Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Neu-Jahrs-Gedicht.

Die Staffeln, ja in ieder Sorte
Gehn fast bis zur Unendlichkeit
Die Staffeln der Vollkommenheit.
Ja diese Art der Stuffen geht so weit,
Daß die vollkommenste von einer untern Art
Dem unvollkommensten von der, so ihr am nächsten
Doch über ihr, fast gleich.
Man merck hiebey, mit redlichem Gemüthe,
Wie so unendlich reich
Der Schöpfer an Gewalt und Weisheit, Huld und Güte!
Da nicht nur, was man sieht, mit Thieren, welche leben,
Verwunderlich erfüllt; So gar der Unterscheid
Jn ihnen selbst, kann ja so sehr,
Als ihre Zahl, die Lieb' und die Vollkommenheit
Des grossen Schöpfers hoch erheben.

Hätt' Er von lebendigen Thieren
Nicht mehr als eine Sort' zum Leben zugericht;
So könnten ja die andern alle nicht
Vermögend seyn, des Wesens Glück zu spüren.
Den Zwischen-Stand, von einer Pflantzen an,
Bis zu dem Menschen, füllt solch ungezehlte Zahl
Von gantz verschiedenen Geschöpffen, welche man
(Da sie sich allgemach, nicht auf einmahl

Verbessern, und sich so gelind und sanft erhöhn;
So daß kein Absatz fast zu mercken, zu verstehn)
Nicht gnug besehn nicht gnug bewundern kann.
Es giebt ja Fische, welche fliegen,
Und Vögel, die im Wasser liegen,
Und denen ja so kaltes Blut,
Als

Neu-Jahrs-Gedicht.

Die Staffeln, ja in ieder Sorte
Gehn faſt bis zur Unendlichkeit
Die Staffeln der Vollkommenheit.
Ja dieſe Art der Stuffen geht ſo weit,
Daß die vollkommenſte von einer untern Art
Dem unvollkommenſten von der, ſo ihr am naͤchſten
Doch uͤber ihr, faſt gleich.
Man merck hiebey, mit redlichem Gemuͤthe,
Wie ſo unendlich reich
Der Schoͤpfer an Gewalt und Weisheit, Huld und Guͤte!
Da nicht nur, was man ſieht, mit Thieren, welche leben,
Verwunderlich erfuͤllt; So gar der Unterſcheid
Jn ihnen ſelbſt, kann ja ſo ſehr,
Als ihre Zahl, die Lieb’ und die Vollkommenheit
Des groſſen Schoͤpfers hoch erheben.

Haͤtt’ Er von lebendigen Thieren
Nicht mehr als eine Sort’ zum Leben zugericht;
So koͤnnten ja die andern alle nicht
Vermoͤgend ſeyn, des Weſens Gluͤck zu ſpuͤren.
Den Zwiſchen-Stand, von einer Pflantzen an,
Bis zu dem Menſchen, fuͤllt ſolch ungezehlte Zahl
Von gantz verſchiedenen Geſchoͤpffen, welche man
(Da ſie ſich allgemach, nicht auf einmahl

