſtaͤndigs Heil und Wolergehn ſo gern „Und unablaͤßig fleht!„ Jch fing hierauf mein Singen, Nach ſeiner Vorſchrift, an: Doch hab ich ſonſt faſt nichts dabey gethan, Als Guͤnthers weiſe Wort’ in Reime bringen. Darauf nahm Seegenfeld ein Blat Papier, Aus ſeinem Taſchen-Buch und reicht es Hirtenau, Mit dieſem Worten, ein: Dieß war des Fuͤrſten Wille, Was ich beſchreiben ſollt. Ließ ob ich nicht genau Geſchrieben, was er ſchrieb, ich leſ’ indeſſen dir, Jn dieſer Einſamkeit, in dieſer ſuͤſſen Stille, Was ich davon gereimet fuͤr. Worbey denn Hirtenau den uͤberreichten Brief, Mit frohem Blick, Bewundrung-voll durchlief. O ew’ger Urſprung aller Dinge! Der alles, und auch mich, gemacht! Gieb, daß ich meiner Seelen Kraͤfte, Mit Luſt und mit Verwundrung hefte Auf deiner Wercke Nutz und Pracht, Die du aus Nichts, hervor gebracht, Und ſtets in Andacht dir lobſinge, Wenn ich, in ihnen, dich betracht! Du ruffeſt dem, das nicht iſt, daß es ſey, Und laͤſſeſt das, was worden iſt, vergehn! Dein Winck heiſt wiederum das, ſo bereits vorbey, Aufs neue wiederum entſtehn! Dein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/104
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/104>, abgerufen am 25.11.2024.