Das weisse Tisch-Tuch zeigt uns einen rothen Schein, Sieht man beym Licht darauf ein Glaß mit rothem Wein; Jn Farben kehren sich die Theilchen von dem Licht, Und durch den Wider-Schein erregt er das Gesicht. Wir fühlen ihren Druck sich so ins Auge dringen, Wie sie die Ordnungen erst durch das Glas empfingen.
Ein Mensch kan öffters selbst mit sich nicht einig seyn Bey Farben, die er sieht. Ein Krancker, der allein, Entfernt von Lerm und Licht, in grosser Mattigkeit Auf seinem Bette liegt, (hebt er einmal Die Augen-Lieder auf) ist durch den kleinsten Strahl Geblendet und verletzet Durch Farben, die ihn sonst, benebst dem Licht, ergötzet.
Doch würcken Vorwürff' offt von einer Art Auf unterschiedne Weis' in unterschiednen Augen. Es düncken Farben dem unangenehm und hart, Die jenen zu vergnügen taugen. Der Farben Gegenwart würckt stets mit Unterscheid Auf einen jeglichen insonderheit, Und man betrüget sich zu aller Zeit, Wenn man die Farben stets nach seiner Meinung richt. Man spüret beym gelb-süchtigen Gesicht, Das überall sein Elend mit sich träget, Wie er das gelb', so er im Augen heget, Auf äusserliche Ding' unbillig leget. Er theilet andern mit die Gall' in seinen Blicken, Und sein beklebend Gifft Macht gelb, das Blau und Grün, so Lufft und Wiesen schmücken.
Hätt'
B b 3
Von den Farben.
Das weiſſe Tiſch-Tuch zeigt uns einen rothen Schein, Sieht man beym Licht darauf ein Glaß mit rothem Wein; Jn Farben kehren ſich die Theilchen von dem Licht, Und durch den Wider-Schein erregt er das Geſicht. Wir fuͤhlen ihren Druck ſich ſo ins Auge dringen, Wie ſie die Ordnungen erſt durch das Glas empfingen.
Ein Menſch kan oͤffters ſelbſt mit ſich nicht einig ſeyn Bey Farben, die er ſieht. Ein Krancker, der allein, Entfernt von Lerm und Licht, in groſſer Mattigkeit Auf ſeinem Bette liegt, (hebt er einmal Die Augen-Lieder auf) iſt durch den kleinſten Strahl Geblendet und verletzet Durch Farben, die ihn ſonſt, benebſt dem Licht, ergoͤtzet.
Doch wuͤrcken Vorwuͤrff’ offt von einer Art Auf unterſchiedne Weiſ’ in unterſchiednen Augen. Es duͤncken Farben dem unangenehm und hart, Die jenen zu vergnuͤgen taugen. Der Farben Gegenwart wuͤrckt ſtets mit Unterſcheid Auf einen jeglichen inſonderheit, Und man betruͤget ſich zu aller Zeit, Wenn man die Farben ſtets nach ſeiner Meinung richt. Man ſpuͤret beym gelb-ſuͤchtigen Geſicht, Das uͤberall ſein Elend mit ſich traͤget, Wie er das gelb’, ſo er im Augen heget, Auf aͤuſſerliche Ding’ unbillig leget. Er theilet andern mit die Gall’ in ſeinen Blicken, Und ſein beklebend Gifft Macht gelb, das Blau und Gruͤn, ſo Lufft und Wieſen ſchmuͤcken.
Haͤtt’
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Von den Farben.
Das weiſſe Tiſch-Tuch zeigt uns einen rothen Schein,
Sieht man beym Licht darauf ein Glaß mit rothem Wein;
Jn Farben kehren ſich die Theilchen von dem Licht,
Und durch den Wider-Schein erregt er das Geſicht.
Wir fuͤhlen ihren Druck ſich ſo ins Auge dringen,
Wie ſie die Ordnungen erſt durch das Glas empfingen.
Ein Menſch kan oͤffters ſelbſt mit ſich nicht einig ſeyn
Bey Farben, die er ſieht. Ein Krancker, der allein,
Entfernt von Lerm und Licht, in groſſer Mattigkeit
Auf ſeinem Bette liegt, (hebt er einmal
Die Augen-Lieder auf) iſt durch den kleinſten Strahl
Geblendet und verletzet
Durch Farben, die ihn ſonſt, benebſt dem Licht, ergoͤtzet.
Doch wuͤrcken Vorwuͤrff’ offt von einer Art
Auf unterſchiedne Weiſ’ in unterſchiednen Augen.
Es duͤncken Farben dem unangenehm und hart,
Die jenen zu vergnuͤgen taugen.
Der Farben Gegenwart wuͤrckt ſtets mit Unterſcheid
Auf einen jeglichen inſonderheit,
Und man betruͤget ſich zu aller Zeit,
Wenn man die Farben ſtets nach ſeiner Meinung richt.
Man ſpuͤret beym gelb-ſuͤchtigen Geſicht,
Das uͤberall ſein Elend mit ſich traͤget,
Wie er das gelb’, ſo er im Augen heget,
Auf aͤuſſerliche Ding’ unbillig leget.
Er theilet andern mit die Gall’ in ſeinen Blicken,
Und ſein beklebend Gifft
Macht gelb, das Blau und Gruͤn, ſo Lufft und Wieſen ſchmuͤcken.
Haͤtt’
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/419>, abgerufen am 16.07.2024.
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