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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Gedancken
So wird man, daß nur dieß, nicht jenes, Wunder-schön,
Mit überführten Blicken sehn.

Wie zierlich ist doch die Figur
Der mehr als Kaiserlich geschmückten Creatur,
Der man mit Unrecht Würd' und Nahmen
Vom Paradieses-Vogel raubt.
Wie schlanck ist doch sein Hals, wie spitzig nett sein Haupt,
Das eine Crone schmückt!
Ein halber Silber-weisser Kreis
Umgiebt sein schwartzes Aug, ein Strich der auch so weiß,
Wird an des Schnabels Horn erblickt.
Es scheinet die Natur auf dieses Thier
Mit vollen Händen
Der Bildungs-Pracht, der Farben Zier,
Zum Wunder gleichsam zu verschwenden.
Mit Farben scheinest du allein nicht einst zufrieden:
Denn in derselben bunten Schein
Mischt sich bey dir,
O allerschönstes Wunder-Thier,
Zugleich so Gold als Silber ein.
Der Schöpfer hat dir noch viel mehr beschieden:
Dein Gold ist bund, und nicht allein nur gülden:
Mich deucht, daß ich so gar das helle Blau
Von jenen Himmlischen Gefilden,
Wann sie recht heiter sind, an deinem Halse schau.
Doch nein!
Es ist ja grün. Wie ist mir? Auf der Welt
Jst kein Smaragden-gleicher Feld.
Es scheint sein grüner Schweiff
Recht deutlich vorzustellen
Der

Gedancken
So wird man, daß nur dieß, nicht jenes, Wunder-ſchoͤn,
Mit uͤberfuͤhrten Blicken ſehn.

Wie zierlich iſt doch die Figur
Der mehr als Kaiſerlich geſchmuͤckten Creatur,
Der man mit Unrecht Wuͤrd’ und Nahmen
Vom Paradieſes-Vogel raubt.
Wie ſchlanck iſt doch ſein Hals, wie ſpitzig nett ſein Haupt,
Das eine Crone ſchmuͤckt!
Ein halber Silber-weiſſer Kreis
Umgiebt ſein ſchwartzes Aug, ein Strich der auch ſo weiß,
Wird an des Schnabels Horn erblickt.
Es ſcheinet die Natur auf dieſes Thier
Mit vollen Haͤnden
Der Bildungs-Pracht, der Farben Zier,
Zum Wunder gleichſam zu verſchwenden.
Mit Farben ſcheineſt du allein nicht einſt zufrieden:
Denn in derſelben bunten Schein
Miſcht ſich bey dir,
O allerſchoͤnſtes Wunder-Thier,
Zugleich ſo Gold als Silber ein.
Der Schoͤpfer hat dir noch viel mehr beſchieden:
Dein Gold iſt bund, und nicht allein nur guͤlden:
Mich deucht, daß ich ſo gar das helle Blau
Von jenen Himmliſchen Gefilden,
Wann ſie recht heiter ſind, an deinem Halſe ſchau.
Doch nein!
Es iſt ja gruͤn. Wie iſt mir? Auf der Welt
Jſt kein Smaragden-gleicher Feld.
Es ſcheint ſein gruͤner Schweiff
Recht deutlich vorzuſtellen
Der
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[164/0196] Gedancken So wird man, daß nur dieß, nicht jenes, Wunder-ſchoͤn, Mit uͤberfuͤhrten Blicken ſehn. Wie zierlich iſt doch die Figur Der mehr als Kaiſerlich geſchmuͤckten Creatur, Der man mit Unrecht Wuͤrd’ und Nahmen Vom Paradieſes-Vogel raubt. Wie ſchlanck iſt doch ſein Hals, wie ſpitzig nett ſein Haupt, Das eine Crone ſchmuͤckt! Ein halber Silber-weiſſer Kreis Umgiebt ſein ſchwartzes Aug, ein Strich der auch ſo weiß, Wird an des Schnabels Horn erblickt. Es ſcheinet die Natur auf dieſes Thier Mit vollen Haͤnden Der Bildungs-Pracht, der Farben Zier, Zum Wunder gleichſam zu verſchwenden. Mit Farben ſcheineſt du allein nicht einſt zufrieden: Denn in derſelben bunten Schein Miſcht ſich bey dir, O allerſchoͤnſtes Wunder-Thier, Zugleich ſo Gold als Silber ein. Der Schoͤpfer hat dir noch viel mehr beſchieden: Dein Gold iſt bund, und nicht allein nur guͤlden: Mich deucht, daß ich ſo gar das helle Blau Von jenen Himmliſchen Gefilden, Wann ſie recht heiter ſind, an deinem Halſe ſchau. Doch nein! Es iſt ja gruͤn. Wie iſt mir? Auf der Welt Jſt kein Smaragden-gleicher Feld. Es ſcheint ſein gruͤner Schweiff Recht deutlich vorzuſtellen Der

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/196>, abgerufen am 03.05.2024.