Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Betrachtung Nachdem er eine Flasche,Voll frischer Milch, in seine bunte Tasche Zum Labsal eingestecket. Das rauhe Hartz-Gebirg' erstrecket, Erhebt und thürmet sich Fast unersteiglich, schroff und gähe, Alhier zu einer solchen Höhe Die selbst dem Blick fast fürchterlich. Doch ließ er sich die Schwierigkeit nicht hindern, Noch die ihn treibende Begier dadurch vermindern. Er trat die rauhe Bahn Mit frohen Schritten an. Und, weil ein Fuß-Steig ihm nicht unbekannt; Verkürtzt' er seinen Weg, so, daß, in kurtzer Zeit, Trotz des Gebirges Rauhigkeit, Er oben auf des Berges Spitzen, Mit müden zwar, doch frohen Füssen, stand. Hieselbst sah' er, auf einem grossen Stein, Mit Steinen gantz ümringt, Beraldo gantz allein, Vertiefft im dencken, schreibend sitzen. Jndessen daß, von seiner Hand, Er ein beschrieben Blätchen fand, So ihm der Wind entführt. Er hubs begierig auf, Und lase diese Worte drauf: "Jndem das Feld mit Schnee der dunckle Winter decket, "Und scharffes Eis die Fluth verstecket, "Sitz ich alhier, "Wo ich, vergnügt, mir selber lebe, "Und von der eitelen Begier "Mich zu entfernen, mich bestrebe, Bey
Betrachtung Nachdem er eine Flaſche,Voll friſcher Milch, in ſeine bunte Taſche Zum Labſal eingeſtecket. Das rauhe Hartz-Gebirg’ erſtrecket, Erhebt und thuͤrmet ſich Faſt unerſteiglich, ſchroff und gaͤhe, Alhier zu einer ſolchen Hoͤhe Die ſelbſt dem Blick faſt fuͤrchterlich. Doch ließ er ſich die Schwierigkeit nicht hindern, Noch die ihn treibende Begier dadurch vermindern. Er trat die rauhe Bahn Mit frohen Schritten an. Und, weil ein Fuß-Steig ihm nicht unbekannt; Verkuͤrtzt’ er ſeinen Weg, ſo, daß, in kurtzer Zeit, Trotz des Gebirges Rauhigkeit, Er oben auf des Berges Spitzen, Mit muͤden zwar, doch frohen Fuͤſſen, ſtand. Hieſelbſt ſah’ er, auf einem groſſen Stein, Mit Steinen gantz uͤmringt, Beraldo gantz allein, Vertiefft im dencken, ſchreibend ſitzen. Jndeſſen daß, von ſeiner Hand, Er ein beſchrieben Blaͤtchen fand, So ihm der Wind entfuͤhrt. Er hubs begierig auf, Und laſe dieſe Worte drauf: „Jndem das Feld mit Schnee der dunckle Winter decket, „Und ſcharffes Eis die Fluth verſtecket, „Sitz ich alhier, „Wo ich, vergnuͤgt, mir ſelber lebe, „Und von der eitelen Begier „Mich zu entfernen, mich beſtrebe, Bey
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Betrachtung
Nachdem er eine Flaſche,
Voll friſcher Milch, in ſeine bunte Taſche
Zum Labſal eingeſtecket.
Das rauhe Hartz-Gebirg’ erſtrecket,
Erhebt und thuͤrmet ſich
Faſt unerſteiglich, ſchroff und gaͤhe,
Alhier zu einer ſolchen Hoͤhe
Die ſelbſt dem Blick faſt fuͤrchterlich.
Doch ließ er ſich die Schwierigkeit nicht hindern,
Noch die ihn treibende Begier dadurch vermindern.
Er trat die rauhe Bahn
Mit frohen Schritten an.
Und, weil ein Fuß-Steig ihm nicht unbekannt;
Verkuͤrtzt’ er ſeinen Weg, ſo, daß, in kurtzer Zeit,
Trotz des Gebirges Rauhigkeit,
Er oben auf des Berges Spitzen,
Mit muͤden zwar, doch frohen Fuͤſſen, ſtand.
Hieſelbſt ſah’ er, auf einem groſſen Stein,
Mit Steinen gantz uͤmringt, Beraldo gantz allein,
Vertiefft im dencken, ſchreibend ſitzen.
Jndeſſen daß, von ſeiner Hand,
Er ein beſchrieben Blaͤtchen fand,
So ihm der Wind entfuͤhrt. Er hubs begierig auf,
Und laſe dieſe Worte drauf:
„Jndem das Feld mit Schnee der dunckle Winter decket,
„Und ſcharffes Eis die Fluth verſtecket,
„Sitz ich alhier,
„Wo ich, vergnuͤgt, mir ſelber lebe,
„Und von der eitelen Begier
„Mich zu entfernen, mich beſtrebe,
Bey
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