Jch brach verschiedene mit frohen Händen ab, Wovon mir jegliche, wie ich sie nahe Mit aufmerksamen Augen sahe, Ein ganz besonderes Vergnügen gab. Es scheint, daß die Natur, Damit man GOttes Allmacht fasse, Jn dieses Blühmchens Farb' und lieblicher Figur Sichs gleichsam sauer werden lasse. Denn sie vergnüg't sich nicht, daß eine weiß wie Schnee, Die and're rot wie Blut; sie such't, uns zu erfrischen, Jn einer dritten Ahrt, so weiß als rot zu mischen. Ja viele haben gar in süsser Zierlichkeit, An statt der Blätter, kleine Röhren, Wodurch sie denn den Unterscheid Der lieblichen Figuren mehren. Wann diese Röhren nun, wie oftermals geschicht, Vom Thau voll kleiner Tropfen sitzen, Und dann der Sonne güld'nes Licht Auf ihre Blätter fällt; entsteht ein buntes Blitzen, Das Aug' und Herz vergnüg't. Das Blühmchen scheint sodann in einem klaren Schein Recht candisirt zu seyn.
Ach mögte doch, wenn wir so süsse Schönheit sehen, Bey uns erst eine Lust, dann eine Sucht entstehen, Denjenigen, wodurch sich Feld und Wald beblühmen, Jn stiller Anmut stets zu rümen!
Die
Jch brach verſchiedene mit frohen Haͤnden ab, Wovon mir jegliche, wie ich ſie nahe Mit aufmerkſamen Augen ſahe, Ein ganz beſonderes Vergnuͤgen gab. Es ſcheint, daß die Natur, Damit man GOttes Allmacht faſſe, Jn dieſes Bluͤhmchens Farb’ und lieblicher Figur Sichs gleichſam ſauer werden laſſe. Denn ſie vergnuͤg’t ſich nicht, daß eine weiß wie Schnee, Die and’re rot wie Blut; ſie ſuch’t, uns zu erfriſchen, Jn einer dritten Ahrt, ſo weiß als rot zu miſchen. Ja viele haben gar in ſuͤſſer Zierlichkeit, An ſtatt der Blaͤtter, kleine Roͤhren, Wodurch ſie denn den Unterſcheid Der lieblichen Figuren mehren. Wann dieſe Roͤhren nun, wie oftermals geſchicht, Vom Thau voll kleiner Tropfen ſitzen, Und dann der Sonne guͤld’nes Licht Auf ihre Blaͤtter faͤllt; entſteht ein buntes Blitzen, Das Aug’ und Herz vergnuͤg’t. Das Bluͤhmchen ſcheint ſodann in einem klaren Schein Recht candiſirt zu ſeyn.
Ach moͤgte doch, wenn wir ſo ſuͤſſe Schoͤnheit ſehen, Bey uns erſt eine Luſt, dann eine Sucht entſtehen, Denjenigen, wodurch ſich Feld und Wald bebluͤhmen, Jn ſtiller Anmut ſtets zu ruͤmen!
Die
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Jch brach verſchiedene mit frohen Haͤnden ab,</l><lb/><l>Wovon mir jegliche, wie ich ſie nahe</l><lb/><l>Mit aufmerkſamen Augen ſahe,</l><lb/><l>Ein ganz beſonderes Vergnuͤgen gab.</l><lb/><l>Es ſcheint, daß die Natur,</l><lb/><l>Damit man GOttes Allmacht faſſe,</l><lb/><l>Jn dieſes Bluͤhmchens Farb’ und lieblicher Figur</l><lb/><l>Sichs gleichſam ſauer werden laſſe.</l><lb/><l>Denn ſie vergnuͤg’t ſich nicht, daß eine weiß wie Schnee,</l><lb/><l>Die and’re rot wie Blut; ſie ſuch’t, uns zu erfriſchen,</l><lb/><l>Jn einer dritten Ahrt, ſo weiß als rot zu miſchen.</l><lb/><l>Ja viele haben gar in ſuͤſſer Zierlichkeit,</l><lb/><l>An ſtatt der Blaͤtter, kleine Roͤhren,</l><lb/><l>Wodurch ſie denn den Unterſcheid</l><lb/><l>Der lieblichen Figuren mehren.</l><lb/><l>Wann dieſe Roͤhren nun, wie oftermals geſchicht,</l><lb/><l>Vom Thau voll kleiner Tropfen ſitzen,</l><lb/><l>Und dann der Sonne guͤld’nes Licht</l><lb/><l>Auf ihre Blaͤtter faͤllt; entſteht ein buntes Blitzen,</l><lb/><l>Das Aug’ und Herz vergnuͤg’t.</l><lb/><l>Das Bluͤhmchen ſcheint ſodann in einem klaren Schein</l><lb/><l>Recht candiſirt zu ſeyn.</l></lg><lb/><lgn="12"><l>Ach moͤgte doch, wenn wir ſo ſuͤſſe Schoͤnheit ſehen,</l><lb/><l>Bey uns erſt eine Luſt, dann eine Sucht entſtehen,</l><lb/><l>Denjenigen, wodurch ſich Feld und Wald bebluͤhmen,</l><lb/><l>Jn ſtiller Anmut ſtets zu ruͤmen!</l></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Die</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[14/0050]
Jch brach verſchiedene mit frohen Haͤnden ab,
Wovon mir jegliche, wie ich ſie nahe
Mit aufmerkſamen Augen ſahe,
Ein ganz beſonderes Vergnuͤgen gab.
Es ſcheint, daß die Natur,
Damit man GOttes Allmacht faſſe,
Jn dieſes Bluͤhmchens Farb’ und lieblicher Figur
Sichs gleichſam ſauer werden laſſe.
Denn ſie vergnuͤg’t ſich nicht, daß eine weiß wie Schnee,
Die and’re rot wie Blut; ſie ſuch’t, uns zu erfriſchen,
Jn einer dritten Ahrt, ſo weiß als rot zu miſchen.
Ja viele haben gar in ſuͤſſer Zierlichkeit,
An ſtatt der Blaͤtter, kleine Roͤhren,
Wodurch ſie denn den Unterſcheid
Der lieblichen Figuren mehren.
Wann dieſe Roͤhren nun, wie oftermals geſchicht,
Vom Thau voll kleiner Tropfen ſitzen,
Und dann der Sonne guͤld’nes Licht
Auf ihre Blaͤtter faͤllt; entſteht ein buntes Blitzen,
Das Aug’ und Herz vergnuͤg’t.
Das Bluͤhmchen ſcheint ſodann in einem klaren Schein
Recht candiſirt zu ſeyn.
Ach moͤgte doch, wenn wir ſo ſuͤſſe Schoͤnheit ſehen,
Bey uns erſt eine Luſt, dann eine Sucht entſtehen,
Denjenigen, wodurch ſich Feld und Wald bebluͤhmen,
Jn ſtiller Anmut ſtets zu ruͤmen!
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/50>, abgerufen am 21.11.2024.
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