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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

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Um meinen GOtt zu preisen,
Die Uebereilungen und Ungerechtigkeit
Von solchen Schlüssen klar zu weisen.

Um nun zu diesem Zweck am sichersten zu kommen,
Hab' ich für dieses mal mir vorgenommen,
Zuerst der Menschen Nichts in Demut einzusehn,
Weil aus dem eit'len Stolz und aufgeblas'nen Wesen
Die ungerechten Schlüss' und Folgen meist entstehn,
Ob wären viele Ding, die auf der Welt geschehn,
Hart, grausam, ungerecht. Ach mögten, die es lesen,
Von dieser Wahrheit doch recht überzeuget seyn!
So würden sie von mancher Selen-Pein,
Die sie mit Schwermut plag't, verhoffentlich genesen.
Das Laster, so vorhin den Engel Luciser
Besessen und gefällt; der Stolz, der Adam stürzte,
Da er sich würdig hielt, zu seyn, wie GOtt der HErr,
Wodurch er Eden misst', und sich das Leben kürzte,
Herrsch't noch in uns'rer Brust, steckt noch in unsern Lüsten.
Wir führen uns im ganzen Lebens-Lauf
Wahrhaftig fast nicht anders auf,
Als hätte GOtt, beym Regiment der Welt,
Uns Jhm zur Hülfe zugesellt;
Als wenn wir besser fast, wie GOtt, zu herrschen wüsten.
Aus welcher Qvell kann nun so grober Jrrthum kommen,
Als daher, weil von GOtt so elend und so klein
Die Menschlichen Jdeen insgemein,
Und weil wir von uns selbst so sträflich eingenommen.
So elend und so klein
Wir arme Menschen alle seyn;

Ver-

Um meinen GOtt zu preiſen,
Die Uebereilungen und Ungerechtigkeit
Von ſolchen Schluͤſſen klar zu weiſen.

Um nun zu dieſem Zweck am ſicherſten zu kommen,
Hab’ ich fuͤr dieſes mal mir vorgenommen,
Zuerſt der Menſchen Nichts in Demut einzuſehn,
Weil aus dem eit’len Stolz und aufgeblaſ’nen Weſen
Die ungerechten Schluͤſſ’ und Folgen meiſt entſtehn,
Ob waͤren viele Ding, die auf der Welt geſchehn,
Hart, grauſam, ungerecht. Ach moͤgten, die es leſen,
Von dieſer Wahrheit doch recht uͤberzeuget ſeyn!
So wuͤrden ſie von mancher Selen-Pein,
Die ſie mit Schwermut plag’t, verhoffentlich geneſen.
Das Laſter, ſo vorhin den Engel Luciſer
Beſeſſen und gefaͤllt; der Stolz, der Adam ſtuͤrzte,
Da er ſich wuͤrdig hielt, zu ſeyn, wie GOtt der HErr,
Wodurch er Eden miſſt’, und ſich das Leben kuͤrzte,
Herrſch’t noch in unſ’rer Bruſt, ſteckt noch in unſern Luͤſten.
Wir fuͤhren uns im ganzen Lebens-Lauf
Wahrhaftig faſt nicht anders auf,
Als haͤtte GOtt, beym Regiment der Welt,
Uns Jhm zur Huͤlfe zugeſellt;
Als wenn wir beſſer faſt, wie GOtt, zu herrſchen wuͤſten.
Aus welcher Qvell kann nun ſo grober Jrrthum kommen,
Als daher, weil von GOtt ſo elend und ſo klein
Die Menſchlichen Jdeen insgemein,
Und weil wir von uns ſelbſt ſo ſtraͤflich eingenommen.
So elend und ſo klein
Wir arme Menſchen alle ſeyn;

Ver-
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[443/0479] Um meinen GOtt zu preiſen, Die Uebereilungen und Ungerechtigkeit Von ſolchen Schluͤſſen klar zu weiſen. Um nun zu dieſem Zweck am ſicherſten zu kommen, Hab’ ich fuͤr dieſes mal mir vorgenommen, Zuerſt der Menſchen Nichts in Demut einzuſehn, Weil aus dem eit’len Stolz und aufgeblaſ’nen Weſen Die ungerechten Schluͤſſ’ und Folgen meiſt entſtehn, Ob waͤren viele Ding, die auf der Welt geſchehn, Hart, grauſam, ungerecht. Ach moͤgten, die es leſen, Von dieſer Wahrheit doch recht uͤberzeuget ſeyn! So wuͤrden ſie von mancher Selen-Pein, Die ſie mit Schwermut plag’t, verhoffentlich geneſen. Das Laſter, ſo vorhin den Engel Luciſer Beſeſſen und gefaͤllt; der Stolz, der Adam ſtuͤrzte, Da er ſich wuͤrdig hielt, zu ſeyn, wie GOtt der HErr, Wodurch er Eden miſſt’, und ſich das Leben kuͤrzte, Herrſch’t noch in unſ’rer Bruſt, ſteckt noch in unſern Luͤſten. Wir fuͤhren uns im ganzen Lebens-Lauf Wahrhaftig faſt nicht anders auf, Als haͤtte GOtt, beym Regiment der Welt, Uns Jhm zur Huͤlfe zugeſellt; Als wenn wir beſſer faſt, wie GOtt, zu herrſchen wuͤſten. Aus welcher Qvell kann nun ſo grober Jrrthum kommen, Als daher, weil von GOtt ſo elend und ſo klein Die Menſchlichen Jdeen insgemein, Und weil wir von uns ſelbſt ſo ſtraͤflich eingenommen. So elend und ſo klein Wir arme Menſchen alle ſeyn; Ver-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/479>, abgerufen am 22.11.2024.