Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite

Ob gleich die scharfe Luft die Lust ihm oft verleidet,
Wenn sie die spröde Haut fast wie ein Messer schneidet;
So ist jedennoch ihm im Ofen, auf dem Heerd,
Das Holz zur Lust und Linderung bescher't.

Der Gärtner fängt itzt an, die Weiden,
Auch and're Bäume, zu beschneiden,
Verstör't der Raupen Nest, so an den Zweigen klebet,
Er säubert, er versetzt, er düngt die Bäum', er gräbet
Verschied'ne Beeten um, wanns Wetter leidlich ist,
Besorgt das Saamen-Kraut, bereitet guten Mist,
Sä't Zwiebeln, Selleri, Salat und Petersilgen,
Und such't das alte Gras und Laub und Mooß zu tilgen.
Erwege denn, mein Herz, wie wunderbar
Der weise Schöpfer herrscht, indem der Frost so gar
Nicht nur das Aug' ergetzt, auch Nutz und Nahrung bringet!
Ach daß die Menschheit denn dem grossen Schöpfer nicht,
Von welchem ihr doch so viel Gut's geschicht,
Jn ihrer Lust manch Dank- und Lob-Lied singet!
Ach laß mich doch, mein Schöpfer, Deinen Segen
Jn diesem Monat' oft, vor Lust erstaunt, erwegen;
Absonderlich wenn ich durchs Feur im Frost nicht friere,
Und denken, wenn ich solche Wunder spüre,
Daß Dir, o HErr allein, Lob, Ehr' und Preis gebüre!


Mar-
G g 5

Ob gleich die ſcharfe Luft die Luſt ihm oft verleidet,
Wenn ſie die ſproͤde Haut faſt wie ein Meſſer ſchneidet;
So iſt jedennoch ihm im Ofen, auf dem Heerd,
Das Holz zur Luſt und Linderung beſcher’t.

Der Gaͤrtner faͤngt itzt an, die Weiden,
Auch and’re Baͤume, zu beſchneiden,
Verſtoͤr’t der Raupen Neſt, ſo an den Zweigen klebet,
Er ſaͤubert, er verſetzt, er duͤngt die Baͤum’, er graͤbet
Verſchied’ne Beeten um, wanns Wetter leidlich iſt,
Beſorgt das Saamen-Kraut, bereitet guten Miſt,
Saͤ’t Zwiebeln, Selleri, Salat und Peterſilgen,
Und ſuch’t das alte Gras und Laub und Mooß zu tilgen.
Erwege denn, mein Herz, wie wunderbar
Der weiſe Schoͤpfer herrſcht, indem der Froſt ſo gar
Nicht nur das Aug’ ergetzt, auch Nutz und Nahrung bringet!
Ach daß die Menſchheit denn dem groſſen Schoͤpfer nicht,
Von welchem ihr doch ſo viel Gut’s geſchicht,
Jn ihrer Luſt manch Dank- und Lob-Lied ſinget!
Ach laß mich doch, mein Schoͤpfer, Deinen Segen
Jn dieſem Monat’ oft, vor Luſt erſtaunt, erwegen;
Abſonderlich wenn ich durchs Feur im Froſt nicht friere,
Und denken, wenn ich ſolche Wunder ſpuͤre,
Daß Dir, o HErr allein, Lob, Ehr’ und Preis gebuͤre!


