Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Betrachtung der Vögel.

Jn diesem Werck-Zeug die Natur
So künst- und so verwunderlich!
Sie müssen leicht seyn, steiff und weich,
Damit der Vogel könnte fliegen;
Und sie sind leicht, und steiff, und weich zugleich:
Weich sind sie, damit sie sich biegen;
Steiff, durch der Federn dünn' und hörnicht Wesen,

Das recht mit grossem Fleiß zu diesem Werck erlesen;
Weil dessen Dehnungs-Krafft die Eigenschafft ihr bringt,
Daß sie von selbst gerade wieder springt.
Damit sie |auch im Flug den Vogel nicht beschweren,
So sind sie leicht durch ihre hole Röhren.

An einem ieden Feder-Kiel
Erblicket man unzehlig viel
Noch immer mehr verkleinter Federn Spitzen,
Die Schuppen-weis' in sich vereinet sitzen;
Wodurch die Lufft sich nicht vermag zu drengen,
So daß sie in der Lufft dadurch bequemer hängen.
Jn iedem Zäserchen, wenn man es wol beachtet,
Und durch ein Größrungs-Glas dasselbige betrachtet,
Trifft man,
Mit fast erstauntem Aug', ein' eigne Feder an,
Die ja so schön gebildet und formirt.
Sie ist mit ja so vielen Ecken,
Als ihre Mutter selbst, geziert.
Was können wir für Wunder mehr entdecken,
Wann wir, auf welche Art die Vögel gehen, stehn,
Und auf den Zweigen sitzen, sehn.
Es sind drey Biegungen an iedem Bein zu finden,
Die sich mit einer Nerv' auf solche Art verbinden,
Daß,
D 4

Betrachtung der Voͤgel.

Jn dieſem Werck-Zeug die Natur
So kuͤnſt- und ſo verwunderlich!
Sie muͤſſen leicht ſeyn, ſteiff und weich,
Damit der Vogel koͤnnte fliegen;
Und ſie ſind leicht, und ſteiff, und weich zugleich:
Weich ſind ſie, damit ſie ſich biegen;
Steiff, durch der Federn duͤnn’ und hoͤrnicht Weſen,

Das recht mit groſſem Fleiß zu dieſem Werck erleſen;
Weil deſſen Dehnungs-Krafft die Eigenſchafft ihr bringt,
Daß ſie von ſelbſt gerade wieder ſpringt.
Damit ſie |auch im Flug den Vogel nicht beſchweren,
So ſind ſie leicht durch ihre hole Roͤhren.

