Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Die Glocken-Bluhme. Derselben pflegen insgemeinSechs, sieben, auch wol acht, auch neun zu seyn, Die in der Mitten fest: in deren Ecken Die, hinterwerts gekrümmt, sich nach dem Stengel stre- cken, Und sich zu äusserst lieblich ründen, Wir einen süssen Honig finden, Der den Geschmack, wann er die Zunge netzt, So, wie der Bluhmen Pracht das Aug', ergetzt. Die andre Art von Blättern, deren wir Nie mehr als fünfe sehn, sind lieblich zugespitzt; Wo zwischen mehrentheils, in ordentlicher Zier, Ein Paar der kleinen Hörner sitzt, Die an dem Ort, wo sie sich fügen, Sich etwas einwärts ziehn, dadurch entsteht das schmiegen. Und weil sie unterwärts sich wieder auswärts biegen; Entsteht auf diese Weise Die Glocken-förmige Gestalt. Wenn wir sie trennen, Und alle Hörnerchen, das Süsse draus zu saugen, Aus diesen Blättern ziehn, so können wir den Rest, Der noch am Stengel fest, Ein eignes Blühmchen neunen. Noch ist mit Lust Des Saamens künstliches Gehäuse, Als wie die Kleppelchen sehr zierlich anzusehn. Ach! mögte doch in unsrer Brust Hiedurch ein Andachts-Trieb entstehn, Den wunderbaren GOTT und Schöpfer zu erhöhn! Es
Die Glocken-Bluhme. Derſelben pflegen insgemeinSechs, ſieben, auch wol acht, auch neun zu ſeyn, Die in der Mitten feſt: in deren Ecken Die, hinterwerts gekruͤmmt, ſich nach dem Stengel ſtre- cken, Und ſich zu aͤuſſerſt lieblich ruͤnden, Wir einen ſuͤſſen Honig finden, Der den Geſchmack, wann er die Zunge netzt, So, wie der Bluhmen Pracht das Aug’, ergetzt. Die andre Art von Blaͤttern, deren wir Nie mehr als fuͤnfe ſehn, ſind lieblich zugeſpitzt; Wo zwiſchen mehrentheils, in ordentlicher Zier, Ein Paar der kleinen Hoͤrner ſitzt, Die an dem Ort, wo ſie ſich fuͤgen, Sich etwas einwaͤrts ziehn, dadurch entſteht das ſchmiegen. Und weil ſie unterwaͤrts ſich wieder auswaͤrts biegen; Entſteht auf dieſe Weiſe Die Glocken-foͤrmige Geſtalt. Wenn wir ſie trennen, Und alle Hoͤrnerchen, das Suͤſſe draus zu ſaugen, Aus dieſen Blaͤttern ziehn, ſo koͤnnen wir den Reſt, Der noch am Stengel feſt, Ein eignes Bluͤhmchen neunen. Noch iſt mit Luſt Des Saamens kuͤnſtliches Gehaͤuſe, Als wie die Kleppelchen ſehr zierlich anzuſehn. Ach! moͤgte doch in unſrer Bruſt Hiedurch ein Andachts-Trieb entſtehn, Den wunderbaren GOTT und Schoͤpfer zu erhoͤhn! Es
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Die Glocken-Bluhme.
Derſelben pflegen insgemein
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Die in der Mitten feſt: in deren Ecken
Die, hinterwerts gekruͤmmt, ſich nach dem Stengel ſtre-
cken,
Und ſich zu aͤuſſerſt lieblich ruͤnden,
Wir einen ſuͤſſen Honig finden,
Der den Geſchmack, wann er die Zunge netzt,
So, wie der Bluhmen Pracht das Aug’, ergetzt.
Die andre Art von Blaͤttern, deren wir
Nie mehr als fuͤnfe ſehn, ſind lieblich zugeſpitzt;
Wo zwiſchen mehrentheils, in ordentlicher Zier,
Ein Paar der kleinen Hoͤrner ſitzt,
Die an dem Ort, wo ſie ſich fuͤgen,
Sich etwas einwaͤrts ziehn, dadurch entſteht das ſchmiegen.
Und weil ſie unterwaͤrts ſich wieder auswaͤrts biegen;
Entſteht auf dieſe Weiſe
Die Glocken-foͤrmige Geſtalt.
Wenn wir ſie trennen,
Und alle Hoͤrnerchen, das Suͤſſe draus zu ſaugen,
Aus dieſen Blaͤttern ziehn, ſo koͤnnen wir den Reſt,
Der noch am Stengel feſt,
Ein eignes Bluͤhmchen neunen.
Noch iſt mit Luſt
Des Saamens kuͤnſtliches Gehaͤuſe,
Als wie die Kleppelchen ſehr zierlich anzuſehn.
Ach! moͤgte doch in unſrer Bruſt
Hiedurch ein Andachts-Trieb entſtehn,
Den wunderbaren GOTT und Schoͤpfer zu erhoͤhn!
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