Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Das Leben, sonder Schlaf, und Nacht, verdrüßlich werden. Wer diesen uns von GOTT geschenckten Schatz die Ruh, Nicht recht zu schätzen weiß; der hör' einst denen zu, Für die das sanffte Kind der stillen Schatten flieht, Und ihnen bloß dadurch Gesundheit, Muth, Vergnügen, Ja offt Verstand und Witz entzieht: Wie sie auf ihren Bett', als wie auf Dornen, liegen, Wie Unruh, Bitterkeit und Unzufriedenheit, Verwirrung, Grimm und Gram, Angst und Verdrüßlich- keit, Ohn Aufschub sie bestürmt, sie wechselsweise plaget, Jhr Eingeweide kneipt, als wie ein Wurm sie naget, Und als ein Feur sie brennt. Es würckt ihr siedend Blut, Da es beständig wallt, gedrengt wird und gepresst, Daß, selber im Gehirn, der Seelen reine Gluht Gedämpfft, verstreu't, sich kaum erkennen lässt, Und zu verleschen droht. Es ist fürwahr ein Jammer Der unbeschreiblich ist, es leidet Leib und Geist, Als die die Unruh beyd' aus ihren Schrancken reisst: Daher, wenn alle Welt der süssen Ruh sich freuet, Ein solcher jede Nacht, als seinen Hencker, scheuet. Es wird ihr mürber Geist geplagt, verwirrt, geschreckt, Wenn ihn voll Phantasey ein träger Schlummer weckt, Der leicht und schwer zugleich. Zur Folter wird das Bett, zum Kercker seine Kammer, Wodurch ihm dann die gantze Welt, Und alles, was darinn, biß auf den Tod mißfällt, Jst es nun nicht ein Glück, ein grosses Glück zu nennen, Ein solches Unglück nicht zu kennen? Ja gar, an dessen statt, durch ein geruhig Schlaffen, Dem Cörper und dem Geist aufs neue Krafft zu schaffen. Ach U u
Das Leben, ſonder Schlaf, und Nacht, verdruͤßlich werden. Wer dieſen uns von GOTT geſchenckten Schatz die Ruh, Nicht recht zu ſchaͤtzen weiß; der hoͤr’ einſt denen zu, Fuͤr die das ſanffte Kind der ſtillen Schatten flieht, Und ihnen bloß dadurch Geſundheit, Muth, Vergnuͤgen, Ja offt Verſtand und Witz entzieht: Wie ſie auf ihren Bett’, als wie auf Dornen, liegen, Wie Unruh, Bitterkeit und Unzufriedenheit, Verwirrung, Grimm und Gram, Angſt und Verdruͤßlich- keit, Ohn Aufſchub ſie beſtuͤrmt, ſie wechſelsweiſe plaget, Jhr Eingeweide kneipt, als wie ein Wurm ſie naget, Und als ein Feur ſie brennt. Es wuͤrckt ihr ſiedend Blut, Da es beſtaͤndig wallt, gedrengt wird und gepreſſt, Daß, ſelber im Gehirn, der Seelen reine Gluht Gedaͤmpfft, verſtreu’t, ſich kaum erkennen laͤſſt, Und zu verleſchen droht. Es iſt fuͤrwahr ein Jammer Der unbeſchreiblich iſt, es leidet Leib und Geiſt, Als die die Unruh beyd’ aus ihren Schrancken reiſſt: Daher, wenn alle Welt der ſuͤſſen Ruh ſich freuet, Ein ſolcher jede Nacht, als ſeinen Hencker, ſcheuet. Es wird ihr muͤrber Geiſt geplagt, verwirrt, geſchreckt, Wenn ihn voll Phantaſey ein traͤger Schlummer weckt, Der leicht und ſchwer zugleich. Zur Folter wird das Bett, zum Kercker ſeine Kammer, Wodurch ihm dann die gantze Welt, Und alles, was darinn, biß auf den Tod mißfaͤllt, Jſt es nun nicht ein Gluͤck, ein groſſes Gluͤck zu nennen, Ein ſolches Ungluͤck nicht zu kennen? Ja gar, an deſſen ſtatt, durch ein geruhig Schlaffen, Dem Coͤrper und dem Geiſt aufs neue Krafft zu ſchaffen. Ach U u
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Das Leben, ſonder Schlaf, und Nacht, verdruͤßlich werden.
Wer dieſen uns von GOTT geſchenckten Schatz die Ruh,
Nicht recht zu ſchaͤtzen weiß; der hoͤr’ einſt denen zu,
Fuͤr die das ſanffte Kind der ſtillen Schatten flieht,
Und ihnen bloß dadurch Geſundheit, Muth, Vergnuͤgen,
Ja offt Verſtand und Witz entzieht:
Wie ſie auf ihren Bett’, als wie auf Dornen, liegen,
Wie Unruh, Bitterkeit und Unzufriedenheit,
Verwirrung, Grimm und Gram, Angſt und Verdruͤßlich-
keit,
Ohn Aufſchub ſie beſtuͤrmt, ſie wechſelsweiſe plaget,
Jhr Eingeweide kneipt, als wie ein Wurm ſie naget,
Und als ein Feur ſie brennt. Es wuͤrckt ihr ſiedend Blut,
Da es beſtaͤndig wallt, gedrengt wird und gepreſſt,
Daß, ſelber im Gehirn, der Seelen reine Gluht
Gedaͤmpfft, verſtreu’t, ſich kaum erkennen laͤſſt,
Und zu verleſchen droht. Es iſt fuͤrwahr ein Jammer
Der unbeſchreiblich iſt, es leidet Leib und Geiſt,
Als die die Unruh beyd’ aus ihren Schrancken reiſſt:
Daher, wenn alle Welt der ſuͤſſen Ruh ſich freuet,
Ein ſolcher jede Nacht, als ſeinen Hencker, ſcheuet.
Es wird ihr muͤrber Geiſt geplagt, verwirrt, geſchreckt,
Wenn ihn voll Phantaſey ein traͤger Schlummer weckt,
Der leicht und ſchwer zugleich.
Zur Folter wird das Bett, zum Kercker ſeine Kammer,
Wodurch ihm dann die gantze Welt,
Und alles, was darinn, biß auf den Tod mißfaͤllt,
Jſt es nun nicht ein Gluͤck, ein groſſes Gluͤck zu nennen,
Ein ſolches Ungluͤck nicht zu kennen?
Ja gar, an deſſen ſtatt, durch ein geruhig Schlaffen,
Dem Coͤrper und dem Geiſt aufs neue Krafft zu ſchaffen.
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