Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.des Tockayer-Weins. Ein beschäumter kühler Wein ward, nachdem das Glas ge-schwencket, So zum Durst, als zum Vergnügen, mehr als einmahl ein- geschencket, Mehr als einmahl ausgeleert. Da Beraldo denn mit Lust Sein gewohntes Tafel-Liedchen, aus der recht zufriednen Brust, Und mit recht zufriednem Geist, so, daß Feld und Wald er- klang, Bey der hellen Feld-Schallmey, wie er offters pflegte, sang: Wunder-voller Safft der Reben, Süsser Unmuths-Gegen-Gifft! Unsers Lebens halbes Leben etc. Ob nun gleich dadurch Durander eingenommen, recht ver- gnügt, Und sich, durch den muntern Ton, innig so gerühret fühlte, Daß er zu Beraldo Stimme dann und wann die seine fügt, Bald mit einem halben Vers, so wie er ihn schnell behielte, Bald mit einem sanften Sumsen den beliebten Ton ver- stärckte, Ubrigens mit Haupt und Fuß ämsiglich den Tact bemerckte; Unterbrach er doch zuletzt den Gesang: sprang auf, und sprach; Folge doch, geliebter Bruder, mir, wohin ich gehe, nach. Denn nunmehro muß ich dir, was ich sagen wollt', ent- decken: Weist du, daß der grosse Günther, dessen fettes Land und Wiesen Weiter, als die andern Wiesen aller Schäfer, sich erstrecken, Der Y 3
des Tockayer-Weins. Ein beſchaͤumter kuͤhler Wein ward, nachdem das Glas ge-ſchwencket, So zum Durſt, als zum Vergnuͤgen, mehr als einmahl ein- geſchencket, Mehr als einmahl ausgeleert. Da Beraldo denn mit Luſt Sein gewohntes Tafel-Liedchen, aus der recht zufriednen Bruſt, Und mit recht zufriednem Geiſt, ſo, daß Feld und Wald er- klang, Bey der hellen Feld-Schallmey, wie er offters pflegte, ſang: Wunder-voller Safft der Reben, Suͤſſer Unmuths-Gegen-Gifft! Unſers Lebens halbes Leben ꝛc. Ob nun gleich dadurch Durander eingenommen, recht ver- gnuͤgt, Und ſich, durch den muntern Ton, innig ſo geruͤhret fuͤhlte, Daß er zu Beraldo Stim̄e dann und wann die ſeine fuͤgt, Bald mit einem halben Vers, ſo wie er ihn ſchnell behielte, Bald mit einem ſanften Sumſen den beliebten Ton ver- ſtaͤrckte, Ubrigens mit Haupt und Fuß aͤmſiglich den Tact bemerckte; Unterbrach er doch zuletzt den Geſang: ſprang auf, und ſprach; Folge doch, geliebter Bruder, mir, wohin ich gehe, nach. Denn nunmehro muß ich dir, was ich ſagen wollt’, ent- decken: Weiſt du, daß der groſſe Guͤnther, deſſen fettes Land und Wieſen Weiter, als die andern Wieſen aller Schaͤfer, ſich erſtrecken, Der Y 3
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des Tockayer-Weins.
Ein beſchaͤumter kuͤhler Wein ward, nachdem das Glas ge-
ſchwencket,
So zum Durſt, als zum Vergnuͤgen, mehr als einmahl ein-
geſchencket,
Mehr als einmahl ausgeleert. Da Beraldo denn mit
Luſt
Sein gewohntes Tafel-Liedchen, aus der recht zufriednen
Bruſt,
Und mit recht zufriednem Geiſt, ſo, daß Feld und Wald er-
klang,
Bey der hellen Feld-Schallmey, wie er offters pflegte, ſang:
Wunder-voller Safft der Reben,
Suͤſſer Unmuths-Gegen-Gifft!
Unſers Lebens halbes Leben ꝛc.
Ob nun gleich dadurch Durander eingenommen, recht ver-
gnuͤgt,
Und ſich, durch den muntern Ton, innig ſo geruͤhret fuͤhlte,
Daß er zu Beraldo Stim̄e dann und wann die ſeine fuͤgt,
Bald mit einem halben Vers, ſo wie er ihn ſchnell behielte,
Bald mit einem ſanften Sumſen den beliebten Ton ver-
ſtaͤrckte,
Ubrigens mit Haupt und Fuß aͤmſiglich den Tact bemerckte;
Unterbrach er doch zuletzt den Geſang: ſprang auf, und
ſprach;
Folge doch, geliebter Bruder, mir, wohin ich gehe, nach.
Denn nunmehro muß ich dir, was ich ſagen wollt’, ent-
decken:
Weiſt du, daß der groſſe Guͤnther, deſſen fettes Land
und Wieſen
Weiter, als die andern Wieſen aller Schaͤfer, ſich erſtrecken,
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