Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Von der Härte und Flüßigkeit. Wofern ihr Trieb nun nicht gehemmt, Und wir sie nicht, durch Ufer eingedämmt, Jn ein Gefäße schlüßen, So ist die Feuchtigkeit stets fertig weg zu flüssen. Wenn zum Exempel, wir im Glase Wasser sehn Gantz still und ohn Bewegung stehn; Beliebe man nur frey viel tausend kleine Wellen, Wodurch sich seine Masse theilt, Jn selbigen sich vorzustellen, Die zugerichtet sind, daß jede weicht und eilt. Die kleinen glatten Cörper nun, Die nimmer ruhn, Die lauffen fertig auf und nieder, Durchdringen sich, und wallen hin und wieder Jn langen Vögen fort. Sie stossen an den Wänden Von ihrem Kercker stets, an allen Enden, Und werden, ob das Aug' es gleich nicht spührt, Doch immer als ein Meer gerührt. Die Theilung ist gar leicht zu fassen; Man darf in rohten Wein nur Wasser giessen lassen; So wird so gleich ein' andre Farb entstehn. Von Zweyen mischet sich die Blasse, wie wir sehn, Das Wasser mischt sich gantz mit Reben-Safft, Der Wein verliehrt die vor'ge Krafft, Das Gantze ist gemischt von unterschiednen Theilen. Begreifft man nun nicht sichtbarlich, Wie T 4
Von der Haͤrte und Fluͤßigkeit. Wofern ihr Trieb nun nicht gehemmt, Und wir ſie nicht, durch Ufer eingedaͤmmt, Jn ein Gefaͤße ſchluͤßen, So iſt die Feuchtigkeit ſtets fertig weg zu fluͤſſen. Wenn zum Exempel, wir im Glaſe Waſſer ſehn Gantz ſtill und ohn Bewegung ſtehn; Beliebe man nur frey viel tauſend kleine Wellen, Wodurch ſich ſeine Maſſe theilt, Jn ſelbigen ſich vorzuſtellen, Die zugerichtet ſind, daß jede weicht und eilt. Die kleinen glatten Coͤrper nun, Die nimmer ruhn, Die lauffen fertig auf und nieder, Durchdringen ſich, und wallen hin und wieder Jn langen Voͤgen fort. Sie ſtoſſen an den Waͤnden Von ihrem Kercker ſtets, an allen Enden, Und werden, ob das Aug’ es gleich nicht ſpuͤhrt, Doch immer als ein Meer geruͤhrt. Die Theilung iſt gar leicht zu faſſen; Man darf in rohten Wein nur Waſſer gieſſen laſſen; So wird ſo gleich ein’ andre Farb entſtehn. Von Zweyen miſchet ſich die Blaſſe, wie wir ſehn, Das Waſſer miſcht ſich gantz mit Reben-Safft, Der Wein verliehrt die vor’ge Krafft, Das Gantze iſt gemiſcht von unterſchiednen Theilen. Begreifft man nun nicht ſichtbarlich, Wie T 4
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Von der Haͤrte und Fluͤßigkeit.
Wofern ihr Trieb nun nicht gehemmt,
Und wir ſie nicht, durch Ufer eingedaͤmmt,
Jn ein Gefaͤße ſchluͤßen,
So iſt die Feuchtigkeit ſtets fertig weg zu fluͤſſen.
Wenn zum Exempel, wir im Glaſe Waſſer ſehn
Gantz ſtill und ohn Bewegung ſtehn;
Beliebe man nur frey viel tauſend kleine Wellen,
Wodurch ſich ſeine Maſſe theilt,
Jn ſelbigen ſich vorzuſtellen,
Die zugerichtet ſind, daß jede weicht und eilt.
Die kleinen glatten Coͤrper nun,
Die nimmer ruhn,
Die lauffen fertig auf und nieder,
Durchdringen ſich, und wallen hin und wieder
Jn langen Voͤgen fort. Sie ſtoſſen an den Waͤnden
Von ihrem Kercker ſtets, an allen Enden,
Und werden, ob das Aug’ es gleich nicht ſpuͤhrt,
Doch immer als ein Meer geruͤhrt.
Die Theilung iſt gar leicht zu faſſen;
Man darf in rohten Wein nur Waſſer gieſſen laſſen;
So wird ſo gleich ein’ andre Farb entſtehn.
Von Zweyen miſchet ſich die Blaſſe, wie wir ſehn,
Das Waſſer miſcht ſich gantz mit Reben-Safft,
Der Wein verliehrt die vor’ge Krafft,
Das Gantze iſt gemiſcht von unterſchiednen Theilen.
Begreifft man nun nicht ſichtbarlich,
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