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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Das Vergangene,
Jndessen ist, nach unserm Sinn,
Der Tag der gestern war, dahin.
Uns bleibt von ihm kein anderer Begriff,
Als etwa von der Spur, die ein besegelt Schiff
Jn leichten Wellen macht. Doch halt! dieß Schiff so ga
Macht unsern Satz nicht minder klar.
Wer leugnet, daß, obgleich der Wind es von uns treibet,
Und weit entfernt, es darüm doch nicht bleibet?
Wir richten mehrentheils, bloß nach dem Schein:
Was Wunder? daß wir oft dadurch betrogen seyn,
Und daß wir, da wir selbst vergehen,
Von Dingen, die bestehen, nichts verstehen?
Jch stelle vor der Hand auch dieß an seinen Ort,
Wirst du vielleicht, mein Leser, hiezu sagen:
Wie aber? fährst du fort,
Wenn wir die Cörper sich verändern, sich zerschlagen,
Sich trennen, und verwesen sehn;
Heisst alles dieses kein vergehn?
Die Aenderung ist klar, gewiß, unwiedersprechlich,
Doch ist nur die Figur und Form allein gebrechlich.
Die Theile, die für dich erlesen,
Woraus du worden bist, sind, eh du warst, gewesen.
Die Theile sind beständig, und sie bleiben
Jm Schoosse der Natur: kein jähren, kein zerreiben
Vernichtiget den Stoff. Ja, sprichst du, wenn der Sand,
Wenn Staub und Asche da, von einem, durch den Brand,
Jn Asche, Schutt und Graus verwandelten Gebäude;
Kann das Gebäude denn, wie vor, in deinem Sinn
Noch gegenwärtig seyn? Jst nicht vielmehr dahin,
Was zierlich auferbaut, was unsrer Augen Freude,
Des
Das Vergangene,
Jndeſſen iſt, nach unſerm Sinn,
Der Tag der geſtern war, dahin.
Uns bleibt von ihm kein anderer Begriff,
Als etwa von der Spur, die ein beſegelt Schiff
Jn leichten Wellen macht. Doch halt! dieß Schiff ſo ga
Macht unſern Satz nicht minder klar.
Wer leugnet, daß, obgleich der Wind es von uns treibet,
Und weit entfernt, es daruͤm doch nicht bleibet?
Wir richten mehrentheils, bloß nach dem Schein:
Was Wunder? daß wir oft dadurch betrogen ſeyn,
Und daß wir, da wir ſelbſt vergehen,
Von Dingen, die beſtehen, nichts verſtehen?
Jch ſtelle vor der Hand auch dieß an ſeinen Ort,
Wirſt du vielleicht, mein Leſer, hiezu ſagen:
Wie aber? faͤhrſt du fort,
Wenn wir die Coͤrper ſich veraͤndern, ſich zerſchlagen,
Sich trennen, und verweſen ſehn;
Heiſſt alles dieſes kein vergehn?
Die Aenderung iſt klar, gewiß, unwiederſprechlich,
Doch iſt nur die Figur und Form allein gebrechlich.
Die Theile, die fuͤr dich erleſen,
Woraus du worden biſt, ſind, eh du warſt, geweſen.
Die Theile ſind beſtaͤndig, und ſie bleiben
Jm Schooſſe der Natur: kein jaͤhren, kein zerreiben
Vernichtiget den Stoff. Ja, ſprichſt du, wenn der Sand,
Wenn Staub und Aſche da, von einem, durch den Brand,
Jn Aſche, Schutt und Graus verwandelten Gebaͤude;
Kann das Gebaͤude denn, wie vor, in deinem Sinn
Noch gegenwaͤrtig ſeyn? Jſt nicht vielmehr dahin,
Was zierlich auferbaut, was unſrer Augen Freude,
Des
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[444/0476] Das Vergangene, Jndeſſen iſt, nach unſerm Sinn, Der Tag der geſtern war, dahin. Uns bleibt von ihm kein anderer Begriff, Als etwa von der Spur, die ein beſegelt Schiff Jn leichten Wellen macht. Doch halt! dieß Schiff ſo ga Macht unſern Satz nicht minder klar. Wer leugnet, daß, obgleich der Wind es von uns treibet, Und weit entfernt, es daruͤm doch nicht bleibet? Wir richten mehrentheils, bloß nach dem Schein: Was Wunder? daß wir oft dadurch betrogen ſeyn, Und daß wir, da wir ſelbſt vergehen, Von Dingen, die beſtehen, nichts verſtehen? Jch ſtelle vor der Hand auch dieß an ſeinen Ort, Wirſt du vielleicht, mein Leſer, hiezu ſagen: Wie aber? faͤhrſt du fort, Wenn wir die Coͤrper ſich veraͤndern, ſich zerſchlagen, Sich trennen, und verweſen ſehn; Heiſſt alles dieſes kein vergehn? Die Aenderung iſt klar, gewiß, unwiederſprechlich, Doch iſt nur die Figur und Form allein gebrechlich. Die Theile, die fuͤr dich erleſen, Woraus du worden biſt, ſind, eh du warſt, geweſen. Die Theile ſind beſtaͤndig, und ſie bleiben Jm Schooſſe der Natur: kein jaͤhren, kein zerreiben Vernichtiget den Stoff. Ja, ſprichſt du, wenn der Sand, Wenn Staub und Aſche da, von einem, durch den Brand, Jn Aſche, Schutt und Graus verwandelten Gebaͤude; Kann das Gebaͤude denn, wie vor, in deinem Sinn Noch gegenwaͤrtig ſeyn? Jſt nicht vielmehr dahin, Was zierlich auferbaut, was unſrer Augen Freude, Des

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/476>, abgerufen am 23.12.2024.