Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.
Bey dieser Wechsel-Zeit, in der ich, Dem zum Preise, Der alles schuff und schafft, mich inniglich erfreu, Besing' ich, Ehr-Furcht voll, den ietzt aufs neu, Jn einer (wollte GOTT! Jhm angenehmen Weise) Desselben Weisheit, Lieb' und Macht, Der, so wie alle Ding', auch mich hervor gebracht; Der, wie er so viel Guts, Leib, Sinnen, Kräfft' und Leben, Auch eine Seele mir gegeben, Die, daß sie alle Krafft auf ihren Schöpfer richte, Und, Jhm zum Ruhm, ein Lob- und Danck-Lied tichte, So schuldig als bereit. Allein, Was wird der Vorwurff ietzt von meinen Liedern seyn? Jch habe von der Zeit schon überhaupt geschrieben. Jch habe gleichfalls schon, wann keine Zeit nicht mehr, Das künftige, dem grossen All zur Ehr, Und dir, auch mir, zur Lehr, Einst anzusehn versucht. Es ist noch überblieben, Auch in das stille Thal der Dinge, so dahin, Mit einem forschenden und ernsten Sinn, So tieff, als möglich ist, der Seelen Krafft zu sencken, Und des vergangnen zu gedencken; Als welches mehr, wenn man es wol erweget, Verdient und nöthig ist, daß man es überleget. Da das Vergangne ja, weit mehr noch als es scheinet, Mit unsrer Gegenwart des Lebens selbst vereinet: Da E e 3
Bey dieſer Wechſel-Zeit, in der ich, Dem zum Preiſe, Der alles ſchuff und ſchafft, mich inniglich erfreu, Beſing’ ich, Ehr-Furcht voll, den ietzt aufs neu, Jn einer (wollte GOTT! Jhm angenehmen Weiſe) Deſſelben Weisheit, Lieb’ und Macht, Der, ſo wie alle Ding’, auch mich hervor gebracht; Der, wie er ſo viel Guts, Leib, Sinnen, Kraͤfft’ und Leben, Auch eine Seele mir gegeben, Die, daß ſie alle Krafft auf ihren Schoͤpfer richte, Und, Jhm zum Ruhm, ein Lob- und Danck-Lied tichte, So ſchuldig als bereit. Allein, Was wird der Vorwurff ietzt von meinen Liedern ſeyn? Jch habe von der Zeit ſchon uͤberhaupt geſchrieben. Jch habe gleichfalls ſchon, wann keine Zeit nicht mehr, Das kuͤnftige, dem groſſen All zur Ehr, Und dir, auch mir, zur Lehr, Einſt anzuſehn verſucht. Es iſt noch uͤberblieben, Auch in das ſtille Thal der Dinge, ſo dahin, Mit einem forſchenden und ernſten Sinn, So tieff, als moͤglich iſt, der Seelen Krafft zu ſencken, Und des vergangnen zu gedencken; Als welches mehr, wenn man es wol erweget, Verdient und noͤthig iſt, daß man es uͤberleget. Da das Vergangne ja, weit mehr noch als es ſcheinet, Mit unſrer Gegenwart des Lebens ſelbſt vereinet: Da E e 3
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bey dem 1729. Jahres-Wechſel ꝛc.
Uns des Verſtandes Licht
Gegeben.
Bey dieſer Wechſel-Zeit, in der ich, Dem zum Preiſe,
Der alles ſchuff und ſchafft, mich inniglich erfreu,
Beſing’ ich, Ehr-Furcht voll, den ietzt aufs neu,
Jn einer (wollte GOTT! Jhm angenehmen Weiſe)
Deſſelben Weisheit, Lieb’ und Macht,
Der, ſo wie alle Ding’, auch mich hervor gebracht;
Der, wie er ſo viel Guts, Leib, Sinnen, Kraͤfft’ und Leben,
Auch eine Seele mir gegeben,
Die, daß ſie alle Krafft auf ihren Schoͤpfer richte,
Und, Jhm zum Ruhm, ein Lob- und Danck-Lied tichte,
So ſchuldig als bereit.
Allein,
Was wird der Vorwurff ietzt von meinen Liedern ſeyn?
Jch habe von der Zeit ſchon uͤberhaupt geſchrieben.
Jch habe gleichfalls ſchon, wann keine Zeit nicht mehr,
Das kuͤnftige, dem groſſen All zur Ehr,
Und dir, auch mir, zur Lehr,
Einſt anzuſehn verſucht. Es iſt noch uͤberblieben,
Auch in das ſtille Thal der Dinge, ſo dahin,
Mit einem forſchenden und ernſten Sinn,
So tieff, als moͤglich iſt, der Seelen Krafft zu ſencken,
Und des vergangnen zu gedencken;
Als welches mehr, wenn man es wol erweget,
Verdient und noͤthig iſt, daß man es uͤberleget.
Da das Vergangne ja, weit mehr noch als es ſcheinet,
Mit unſrer Gegenwart des Lebens ſelbſt vereinet:
Da
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