Mar-
G g 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="74">
            <l><pb facs="#f0509" n="473"/>
Ob gleich die &#x017F;charfe Luft die Lu&#x017F;t ihm oft verleidet,</l><lb/>
            <l>Wenn &#x017F;ie die &#x017F;pro&#x0364;de Haut fa&#x017F;t wie ein Me&#x017F;&#x017F;er &#x017F;chneidet;</l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t jedennoch ihm im Ofen, auf dem Heerd,</l><lb/>
            <l>Das Holz zur Lu&#x017F;t und Linderung be&#x017F;cher&#x2019;t.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="75">
            <l>Der Ga&#x0364;rtner fa&#x0364;ngt itzt an, die Weiden,</l><lb/>
            <l>Auch and&#x2019;re Ba&#x0364;ume, zu be&#x017F;chneiden,</l><lb/>
            <l>Ver&#x017F;to&#x0364;r&#x2019;t der Raupen Ne&#x017F;t, &#x017F;o an den Zweigen klebet,</l><lb/>
            <l>Er &#x017F;a&#x0364;ubert, er ver&#x017F;etzt, er du&#x0364;ngt die Ba&#x0364;um&#x2019;, er gra&#x0364;bet</l><lb/>
            <l>Ver&#x017F;chied&#x2019;ne Beeten um, wanns Wetter leidlich i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Be&#x017F;orgt das Saamen-Kraut, bereitet guten Mi&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Sa&#x0364;&#x2019;t Zwiebeln, Selleri, Salat und Peter&#x017F;ilgen,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;uch&#x2019;t das alte Gras und Laub und Mooß zu tilgen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="76">
            <l>Erwege denn, mein Herz, wie wunderbar</l><lb/>
            <l>Der wei&#x017F;e Scho&#x0364;pfer herr&#x017F;cht, indem der Fro&#x017F;t &#x017F;o gar</l><lb/>
            <l>Nicht nur das Aug&#x2019; ergetzt, auch Nutz und Nahrung bringet!</l><lb/>
            <l>Ach daß die Men&#x017F;chheit denn dem gro&#x017F;&#x017F;en Scho&#x0364;pfer nicht,</l><lb/>
            <l>Von welchem ihr doch &#x017F;o viel Gut&#x2019;s ge&#x017F;chicht,</l><lb/>
            <l>Jn ihrer Lu&#x017F;t manch Dank- und Lob-Lied &#x017F;inget!</l><lb/>
            <l>Ach laß mich doch, mein Scho&#x0364;pfer, Deinen Segen</l><lb/>
            <l>Jn die&#x017F;em Monat&#x2019; oft, vor Lu&#x017F;t er&#x017F;taunt, erwegen;</l><lb/>
            <l>Ab&#x017F;onderlich wenn ich durchs Feur im Fro&#x017F;t nicht friere,</l><lb/>
            <l>Und denken, wenn ich &#x017F;olche Wunder &#x017F;pu&#x0364;re,</l><lb/>
            <l>Daß Dir, o HErr allein, Lob, Ehr&#x2019; und Preis gebu&#x0364;re!</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">G g 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Mar-</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[473/0509] Ob gleich die ſcharfe Luft die Luſt ihm oft verleidet, Wenn ſie die ſproͤde Haut faſt wie ein Meſſer ſchneidet; So iſt jedennoch ihm im Ofen, auf dem Heerd, Das Holz zur Luſt und Linderung beſcher’t. Der Gaͤrtner faͤngt itzt an, die Weiden, Auch and’re Baͤume, zu beſchneiden, Verſtoͤr’t der Raupen Neſt, ſo an den Zweigen klebet, Er ſaͤubert, er verſetzt, er duͤngt die Baͤum’, er graͤbet Verſchied’ne Beeten um, wanns Wetter leidlich iſt, Beſorgt das Saamen-Kraut, bereitet guten Miſt, Saͤ’t Zwiebeln, Selleri, Salat und Peterſilgen, Und ſuch’t das alte Gras und Laub und Mooß zu tilgen. Erwege denn, mein Herz, wie wunderbar Der weiſe Schoͤpfer herrſcht, indem der Froſt ſo gar Nicht nur das Aug’ ergetzt, auch Nutz und Nahrung bringet! Ach daß die Menſchheit denn dem groſſen Schoͤpfer nicht, Von welchem ihr doch ſo viel Gut’s geſchicht, Jn ihrer Luſt manch Dank- und Lob-Lied ſinget! Ach laß mich doch, mein Schoͤpfer, Deinen Segen Jn dieſem Monat’ oft, vor Luſt erſtaunt, erwegen; Abſonderlich wenn ich durchs Feur im Froſt nicht friere, Und denken, wenn ich ſolche Wunder ſpuͤre, Daß Dir, o HErr allein, Lob, Ehr’ und Preis gebuͤre! Mar- G g 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/509
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 473. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/509>, abgerufen am 22.11.2024.