Verbeſſern, und ſich ſo gelind und ſanft erhoͤhn;
So daß kein Abſatz faſt zu mercken, zu verſtehn)
Nicht gnug beſehn nicht gnug bewundern kann.
Es giebt ja Fiſche, welche fliegen,
Und Voͤgel, die im Waſſer liegen,
Und denen ja ſo kaltes Blut,
Als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="50">
              <l>
                <pb facs="#f0510" n="478"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs-Gedicht.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Die Staffeln, ja in ieder Sorte</l><lb/>
              <l>Gehn fa&#x017F;t bis zur Unendlichkeit</l><lb/>
              <l>Die Staffeln der Vollkommenheit.</l><lb/>
              <l>Ja die&#x017F;e Art der Stuffen geht &#x017F;o weit,</l><lb/>
              <l>Daß die vollkommen&#x017F;te von einer untern Art</l><lb/>
              <l>Dem unvollkommen&#x017F;ten von der, &#x017F;o ihr am na&#x0364;ch&#x017F;ten</l><lb/>
              <l>Doch u&#x0364;ber ihr, fa&#x017F;t gleich.</l><lb/>
              <l>Man merck hiebey, mit redlichem Gemu&#x0364;the,</l><lb/>
              <l>Wie &#x017F;o unendlich reich</l><lb/>
              <l>Der Scho&#x0364;pfer an Gewalt und Weisheit, Huld und Gu&#x0364;te!</l><lb/>
              <l>Da nicht nur, was man &#x017F;ieht, mit Thieren, welche leben,</l><lb/>
              <l>Verwunderlich erfu&#x0364;llt; So gar der Unter&#x017F;cheid</l><lb/>
              <l>Jn ihnen &#x017F;elb&#x017F;t, kann ja &#x017F;o &#x017F;ehr,</l><lb/>
              <l>Als ihre Zahl, die Lieb&#x2019; und die Vollkommenheit</l><lb/>
              <l>Des gro&#x017F;&#x017F;en Scho&#x0364;pfers hoch erheben.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="51">
              <l>Ha&#x0364;tt&#x2019; Er von lebendigen Thieren</l><lb/>
              <l>Nicht mehr als eine Sort&#x2019; zum Leben zugericht;</l><lb/>
              <l>So ko&#x0364;nnten ja die andern alle nicht</l><lb/>
              <l>Vermo&#x0364;gend &#x017F;eyn, des We&#x017F;ens Glu&#x0364;ck zu &#x017F;pu&#x0364;ren.</l><lb/>
              <l>Den Zwi&#x017F;chen-Stand, von einer Pflantzen an,</l><lb/>
              <l>Bis zu dem Men&#x017F;chen, fu&#x0364;llt &#x017F;olch ungezehlte Zahl</l><lb/>
              <l>Von gantz ver&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;cho&#x0364;pffen, welche man<lb/>
(Da &#x017F;ie &#x017F;ich allgemach, nicht auf einmahl</l><lb/>
              <l>Verbe&#x017F;&#x017F;ern, und &#x017F;ich &#x017F;o gelind und &#x017F;anft erho&#x0364;hn;</l><lb/>
              <l>So daß kein Ab&#x017F;atz fa&#x017F;t zu mercken, zu ver&#x017F;tehn)</l><lb/>
              <l>Nicht gnug be&#x017F;ehn nicht gnug bewundern kann.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="52">
              <l>Es giebt ja Fi&#x017F;che, welche fliegen,</l><lb/>
              <l>Und Vo&#x0364;gel, die im Wa&#x017F;&#x017F;er liegen,</l><lb/>
              <l>Und denen ja &#x017F;o kaltes Blut,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0510] Neu-Jahrs-Gedicht. Die Staffeln, ja in ieder Sorte Gehn faſt bis zur Unendlichkeit Die Staffeln der Vollkommenheit. Ja dieſe Art der Stuffen geht ſo weit, Daß die vollkommenſte von einer untern Art Dem unvollkommenſten von der, ſo ihr am naͤchſten Doch uͤber ihr, faſt gleich. Man merck hiebey, mit redlichem Gemuͤthe, Wie ſo unendlich reich Der Schoͤpfer an Gewalt und Weisheit, Huld und Guͤte! Da nicht nur, was man ſieht, mit Thieren, welche leben, Verwunderlich erfuͤllt; So gar der Unterſcheid Jn ihnen ſelbſt, kann ja ſo ſehr, Als ihre Zahl, die Lieb’ und die Vollkommenheit Des groſſen Schoͤpfers hoch erheben. Haͤtt’ Er von lebendigen Thieren Nicht mehr als eine Sort’ zum Leben zugericht; So koͤnnten ja die andern alle nicht Vermoͤgend ſeyn, des Weſens Gluͤck zu ſpuͤren. Den Zwiſchen-Stand, von einer Pflantzen an, Bis zu dem Menſchen, fuͤllt ſolch ungezehlte Zahl Von gantz verſchiedenen Geſchoͤpffen, welche man (Da ſie ſich allgemach, nicht auf einmahl Verbeſſern, und ſich ſo gelind und ſanft erhoͤhn; So daß kein Abſatz faſt zu mercken, zu verſtehn) Nicht gnug beſehn nicht gnug bewundern kann. Es giebt ja Fiſche, welche fliegen, Und Voͤgel, die im Waſſer liegen, Und denen ja ſo kaltes Blut, Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/510
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/510>, abgerufen am 20.05.2024.