Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Vergnügliche Betrachtung Wann wir den Geruch verspüren, der uns inniglich erquickt,Finden wir aufs neue Wunder, würdig daß wir sie ermessen. Jedes Blat zeigt an dem Fuß, recht, wo es am Stengel fest, Eine Knosp' aufs künftge Jahr, Die aufs neu die weise Güte Jhres Schöpfers, der vorher sorgt und wircket, sehen lässt. Bey den allermeisten nun wird man noch dazu gewahr, Daß, an eben diesen Stellen, noch ein drittes Kind, die Blühte, Wunderbar geformt erscheint. Ein schön gelblich langes Blat, Da das Laub sonst grün und rund, wächst daselbst an einem Stiel, Der es bis zur Mitte bindet (als ein sonderliches Spiel Der geschäfftigen Natur) dann sich aber abwärts sencket, Und, nachdem er sich aufs neu in verschiedne Stengel lencket, Viele schöne Bluhmen trägt: deren Schmuck und Bildung man Niemahls gnug behertzigen, niemahls gnug bewundern kann. Wann sie nun die lauen Lüffte eine Zeitlang balsami- ret, Welckt die Bluhme: dann erscheint, was inzwischen die Natur Jn derselben Schooß gebildet, deren liebliche Figur, Wenn wir sie genau betrachten, wieder neue Lust gebieret. Tausend kleine grüne Kugeln, die ein zartes Peltzwerck deckt, Halten in den runden Bäuchen, wunderbar verwahrt, ver- steckt Jhren eblen Schatz den Samen. Wunder! in so engen Raum Liegt Geheimniß-voll verschräncket, mehr ein Wald fast, als ein Baum. An
Vergnuͤgliche Betrachtung Wann wir den Geruch verſpuͤren, der uns inniglich erquickt,Finden wir aufs neue Wunder, wuͤrdig daß wir ſie ermeſſen. Jedes Blat zeigt an dem Fuß, recht, wo es am Stengel feſt, Eine Knoſp’ aufs kuͤnftge Jahr, Die aufs neu die weiſe Guͤte Jhres Schoͤpfers, der vorher ſorgt und wircket, ſehen laͤſſt. Bey den allermeiſten nun wird man noch dazu gewahr, Daß, an eben dieſen Stellen, noch ein drittes Kind, die Bluͤhte, Wunderbar geformt erſcheint. Ein ſchoͤn gelblich langes Blat, Da das Laub ſonſt gruͤn und rund, waͤchſt daſelbſt an einem Stiel, Der es bis zur Mitte bindet (als ein ſonderliches Spiel Der geſchaͤfftigen Natur) dann ſich aber abwaͤrts ſencket, Und, nachdem er ſich aufs neu in verſchiedne Stengel lencket, Viele ſchoͤne Bluhmen traͤgt: deren Schmuck und Bildung man Niemahls gnug behertzigen, niemahls gnug bewundern kann. Wann ſie nun die lauen Luͤffte eine Zeitlang balſami- ret, Welckt die Bluhme: dann erſcheint, was inzwiſchen die Natur Jn derſelben Schooß gebildet, deren liebliche Figur, Wenn wir ſie genau betrachten, wieder neue Luſt gebieret. Tauſend kleine gruͤne Kugeln, die ein zartes Peltzwerck deckt, Halten in den runden Baͤuchen, wunderbar verwahrt, ver- ſteckt Jhren eblen Schatz den Samen. Wunder! in ſo engen Raum Liegt Geheimniß-voll verſchraͤncket, mehr ein Wald faſt, als ein Baum. An
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Vergnuͤgliche Betrachtung
Wann wir den Geruch verſpuͤren, der uns inniglich erquickt,
Finden wir aufs neue Wunder, wuͤrdig daß wir ſie ermeſſen.
Jedes Blat zeigt an dem Fuß, recht, wo es am Stengel feſt,
Eine Knoſp’ aufs kuͤnftge Jahr,
Die aufs neu die weiſe Guͤte
Jhres Schoͤpfers, der vorher ſorgt und wircket, ſehen laͤſſt.
Bey den allermeiſten nun wird man noch dazu gewahr,
Daß, an eben dieſen Stellen, noch ein drittes Kind, die
Bluͤhte,
Wunderbar geformt erſcheint. Ein ſchoͤn gelblich langes
Blat,
Da das Laub ſonſt gruͤn und rund, waͤchſt daſelbſt an einem
Stiel,
Der es bis zur Mitte bindet (als ein ſonderliches Spiel
Der geſchaͤfftigen Natur) dann ſich aber abwaͤrts ſencket,
Und, nachdem er ſich aufs neu in verſchiedne Stengel lencket,
Viele ſchoͤne Bluhmen traͤgt: deren Schmuck und Bildung
man
Niemahls gnug behertzigen, niemahls gnug bewundern kann.
Wann ſie nun die lauen Luͤffte eine Zeitlang balſami-
ret,
Welckt die Bluhme: dann erſcheint, was inzwiſchen die Natur
Jn derſelben Schooß gebildet, deren liebliche Figur,
Wenn wir ſie genau betrachten, wieder neue Luſt gebieret.
Tauſend kleine gruͤne Kugeln, die ein zartes Peltzwerck
deckt,
Halten in den runden Baͤuchen, wunderbar verwahrt, ver-
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Jhren eblen Schatz den Samen. Wunder! in ſo engen
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