Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Winter-Gedancken.
Winter-Gedancken.
Als unlängst eine Winter Nacht,
Jn welcher es, mit einer bittern Macht,
Und hefftig druckender Gewalt,
Auf Erden, in der Fluth, und in der Luft gefroren,
Mit ihrem Schatten sich verlohren;
Erstaunt' ich, als ich die recht schreckende Gestalt
Der starren Welt, indem es starck gereifft,
Und der gefrorne Dufft sich überall gehäufft,
Jn einem wilden Glantz' erblickte.
Ein blendend Weiß bedeckt' der Berg' und Häuser
Gipfel;

Ein rauher Schimmer füllt', ümgabe, drückt' und schmückte
Der starren Bäume Wipfel.
Man sah, nicht sonder Lust, doch auch nicht sonder Schrecken,
Derselben Stämm' und Zweig' in weissen Rinden stecken,
Und diese eingehüllt durch ein so rauhes Mooß,
Daß ieder Wipfel, nicht wie sonsten, Blätter-los,
Und ihres Schmucks entblösst schien, und beraubet;
Sie liessen dick, und recht als wären sie belaubet.
Kaum sah man hie und dort, durch sie, die düstre Lufft,
Die, schwartz durch den verdickten Dufft,
Den Horizont fast gantz bedeckte,
Und worin eigentlich der Grimm des Frostes steckte.
Jndem ich dieses weiß mit schwartz vermischte Grau,
Und in demselbigen fast sichtbarlich die Wuth
Der allversteinernden ergrimmten Kälte schau,
Die
B b 4
Winter-Gedancken.
Winter-Gedancken.
Als unlaͤngſt eine Winter Nacht,
Jn welcher es, mit einer bittern Macht,
Und hefftig druckender Gewalt,
Auf Erden, in der Fluth, und in der Luft gefroren,
Mit ihrem Schatten ſich verlohren;
Erſtaunt’ ich, als ich die recht ſchreckende Geſtalt
Der ſtarren Welt, indem es ſtarck gereifft,
Und der gefrorne Dufft ſich uͤberall gehaͤufft,
Jn einem wilden Glantz’ erblickte.
Ein blendend Weiß bedeckt’ der Berg’ und Haͤuſer
Gipfel;

Ein rauher Schimmer fuͤllt’, uͤmgabe, druͤckt’ und ſchmuͤckte
Der ſtarren Baͤume Wipfel.
Man ſah, nicht ſonder Luſt, doch auch nicht ſonder Schrecken,
Derſelben Staͤmm’ und Zweig’ in weiſſen Rinden ſtecken,
Und dieſe eingehuͤllt durch ein ſo rauhes Mooß,
Daß ieder Wipfel, nicht wie ſonſten, Blaͤtter-los,
Und ihres Schmucks entbloͤſſt ſchien, und beraubet;
Sie lieſſen dick, und recht als waͤren ſie belaubet.
Kaum ſah man hie und dort, durch ſie, die duͤſtre Lufft,
Die, ſchwartz durch den verdickten Dufft,
Den Horizont faſt gantz bedeckte,
Und worin eigentlich der Grimm des Froſtes ſteckte.
