Daher kommt Eckel offt und Lust bey einer Speise, Die diesem widrig ist, und jenem herrlich schmeckt. Daher nun kan ein jeder wehlen, Nach eigner Lust, was ihm gefällt, So, daß man öffters isst, mit Lust der Seelen, Das, was ein andrer hier für bitter hält. Allein, wir sehen gar, Daß unser eigener Geschmack sich ändern kan. Denn man gewöhnet offt gewissen Schmack sich an, Und öffters wird uns süß, was erst verdrüßlich war.
Dasjenige, was uns in frischer Jugend schmecket, Das schmecket uns nicht mehr, so bald Man alt geworden ist und kalt. Allein, ohn daß zu weit das Alter sich erstrecket; So zeigt ja die Erfahrung an, Daß offtermals bey uns, und zwar in wenig Tagen, Solch eine Aenderung sich zugetragen; Wenn unser Cörper sich nicht wol befindet, Durch Galle aufgebracht, durchs Fiebers Hitz' entzündet, Und Dünste sich sodann Aus unserm krancken Magen heben, Die an der Zunge Zäsern kleben. Daher denn, was man isst, uns nichts als Eckel schafft, Jndem es bitter, saur, verdrüßlich, unschmackhafft. Und solche durch die Plag' erzeugte Widrigkeit Währt, wenn man gleich gesund, noch öffters lange Zeit.
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Von dem Geſchmack.
Daher kommt Eckel offt und Luſt bey einer Speiſe, Die dieſem widrig iſt, und jenem herrlich ſchmeckt. Daher nun kan ein jeder wehlen, Nach eigner Luſt, was ihm gefaͤllt, So, daß man oͤffters iſſt, mit Luſt der Seelen, Das, was ein andrer hier fuͤr bitter haͤlt. Allein, wir ſehen gar, Daß unſer eigener Geſchmack ſich aͤndern kan. Denn man gewoͤhnet offt gewiſſen Schmack ſich an, Und oͤffters wird uns ſuͤß, was erſt verdruͤßlich war.
Dasjenige, was uns in friſcher Jugend ſchmecket, Das ſchmecket uns nicht mehr, ſo bald Man alt geworden iſt und kalt. Allein, ohn daß zu weit das Alter ſich erſtrecket; So zeigt ja die Erfahrung an, Daß offtermals bey uns, und zwar in wenig Tagen, Solch eine Aenderung ſich zugetragen; Wenn unſer Coͤrper ſich nicht wol befindet, Durch Galle aufgebracht, durchs Fiebers Hitz’ entzuͤndet, Und Duͤnſte ſich ſodann Aus unſerm krancken Magen heben, Die an der Zunge Zaͤſern kleben. Daher denn, was man iſſt, uns nichts als Eckel ſchafft, Jndem es bitter, ſaur, verdruͤßlich, unſchmackhafft. Und ſolche durch die Plag’ erzeugte Widrigkeit Waͤhrt, wenn man gleich geſund, noch oͤffters lange Zeit.
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Von dem Geſchmack.
Daher kommt Eckel offt und Luſt bey einer Speiſe,
Die dieſem widrig iſt, und jenem herrlich ſchmeckt.
Daher nun kan ein jeder wehlen,
Nach eigner Luſt, was ihm gefaͤllt,
So, daß man oͤffters iſſt, mit Luſt der Seelen,
Das, was ein andrer hier fuͤr bitter haͤlt.
Allein, wir ſehen gar,
Daß unſer eigener Geſchmack ſich aͤndern kan.
Denn man gewoͤhnet offt gewiſſen Schmack ſich an,
Und oͤffters wird uns ſuͤß, was erſt verdruͤßlich war.
Dasjenige, was uns in friſcher Jugend ſchmecket,
Das ſchmecket uns nicht mehr, ſo bald
Man alt geworden iſt und kalt.
Allein, ohn daß zu weit das Alter ſich erſtrecket;
So zeigt ja die Erfahrung an,
Daß offtermals bey uns, und zwar in wenig Tagen,
Solch eine Aenderung ſich zugetragen;
Wenn unſer Coͤrper ſich nicht wol befindet,
Durch Galle aufgebracht, durchs Fiebers Hitz’ entzuͤndet,
Und Duͤnſte ſich ſodann
Aus unſerm krancken Magen heben,
Die an der Zunge Zaͤſern kleben.
Daher denn, was man iſſt, uns nichts als Eckel ſchafft,
Jndem es bitter, ſaur, verdruͤßlich, unſchmackhafft.
Und ſolche durch die Plag’ erzeugte Widrigkeit
Waͤhrt, wenn man gleich geſund, noch oͤffters lange Zeit.
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/371>, abgerufen am 17.02.2025.
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