An einem ieden Feder-Kiel
Erblicket man unzehlig viel
Noch immer mehr verkleinter Federn Spitzen,
Die Schuppen-weiſ’ in ſich vereinet ſitzen;
Wodurch die Lufft ſich nicht vermag zu drengen,
So daß ſie in der Lufft dadurch bequemer haͤngen.
Jn iedem Zaͤſerchen, wenn man es wol beachtet,
Und durch ein Groͤßrungs-Glas daſſelbige betrachtet,
Trifft man,
Mit faſt erſtauntem Aug’, ein’ eigne Feder an,
Die ja ſo ſchoͤn gebildet und formirt.
Sie iſt mit ja ſo vielen Ecken,
Als ihre Mutter ſelbſt, geziert.
Was koͤnnen wir fuͤr Wunder mehr entdecken,
Wann wir, auf welche Art die Voͤgel gehen, ſtehn,
Und auf den Zweigen ſitzen, ſehn.
Es ſind drey Biegungen an iedem Bein zu finden,
Die ſich mit einer Nerv’ auf ſolche Art verbinden,
Daß,
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="10">
              <l>
                <pb facs="#f0087" n="55"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Betrachtung der Vo&#x0364;gel.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Jn die&#x017F;em Werck-Zeug die Natur</l><lb/>
              <l>So ku&#x0364;n&#x017F;t- und &#x017F;o verwunderlich!</l><lb/>
              <l>Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#fr">leicht</hi> &#x017F;eyn, <hi rendition="#fr">&#x017F;teiff</hi> und <hi rendition="#fr">weich,</hi></l><lb/>
              <l>Damit der Vogel ko&#x0364;nnte fliegen;</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;ie &#x017F;ind <hi rendition="#fr">leicht,</hi> und <hi rendition="#fr">&#x017F;teiff,</hi> und <hi rendition="#fr">weich</hi> zugleich:<lb/><hi rendition="#fr">Weich</hi> &#x017F;ind &#x017F;ie, damit &#x017F;ie &#x017F;ich biegen;<lb/><hi rendition="#fr">Steiff,</hi> durch der Federn du&#x0364;nn&#x2019; und ho&#x0364;rnicht We&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Das recht mit gro&#x017F;&#x017F;em Fleiß zu die&#x017F;em Werck erle&#x017F;en;</l><lb/>
              <l>Weil de&#x017F;&#x017F;en Dehnungs-Krafft die Eigen&#x017F;chafft ihr bringt,</l><lb/>
              <l>Daß &#x017F;ie von &#x017F;elb&#x017F;t gerade wieder &#x017F;pringt.</l><lb/>
              <l>Damit &#x017F;ie |auch im Flug den Vogel nicht be&#x017F;chweren,</l><lb/>
              <l>So &#x017F;ind &#x017F;ie <hi rendition="#fr">leicht</hi> durch ihre hole Ro&#x0364;hren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="11">
              <l>An einem ieden Feder-Kiel</l><lb/>
              <l>Erblicket man unzehlig viel</l><lb/>
              <l>Noch immer mehr verkleinter Federn Spitzen,</l><lb/>
              <l>Die Schuppen-wei&#x017F;&#x2019; in &#x017F;ich vereinet &#x017F;itzen;</l><lb/>
              <l>Wodurch die Lufft &#x017F;ich nicht vermag zu drengen,</l><lb/>
              <l>So daß &#x017F;ie in der Lufft dadurch bequemer ha&#x0364;ngen.</l><lb/>
              <l>Jn iedem Za&#x0364;&#x017F;erchen, wenn man es wol beachtet,</l><lb/>
              <l>Und durch ein Gro&#x0364;ßrungs-Glas da&#x017F;&#x017F;elbige betrachtet,</l><lb/>
              <l>Trifft man,</l><lb/>
              <l>Mit fa&#x017F;t er&#x017F;tauntem Aug&#x2019;, ein&#x2019; eigne Feder an,</l><lb/>
              <l>Die ja &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n gebildet und formirt.</l><lb/>
              <l>Sie i&#x017F;t mit ja &#x017F;o vielen Ecken,</l><lb/>
              <l>Als ihre Mutter &#x017F;elb&#x017F;t, geziert.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="12">
              <l>Was ko&#x0364;nnen wir fu&#x0364;r Wunder mehr entdecken,</l><lb/>
              <l>Wann wir, auf welche Art die Vo&#x0364;gel gehen, &#x017F;tehn,</l><lb/>
              <l>Und auf den Zweigen &#x017F;itzen, &#x017F;ehn.</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;ind drey Biegungen an iedem Bein zu finden,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;ich mit einer Nerv&#x2019; auf &#x017F;olche Art verbinden,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Daß,</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0087] Betrachtung der Voͤgel. Jn dieſem Werck-Zeug die Natur So kuͤnſt- und ſo verwunderlich! Sie muͤſſen leicht ſeyn, ſteiff und weich, Damit der Vogel koͤnnte fliegen; Und ſie ſind leicht, und ſteiff, und weich zugleich: Weich ſind ſie, damit ſie ſich biegen; Steiff, durch der Federn duͤnn’ und hoͤrnicht Weſen, Das recht mit groſſem Fleiß zu dieſem Werck erleſen; Weil deſſen Dehnungs-Krafft die Eigenſchafft ihr bringt, Daß ſie von ſelbſt gerade wieder ſpringt. Damit ſie |auch im Flug den Vogel nicht beſchweren, So ſind ſie leicht durch ihre hole Roͤhren. An einem ieden Feder-Kiel Erblicket man unzehlig viel Noch immer mehr verkleinter Federn Spitzen, Die Schuppen-weiſ’ in ſich vereinet ſitzen; Wodurch die Lufft ſich nicht vermag zu drengen, So daß ſie in der Lufft dadurch bequemer haͤngen. Jn iedem Zaͤſerchen, wenn man es wol beachtet, Und durch ein Groͤßrungs-Glas daſſelbige betrachtet, Trifft man, Mit faſt erſtauntem Aug’, ein’ eigne Feder an, Die ja ſo ſchoͤn gebildet und formirt. Sie iſt mit ja ſo vielen Ecken, Als ihre Mutter ſelbſt, geziert. Was koͤnnen wir fuͤr Wunder mehr entdecken, Wann wir, auf welche Art die Voͤgel gehen, ſtehn, Und auf den Zweigen ſitzen, ſehn. Es ſind drey Biegungen an iedem Bein zu finden, Die ſich mit einer Nerv’ auf ſolche Art verbinden, Daß, D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/87
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/87>, abgerufen am 03.05.2024.