Jndem ich dieſes weiß mit ſchwartz vermiſchte Grau,
Und in demſelbigen faſt ſichtbarlich die Wuth
Der allverſteinernden ergrimmten Kaͤlte ſchau,
Die
B b 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0423" n="391"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Winter-Gedancken.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Winter-Gedancken.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">A</hi>ls unla&#x0364;ng&#x017F;t eine Winter Nacht,</l><lb/>
              <l>Jn welcher es, mit einer bittern Macht,</l><lb/>
              <l>Und hefftig druckender Gewalt,</l><lb/>
              <l>Auf Erden, in der Fluth, und in der Luft gefroren,</l><lb/>
              <l>Mit ihrem Schatten &#x017F;ich verlohren;</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;taunt&#x2019; ich, als ich die recht &#x017F;chreckende Ge&#x017F;talt</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;tarren Welt, indem es &#x017F;tarck gereifft,</l><lb/>
              <l>Und der gefrorne Dufft &#x017F;ich u&#x0364;berall geha&#x0364;ufft,</l><lb/>
              <l>Jn einem wilden Glantz&#x2019; erblickte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Ein blendend Weiß bedeckt&#x2019; der Berg&#x2019; und Ha&#x0364;u&#x017F;er<lb/><hi rendition="#et">Gipfel;</hi></l><lb/>
              <l>Ein rauher Schimmer fu&#x0364;llt&#x2019;, u&#x0364;mgabe, dru&#x0364;ckt&#x2019; und &#x017F;chmu&#x0364;ckte</l><lb/>
              <l>Der &#x017F;tarren Ba&#x0364;ume Wipfel.</l><lb/>
              <l>Man &#x017F;ah, nicht &#x017F;onder Lu&#x017F;t, doch auch nicht &#x017F;onder Schrecken,</l><lb/>
              <l>Der&#x017F;elben Sta&#x0364;mm&#x2019; und Zweig&#x2019; in wei&#x017F;&#x017F;en Rinden &#x017F;tecken,</l><lb/>
              <l>Und die&#x017F;e eingehu&#x0364;llt durch ein &#x017F;o rauhes Mooß,</l><lb/>
              <l>Daß ieder Wipfel, nicht wie &#x017F;on&#x017F;ten, Bla&#x0364;tter-los,</l><lb/>
              <l>Und ihres Schmucks entblo&#x0364;&#x017F;&#x017F;t &#x017F;chien, und beraubet;</l><lb/>
              <l>Sie lie&#x017F;&#x017F;en dick, und recht als wa&#x0364;ren &#x017F;ie belaubet.</l><lb/>
              <l>Kaum &#x017F;ah man hie und dort, durch &#x017F;ie, die du&#x0364;&#x017F;tre Lufft,</l><lb/>
              <l>Die, &#x017F;chwartz durch den verdickten Dufft,</l><lb/>
              <l>Den Horizont fa&#x017F;t gantz bedeckte,</l><lb/>
              <l>Und worin eigentlich der Grimm des Fro&#x017F;tes &#x017F;teckte.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Jndem ich die&#x017F;es weiß mit &#x017F;chwartz vermi&#x017F;chte Grau,</l><lb/>
              <l>Und in dem&#x017F;elbigen fa&#x017F;t &#x017F;ichtbarlich die Wuth</l><lb/>
              <l>Der allver&#x017F;teinernden ergrimmten Ka&#x0364;lte &#x017F;chau,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B b 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></l>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[391/0423] Winter-Gedancken. Winter-Gedancken. Als unlaͤngſt eine Winter Nacht, Jn welcher es, mit einer bittern Macht, Und hefftig druckender Gewalt, Auf Erden, in der Fluth, und in der Luft gefroren, Mit ihrem Schatten ſich verlohren; Erſtaunt’ ich, als ich die recht ſchreckende Geſtalt Der ſtarren Welt, indem es ſtarck gereifft, Und der gefrorne Dufft ſich uͤberall gehaͤufft, Jn einem wilden Glantz’ erblickte. Ein blendend Weiß bedeckt’ der Berg’ und Haͤuſer Gipfel; Ein rauher Schimmer fuͤllt’, uͤmgabe, druͤckt’ und ſchmuͤckte Der ſtarren Baͤume Wipfel. Man ſah, nicht ſonder Luſt, doch auch nicht ſonder Schrecken, Derſelben Staͤmm’ und Zweig’ in weiſſen Rinden ſtecken, Und dieſe eingehuͤllt durch ein ſo rauhes Mooß, Daß ieder Wipfel, nicht wie ſonſten, Blaͤtter-los, Und ihres Schmucks entbloͤſſt ſchien, und beraubet; Sie lieſſen dick, und recht als waͤren ſie belaubet. Kaum ſah man hie und dort, durch ſie, die duͤſtre Lufft, Die, ſchwartz durch den verdickten Dufft, Den Horizont faſt gantz bedeckte, Und worin eigentlich der Grimm des Froſtes ſteckte. Jndem ich dieſes weiß mit ſchwartz vermiſchte Grau, Und in demſelbigen faſt ſichtbarlich die Wuth Der allverſteinernden ergrimmten Kaͤlte ſchau, Die B b 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/423
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/423>, abgerufen am 25.11.2024.