Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Und Bilder, die den Augenblick vergehn, Da sie sich kaum zu bilden angefangen. Man kann jedoch noch ziemlich deutlich machen, Woher so wunderlich verworr'ne Sachen Jm Traum uns vorgestellet seyn. Verstimmet einst ein Jnstrument, Versucht sodenn, ob ihr die Töne, Die sonst so lieblich, rein und schöne, Aus selben zwingen könnt? Jhr werdet nichts aus ihm, als Dissonantzen bringen, Die wunderlich und elend klingen. So, wenn der Leib verstimmt, die Nerven nachgelassen, Wie können sie sodann den Ton behalten, Wie kann denn das Gehirn was anders fassen, Als ungeformt' und seltsame Gestalten, Die sonder Harmonie, und nicht zusammen hangen. Wie aber, und warum wir eben die Jdeen Und and're nicht an deren Stelle sehen; Warum so leicht die, welche längst vergangen, Als unlängst erst gesehne Bilder kommen; Ob sie, als wie ein Schall, Der durch den Wiederhall Zurücke kehrt, von uns vernommen, Und so gehöret wird, wie ihn der Mund gebohren, Ob er sich gleich schon eine Zeit verlohren; Ob, sag' ich, etwan auch auf gleiche Weise, Die Bilder, die nicht mehr zu sehen, An statt vollkommen zu vergehen, Noch bleiben, und zurücke kehren; Jst nicht so leichte zu erklären. Nicht minder, ob und wie so Seel und Geist, Bey U u 5
Und Bilder, die den Augenblick vergehn, Da ſie ſich kaum zu bilden angefangen. Man kann jedoch noch ziemlich deutlich machen, Woher ſo wunderlich verworr’ne Sachen Jm Traum uns vorgeſtellet ſeyn. Verſtimmet einſt ein Jnſtrument, Verſucht ſodenn, ob ihr die Toͤne, Die ſonſt ſo lieblich, rein und ſchoͤne, Aus ſelben zwingen koͤnnt? Jhr werdet nichts aus ihm, als Diſſonantzen bringen, Die wunderlich und elend klingen. So, wenn der Leib verſtimmt, die Nerven nachgelaſſen, Wie koͤnnen ſie ſodann den Ton behalten, Wie kann denn das Gehirn was anders faſſen, Als ungeformt’ und ſeltſame Geſtalten, Die ſonder Harmonie, und nicht zuſammen hangen. Wie aber, und warum wir eben die Jdeen Und and’re nicht an deren Stelle ſehen; Warum ſo leicht die, welche laͤngſt vergangen, Als unlaͤngſt erſt geſehne Bilder kommen; Ob ſie, als wie ein Schall, Der durch den Wiederhall Zuruͤcke kehrt, von uns vernommen, Und ſo gehoͤret wird, wie ihn der Mund gebohren, Ob er ſich gleich ſchon eine Zeit verlohren; Ob, ſag’ ich, etwan auch auf gleiche Weiſe, Die Bilder, die nicht mehr zu ſehen, An ſtatt vollkommen zu vergehen, Noch bleiben, und zuruͤcke kehren; Jſt nicht ſo leichte zu erklaͤren. Nicht minder, ob und wie ſo Seel und Geiſt, Bey U u 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0711" n="681"/> <l>Und Bilder, die den Augenblick vergehn,</l><lb/> <l>Da ſie ſich kaum zu bilden angefangen.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Man kann jedoch noch ziemlich deutlich machen,</l><lb/> <l>Woher ſo wunderlich verworr’ne Sachen</l><lb/> <l>Jm Traum uns vorgeſtellet ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Verſtimmet einſt ein Jnſtrument,</l><lb/> <l>Verſucht ſodenn, ob ihr die Toͤne,</l><lb/> <l>Die ſonſt ſo lieblich, rein und ſchoͤne,</l><lb/> <l>Aus ſelben zwingen koͤnnt?</l><lb/> <l>Jhr werdet nichts aus ihm, als Diſſonantzen bringen,</l><lb/> <l>Die wunderlich und elend klingen.</l><lb/> <l>So, wenn der Leib verſtimmt, die Nerven nachgelaſſen,</l><lb/> <l>Wie koͤnnen ſie ſodann den Ton behalten,</l><lb/> <l>Wie kann denn das Gehirn was anders faſſen,</l><lb/> <l>Als ungeformt’ und ſeltſame Geſtalten,</l><lb/> <l>Die ſonder Harmonie, und nicht zuſammen hangen.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Wie aber, und warum wir eben die Jdeen</l><lb/> <l>Und and’re nicht an deren Stelle ſehen;</l><lb/> <l>Warum ſo leicht die, welche laͤngſt vergangen,</l><lb/> <l>Als unlaͤngſt erſt geſehne Bilder kommen;</l><lb/> <l>Ob ſie, als wie ein Schall,</l><lb/> <l>Der durch den Wiederhall</l><lb/> <l>Zuruͤcke kehrt, von uns vernommen,</l><lb/> <l>Und ſo gehoͤret wird, wie ihn der Mund gebohren,</l><lb/> <l>Ob er ſich gleich ſchon eine Zeit verlohren;</l><lb/> <l>Ob, ſag’ ich, etwan auch auf gleiche Weiſe,</l><lb/> <l>Die Bilder, die nicht mehr zu ſehen,</l><lb/> <l>An ſtatt vollkommen zu vergehen,</l><lb/> <l>Noch bleiben, und zuruͤcke kehren;</l><lb/> <l>Jſt nicht ſo leichte zu erklaͤren.</l><lb/> <l>Nicht minder, ob und wie ſo Seel und Geiſt,</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">U u 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">Bey</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [681/0711]
Und Bilder, die den Augenblick vergehn,
Da ſie ſich kaum zu bilden angefangen.
Man kann jedoch noch ziemlich deutlich machen,
Woher ſo wunderlich verworr’ne Sachen
Jm Traum uns vorgeſtellet ſeyn.
Verſtimmet einſt ein Jnſtrument,
Verſucht ſodenn, ob ihr die Toͤne,
Die ſonſt ſo lieblich, rein und ſchoͤne,
Aus ſelben zwingen koͤnnt?
Jhr werdet nichts aus ihm, als Diſſonantzen bringen,
Die wunderlich und elend klingen.
So, wenn der Leib verſtimmt, die Nerven nachgelaſſen,
Wie koͤnnen ſie ſodann den Ton behalten,
Wie kann denn das Gehirn was anders faſſen,
Als ungeformt’ und ſeltſame Geſtalten,
Die ſonder Harmonie, und nicht zuſammen hangen.
Wie aber, und warum wir eben die Jdeen
Und and’re nicht an deren Stelle ſehen;
Warum ſo leicht die, welche laͤngſt vergangen,
Als unlaͤngſt erſt geſehne Bilder kommen;
Ob ſie, als wie ein Schall,
Der durch den Wiederhall
Zuruͤcke kehrt, von uns vernommen,
Und ſo gehoͤret wird, wie ihn der Mund gebohren,
Ob er ſich gleich ſchon eine Zeit verlohren;
Ob, ſag’ ich, etwan auch auf gleiche Weiſe,
Die Bilder, die nicht mehr zu ſehen,
An ſtatt vollkommen zu vergehen,
Noch bleiben, und zuruͤcke kehren;
Jſt nicht ſo leichte zu erklaͤren.
Nicht minder, ob und wie ſo Seel und Geiſt,
Bey
U u 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |