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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Früher Frühling.
Die Spinne, deren Leib fast einer offnen Klauen
Und Bären-Tatzen gleich,
Erweckt uns noch kein eckelhaftes Grauen,
Kein Ohr-Wurm schreckt uns noch.
Die Bienen, welche zwar nie sonder Stachel fliegen,
Erregen durch ihr sumsendes Gethön,
Mit welchem wir sie schwärmen sehn,
Wenn sie auf Bluhmen sich, blos uns zum Nutzen, setzen,
Mit Recht uns keine Furcht, nur Anmuth und Ergetzen,
Und, durch den muntern Fleiß, ein inniges Vergnügen.
Der Blut-begiergen Mücke
Verdrießlicher Gesang, stöhrt unsre Ruh noch nicht.
Man schlägt, geneckt durch ihre dreiste Tücke,
Des Nachts, mit Recht erzürnt, sich noch nicht ins Gesicht,
Voll Schlaf und Ungeduld; die unverschämten Fliegen
Bestürmen unsern Tisch noch nicht so Hauffen-weise,
Wie wol im Herbst geschicht.
Kein schädlich gifftig Thier
Thut sich annoch herfür.
Und kurtz: in allen dem, was man erblickt', empfand
Und spührte, spührte man nichts wiedrigs, und es schienen
Die Vorwürff alle zugericht,
Uns zu ergetzen, uns zu dienen.
Absonderlich belebt der Sonnen Lebens-Licht,
Erfüllt, durchdringt, Lufft, Wasser, Berg und Thal
Mit dem sich nähernden erwünschten Strahl.
Eine reine Klarheit glimmet
Jn der Lufft voll Glantz und Gluth.
Eine reine Klarheit schwimmet
Auf der rein- und glatten Fluth.
Auf
C 2
Fruͤher Fruͤhling.
Die Spinne, deren Leib faſt einer offnen Klauen
Und Baͤren-Tatzen gleich,
Erweckt uns noch kein eckelhaftes Grauen,
Kein Ohr-Wurm ſchreckt uns noch.
Die Bienen, welche zwar nie ſonder Stachel fliegen,
Erregen durch ihr ſumſendes Gethoͤn,
Mit welchem wir ſie ſchwaͤrmen ſehn,
Wenn ſie auf Bluhmen ſich, blos uns zum Nutzen, ſetzen,
Mit Recht uns keine Furcht, nur Anmuth und Ergetzen,
Und, durch den muntern Fleiß, ein inniges Vergnuͤgen.
Der Blut-begiergen Muͤcke
Verdrießlicher Geſang, ſtoͤhrt unſre Ruh noch nicht.
Man ſchlaͤgt, geneckt durch ihre dreiſte Tuͤcke,
Des Nachts, mit Recht erzuͤrnt, ſich noch nicht ins Geſicht,
Voll Schlaf und Ungeduld; die unverſchaͤmten Fliegen
Beſtuͤrmen unſern Tiſch noch nicht ſo Hauffen-weiſe,
Wie wol im Herbſt geſchicht.
Kein ſchaͤdlich gifftig Thier
Thut ſich annoch herfuͤr.
Und kurtz: in allen dem, was man erblickt’, empfand
Und ſpuͤhrte, ſpuͤhrte man nichts wiedrigs, und es ſchienen
Die Vorwuͤrff alle zugericht,
Uns zu ergetzen, uns zu dienen.
Abſonderlich belebt der Sonnen Lebens-Licht,
Erfuͤllt, durchdringt, Lufft, Waſſer, Berg und Thal
Mit dem ſich naͤhernden erwuͤnſchten Strahl.
Eine reine Klarheit glimmet
Jn der Lufft voll Glantz und Gluth.
Eine reine Klarheit ſchwimmet
Auf der rein- und glatten Fluth.
Auf
C 2
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[35/0067] Fruͤher Fruͤhling. Die Spinne, deren Leib faſt einer offnen Klauen Und Baͤren-Tatzen gleich, Erweckt uns noch kein eckelhaftes Grauen, Kein Ohr-Wurm ſchreckt uns noch. Die Bienen, welche zwar nie ſonder Stachel fliegen, Erregen durch ihr ſumſendes Gethoͤn, Mit welchem wir ſie ſchwaͤrmen ſehn, Wenn ſie auf Bluhmen ſich, blos uns zum Nutzen, ſetzen, Mit Recht uns keine Furcht, nur Anmuth und Ergetzen, Und, durch den muntern Fleiß, ein inniges Vergnuͤgen. Der Blut-begiergen Muͤcke Verdrießlicher Geſang, ſtoͤhrt unſre Ruh noch nicht. Man ſchlaͤgt, geneckt durch ihre dreiſte Tuͤcke, Des Nachts, mit Recht erzuͤrnt, ſich noch nicht ins Geſicht, Voll Schlaf und Ungeduld; die unverſchaͤmten Fliegen Beſtuͤrmen unſern Tiſch noch nicht ſo Hauffen-weiſe, Wie wol im Herbſt geſchicht. Kein ſchaͤdlich gifftig Thier Thut ſich annoch herfuͤr. Und kurtz: in allen dem, was man erblickt’, empfand Und ſpuͤhrte, ſpuͤhrte man nichts wiedrigs, und es ſchienen Die Vorwuͤrff alle zugericht, Uns zu ergetzen, uns zu dienen. Abſonderlich belebt der Sonnen Lebens-Licht, Erfuͤllt, durchdringt, Lufft, Waſſer, Berg und Thal Mit dem ſich naͤhernden erwuͤnſchten Strahl. Eine reine Klarheit glimmet Jn der Lufft voll Glantz und Gluth. Eine reine Klarheit ſchwimmet Auf der rein- und glatten Fluth. Auf C 2

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/67>, abgerufen am 03.05.2024.