Wie da der Mandel-Baum in süsser Röthe blühet, Wie hier gekeltert wird, auf einmahl übersiehet. So wenig man Auch einigen Begriff sich machen kann Von der Allgegenwart; so zeiget dieses Bild, Das mein Gemüth mit tieffen dencken füllt, Doch etwas deutlichers mir an, Als ich es sonst begriff'; dieweil ich allgemach Durch eine liebliche Jdee, Auf Sprossen der Geschöpf', im Schöpfer mich erhöhe. Jch dencke mehr und mehr der grossen Wahrheit nach, Daß, wenn auch in den tieffsten Tieffen Der undurchdringlichen Unendlichkeit, Gedancken ewig vor sich lieffen, Sie dort, von der Vollkommenheit Der Gottheit alles voll, in den entfernten Gründen, So, wie wir sie hier finden, würden finden.
Kaum hatt' ich dergestalt dieß bey mir überdacht, Als ich, üm die gefrorne Pracht Der Fenster noch einmahl zu sehen, Die Augen öffnete. Jedoch war keine Spur Auch von der zierlichsten Figur Der Eis-Gewächse mehr verhanden, und das Glas Der Scheiben, zeigte blos ein ungeformtes Naß. Es blüheten allein Die Bluhmen, die gewachsen seyn,
Und
Bluhmen im Winter.
Wie da der Mandel-Baum in ſuͤſſer Roͤthe bluͤhet, Wie hier gekeltert wird, auf einmahl uͤberſiehet. So wenig man Auch einigen Begriff ſich machen kann Von der Allgegenwart; ſo zeiget dieſes Bild, Das mein Gemuͤth mit tieffen dencken fuͤllt, Doch etwas deutlichers mir an, Als ich es ſonſt begriff’; dieweil ich allgemach Durch eine liebliche Jdee, Auf Sproſſen der Geſchoͤpf’, im Schoͤpfer mich erhoͤhe. Jch dencke mehr und mehr der groſſen Wahrheit nach, Daß, wenn auch in den tieffſten Tieffen Der undurchdringlichen Unendlichkeit, Gedancken ewig vor ſich lieffen, Sie dort, von der Vollkommenheit Der Gottheit alles voll, in den entfernten Gruͤnden, So, wie wir ſie hier finden, wuͤrden finden.
Kaum hatt’ ich dergeſtalt dieß bey mir uͤberdacht, Als ich, uͤm die gefrorne Pracht Der Fenſter noch einmahl zu ſehen, Die Augen oͤffnete. Jedoch war keine Spur Auch von der zierlichſten Figur Der Eis-Gewaͤchſe mehr verhanden, und das Glas Der Scheiben, zeigte blos ein ungeformtes Naß. Es bluͤheten allein Die Bluhmen, die gewachſen ſeyn,
Und
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Bluhmen im Winter.
Wie da der Mandel-Baum in ſuͤſſer Roͤthe bluͤhet,
Wie hier gekeltert wird, auf einmahl uͤberſiehet.
So wenig man
Auch einigen Begriff ſich machen kann
Von der Allgegenwart; ſo zeiget dieſes Bild,
Das mein Gemuͤth mit tieffen dencken fuͤllt,
Doch etwas deutlichers mir an,
Als ich es ſonſt begriff’; dieweil ich allgemach
Durch eine liebliche Jdee,
Auf Sproſſen der Geſchoͤpf’, im Schoͤpfer mich erhoͤhe.
Jch dencke mehr und mehr der groſſen Wahrheit nach,
Daß, wenn auch in den tieffſten Tieffen
Der undurchdringlichen Unendlichkeit,
Gedancken ewig vor ſich lieffen,
Sie dort, von der Vollkommenheit
Der Gottheit alles voll, in den entfernten Gruͤnden,
So, wie wir ſie hier finden, wuͤrden finden.
Kaum hatt’ ich dergeſtalt dieß bey mir uͤberdacht,
Als ich, uͤm die gefrorne Pracht
Der Fenſter noch einmahl zu ſehen,
Die Augen oͤffnete. Jedoch war keine Spur
Auch von der zierlichſten Figur
Der Eis-Gewaͤchſe mehr verhanden, und das Glas
Der Scheiben, zeigte blos ein ungeformtes Naß.
Es bluͤheten allein
Die Bluhmen, die gewachſen ſeyn,
Und
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/461>, abgerufen am 23.07.2024.
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