Sie konnten von der Welt-Weisheit Als Ober-Richter Urtheil fällen. Sie unterrichteten die Menschen; sie entdeckten, Wie weit die Kräffte sich von der Vernunfft erstreckten. Die seltensten Gemühtes-Gaben, Die sie, durch feur'gen Trieb entglommen, Aufs fleissigste gepfleget haben, Die sind in ihrer Zunfft zum höchsten Gipffel kommen. Nichts gutes findet man als da, wo sie gewandelt. Zum Muster dient ein Ding, wenn sie es abgehandelt. Sie haben es dahin gebracht, Daß wir selbst ihre Fehler ehren. Doch worauf soll man sich verlassen? da die Lehren, Die einen sichern Weg zur Wahrheit sollten zeigen, Die einzig ist, wozu wir alles Sinnen neigen, Jn Secten sich zertheilen, sich zertrennen? Und was wird man mit Recht erwehlen können Aus den unzähligen Gedancken, Die nichts sind, als nur Streit und Zancken?
Erwähl' ich denen beyzupflichten, Die ihren weisen Mann mit GOTT vergleichen wollen; Die alles blos nach blinder Ordnung richten, Auch daß die Dinge, welche seyn, Nur blos allein Dem unvermeidlichen Berhängniß folgen sollen?
Soll
A 5
Von den Weltweiſen.
Sie konnten von der Welt-Weisheit Als Ober-Richter Urtheil faͤllen. Sie unterrichteten die Menſchen; ſie entdeckten, Wie weit die Kraͤffte ſich von der Vernunfft erſtreckten. Die ſeltenſten Gemuͤhtes-Gaben, Die ſie, durch feur’gen Trieb entglommen, Aufs fleiſſigſte gepfleget haben, Die ſind in ihrer Zunfft zum hoͤchſten Gipffel kommen. Nichts gutes findet man als da, wo ſie gewandelt. Zum Muſter dient ein Ding, wenn ſie es abgehandelt. Sie haben es dahin gebracht, Daß wir ſelbſt ihre Fehler ehren. Doch worauf ſoll man ſich verlaſſen? da die Lehren, Die einen ſichern Weg zur Wahrheit ſollten zeigen, Die einzig iſt, wozu wir alles Sinnen neigen, Jn Secten ſich zertheilen, ſich zertrennen? Und was wird man mit Recht erwehlen koͤnnen Aus den unzaͤhligen Gedancken, Die nichts ſind, als nur Streit und Zancken?
Erwaͤhl’ ich denen beyzupflichten, Die ihren weiſen Mann mit GOTT vergleichen wollen; Die alles blos nach blinder Ordnung richten, Auch daß die Dinge, welche ſeyn, Nur blos allein Dem unvermeidlichen Berhaͤngniß folgen ſollen?
Soll
A 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0039"n="9"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von den Weltweiſen.</hi></fw><lb/><lgtype="poem"><l>Sie konnten von der Welt-Weisheit</l><lb/><l>Als Ober-Richter Urtheil faͤllen.</l><lb/><l>Sie unterrichteten die Menſchen; ſie entdeckten,</l><lb/><l>Wie weit die Kraͤffte ſich von der Vernunfft erſtreckten.</l><lb/><l>Die ſeltenſten Gemuͤhtes-Gaben,</l><lb/><l>Die ſie, durch feur’gen Trieb entglommen,</l><lb/><l>Aufs fleiſſigſte gepfleget haben,</l><lb/><l>Die ſind in ihrer Zunfft zum hoͤchſten Gipffel kommen.</l><lb/><l>Nichts gutes findet man als da, wo ſie gewandelt.</l><lb/><l>Zum Muſter dient ein Ding, wenn ſie es abgehandelt.</l><lb/><l>Sie haben es dahin gebracht,</l><lb/><l>Daß wir ſelbſt ihre Fehler ehren.</l><lb/><l>Doch worauf ſoll man ſich verlaſſen? da die Lehren,</l><lb/><l>Die einen ſichern Weg zur Wahrheit ſollten zeigen,</l><lb/><l>Die einzig iſt, wozu wir alles Sinnen neigen,</l><lb/><l>Jn Secten ſich zertheilen, ſich zertrennen?</l><lb/><l>Und was wird man mit Recht erwehlen koͤnnen</l><lb/><l>Aus den unzaͤhligen Gedancken,</l><lb/><l>Die nichts ſind, als nur Streit und Zancken?</l></lg><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">E</hi>rwaͤhl’ ich denen beyzupflichten,</l><lb/><l>Die ihren weiſen Mann mit GOTT vergleichen wollen;</l><lb/><l>Die alles blos nach blinder Ordnung richten,</l><lb/><l>Auch daß die Dinge, welche ſeyn,</l><lb/><l>Nur blos allein</l><lb/><l>Dem unvermeidlichen Berhaͤngniß folgen ſollen?</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">A 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Soll</fw><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[9/0039]
Von den Weltweiſen.
Sie konnten von der Welt-Weisheit
Als Ober-Richter Urtheil faͤllen.
Sie unterrichteten die Menſchen; ſie entdeckten,
Wie weit die Kraͤffte ſich von der Vernunfft erſtreckten.
Die ſeltenſten Gemuͤhtes-Gaben,
Die ſie, durch feur’gen Trieb entglommen,
Aufs fleiſſigſte gepfleget haben,
Die ſind in ihrer Zunfft zum hoͤchſten Gipffel kommen.
Nichts gutes findet man als da, wo ſie gewandelt.
Zum Muſter dient ein Ding, wenn ſie es abgehandelt.
Sie haben es dahin gebracht,
Daß wir ſelbſt ihre Fehler ehren.
Doch worauf ſoll man ſich verlaſſen? da die Lehren,
Die einen ſichern Weg zur Wahrheit ſollten zeigen,
Die einzig iſt, wozu wir alles Sinnen neigen,
Jn Secten ſich zertheilen, ſich zertrennen?
Und was wird man mit Recht erwehlen koͤnnen
Aus den unzaͤhligen Gedancken,
Die nichts ſind, als nur Streit und Zancken?
Erwaͤhl’ ich denen beyzupflichten,
Die ihren weiſen Mann mit GOTT vergleichen wollen;
Die alles blos nach blinder Ordnung richten,
Auch daß die Dinge, welche ſeyn,
Nur blos allein
Dem unvermeidlichen Berhaͤngniß folgen ſollen?
Soll
A 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/39>, abgerufen am 06.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.