Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

Bild:
<< vorherige Seite
Garten-Bluhmen aus blossem Was-
ser, sonder Erde, gewachsen.
Wie wunderbar, o GOtt, sind Deine Werke!
Wie unbegreiflich sind die Spuren Deiner Stärke!
Wie groß ist alles das, so die Natur uns weis't;
Wie klein hingegen unser Geist!
So rief ich, als mein Freund, den die gelehrte Welt
Fast für ein Wunder hält,
Mein Richey, der hieselbst mit solchem Ruhme lehret,
Mir etwas, so ich nie geseh'n,
Und welches doch so rar als schön,
Jüngst zugeschicket und verehret.
Ein angenemes Frühlings-Kind,
Das ohne Mutter war gebohren
Zu einer Zeit, da alles noch gefroren,
Ein' Ambra-volle Hyacinth,
Die unvergleichlich blüht', auch unvergleichlich roch,
Und die, o Wunder! jedennoch
Die Erde nie in ihrem Schoß geheget,
Noch sie mit ihrem Narungs-Saft
Und der in ihr verborg'nen Kraft
Gesäugt, ernährt, verpfleget,
Sah ich vor meinen Augen stehn.
Die Zwiebel war, so wie die Bluhme, bloß
Ohn' Erd' in freyer Luft zu sehn.
Ein Glas, so nicht besonders groß,
Erfüllt mit klarer Feuchtigkeit,

Ließ
Garten-Bluhmen aus bloſſem Waſ-
ſer, ſonder Erde, gewachſen.
Wie wunderbar, o GOtt, ſind Deine Werke!
Wie unbegreiflich ſind die Spuren Deiner Staͤrke!
Wie groß iſt alles das, ſo die Natur uns weiſ’t;
Wie klein hingegen unſer Geiſt!
So rief ich, als mein Freund, den die gelehrte Welt
Faſt fuͤr ein Wunder haͤlt,
Mein Richey, der hieſelbſt mit ſolchem Ruhme lehret,
Mir etwas, ſo ich nie geſeh’n,
Und welches doch ſo rar als ſchoͤn,
Juͤngſt zugeſchicket und verehret.
Ein angenemes Fruͤhlings-Kind,
Das ohne Mutter war gebohren
Zu einer Zeit, da alles noch gefroren,
Ein’ Ambra-volle Hyacinth,
Die unvergleichlich bluͤht’, auch unvergleichlich roch,
Und die, o Wunder! jedennoch
Die Erde nie in ihrem Schoß geheget,
Noch ſie mit ihrem Narungs-Saft
Und der in ihr verborg’nen Kraft
Geſaͤugt, ernaͤhrt, verpfleget,
Sah ich vor meinen Augen ſtehn.
Die Zwiebel war, ſo wie die Bluhme, bloß
Ohn’ Erd’ in freyer Luft zu ſehn.
Ein Glas, ſo nicht beſonders groß,
Erfuͤllt mit klarer Feuchtigkeit,

Ließ
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0456" n="420"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Garten-Bluhmen aus blo&#x017F;&#x017F;em Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er, &#x017F;onder Erde, gewach&#x017F;en.</hi> </head><lb/>
          <lg n="35">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>ie wunderbar, o GOtt, &#x017F;ind Deine Werke!</l><lb/>
            <l>Wie unbegreiflich &#x017F;ind die Spuren Deiner Sta&#x0364;rke!</l><lb/>
            <l>Wie groß i&#x017F;t alles das, &#x017F;o die Natur uns wei&#x017F;&#x2019;t;</l><lb/>
            <l>Wie klein hingegen un&#x017F;er Gei&#x017F;t!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="36">
            <l>So rief ich, als mein Freund, den die gelehrte Welt</l><lb/>
            <l>Fa&#x017F;t fu&#x0364;r ein Wunder ha&#x0364;lt,</l><lb/>
            <l>Mein <hi rendition="#fr">Richey,</hi> der hie&#x017F;elb&#x017F;t mit &#x017F;olchem Ruhme lehret,</l><lb/>
            <l>Mir etwas, &#x017F;o ich nie ge&#x017F;eh&#x2019;n,</l><lb/>
            <l>Und welches doch &#x017F;o rar als &#x017F;cho&#x0364;n,</l><lb/>
            <l>Ju&#x0364;ng&#x017F;t zuge&#x017F;chicket und verehret.</l><lb/>
            <l>Ein angenemes Fru&#x0364;hlings-Kind,</l><lb/>
            <l>Das ohne Mutter war gebohren</l><lb/>
            <l>Zu einer Zeit, da alles noch gefroren,</l><lb/>
            <l>Ein&#x2019; Ambra-volle Hyacinth,</l><lb/>
            <l>Die unvergleichlich blu&#x0364;ht&#x2019;, auch unvergleichlich roch,</l><lb/>
            <l>Und die, o Wunder! jedennoch</l><lb/>
            <l>Die Erde nie in ihrem Schoß geheget,</l><lb/>
            <l>Noch &#x017F;ie mit ihrem Narungs-Saft</l><lb/>
            <l>Und der in ihr verborg&#x2019;nen Kraft</l><lb/>
            <l>Ge&#x017F;a&#x0364;ugt, erna&#x0364;hrt, verpfleget,</l><lb/>
            <l>Sah ich vor meinen Augen &#x017F;tehn.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="37">
            <l>Die Zwiebel war, &#x017F;o wie die Bluhme, bloß</l><lb/>
            <l>Ohn&#x2019; Erd&#x2019; in freyer Luft zu &#x017F;ehn.</l><lb/>
            <l>Ein Glas, &#x017F;o nicht be&#x017F;onders groß,</l><lb/>
            <l>Erfu&#x0364;llt mit klarer Feuchtigkeit,</l><lb/>
            <l>
              <fw place="bottom" type="catch">Ließ</fw><lb/>
            </l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[420/0456] Garten-Bluhmen aus bloſſem Waſ- ſer, ſonder Erde, gewachſen. Wie wunderbar, o GOtt, ſind Deine Werke! Wie unbegreiflich ſind die Spuren Deiner Staͤrke! Wie groß iſt alles das, ſo die Natur uns weiſ’t; Wie klein hingegen unſer Geiſt! So rief ich, als mein Freund, den die gelehrte Welt Faſt fuͤr ein Wunder haͤlt, Mein Richey, der hieſelbſt mit ſolchem Ruhme lehret, Mir etwas, ſo ich nie geſeh’n, Und welches doch ſo rar als ſchoͤn, Juͤngſt zugeſchicket und verehret. Ein angenemes Fruͤhlings-Kind, Das ohne Mutter war gebohren Zu einer Zeit, da alles noch gefroren, Ein’ Ambra-volle Hyacinth, Die unvergleichlich bluͤht’, auch unvergleichlich roch, Und die, o Wunder! jedennoch Die Erde nie in ihrem Schoß geheget, Noch ſie mit ihrem Narungs-Saft Und der in ihr verborg’nen Kraft Geſaͤugt, ernaͤhrt, verpfleget, Sah ich vor meinen Augen ſtehn. Die Zwiebel war, ſo wie die Bluhme, bloß Ohn’ Erd’ in freyer Luft zu ſehn. Ein Glas, ſo nicht beſonders groß, Erfuͤllt mit klarer Feuchtigkeit, Ließ

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/456
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/456>, abgerufen am 23.11.2024.