Zeigt es vielmehr nicht an, Daß auch von ungefehr Was künstliches entspringen kann?
Ach nein, geliebter Mensch! besinne dich! Du sprichst zu wild und zu vermessentlich Von Deines Schöpfers Wunderwerken, Die du mit Ehrfurcht solltest sehn; Weil sie warhaftig nicht von ungefehr geschehn.
Zween Gründe kann ich nur in deinem Einwurf merken. Der erste geht dahin: weil Schnee so schnell vergeht, Der and're, weil kein Nutz aus seiner Zier entsteh't; So fliesse ganz gewiß daher, Es komm' im Schnee die Zier von ungefehr. Ja du entsieh'st dich nicht, hieraus auf and're Sachen Auch Folgen, die viel schlimmer noch, zu machen.
Allein, bedenke wol, wie elend, schwach und klein Die angeführten Gründe seyn!
Zeigt nicht der Unterscheid Der Dau'r, selbst in verschied'nen Dingen, Ein Merkmal grösserer Vollkommenheit, Als wenn sie alle gleich bestünden und vergingen? Kann man, mit Recht, es einen Fehler nennen, Daß Bluhmen nicht so lang', als Bäume, dauren können? Daß Bäume nicht so lang bestehen, als ein Stein? Stimmt nun der Cörper Dau'r nicht überein; So muß notwendig eins an Dau'r das klein'ste seyn. Zudem zeig't solch ein plötzliches Verschwinden Der Dinge, die wir doch so schön, so künstlich finden, Mehr einen Ueberfluß, als einen Mangel, an.
Es
Zeigt es vielmehr nicht an, Daß auch von ungefehr Was kuͤnſtliches entſpringen kann?
Ach nein, geliebter Menſch! beſinne dich! Du ſprichſt zu wild und zu vermeſſentlich Von Deines Schoͤpfers Wunderwerken, Die du mit Ehrfurcht ſollteſt ſehn; Weil ſie warhaftig nicht von ungefehr geſchehn.
Zween Gruͤnde kann ich nur in deinem Einwurf merken. Der erſte geht dahin: weil Schnee ſo ſchnell vergeht, Der and’re, weil kein Nutz aus ſeiner Zier entſteh’t; So flieſſe ganz gewiß daher, Es komm’ im Schnee die Zier von ungefehr. Ja du entſieh’ſt dich nicht, hieraus auf and’re Sachen Auch Folgen, die viel ſchlimmer noch, zu machen.
Allein, bedenke wol, wie elend, ſchwach und klein Die angefuͤhrten Gruͤnde ſeyn!
Zeigt nicht der Unterſcheid Der Dau’r, ſelbſt in verſchied’nen Dingen, Ein Merkmal groͤſſerer Vollkommenheit, Als wenn ſie alle gleich beſtuͤnden und vergingen? Kann man, mit Recht, es einen Fehler nennen, Daß Bluhmen nicht ſo lang’, als Baͤume, dauren koͤnnen? Daß Baͤume nicht ſo lang beſtehen, als ein Stein? Stimmt nun der Coͤrper Dau’r nicht uͤberein; So muß notwendig eins an Dau’r das klein’ſte ſeyn. Zudem zeig’t ſolch ein ploͤtzliches Verſchwinden Der Dinge, die wir doch ſo ſchoͤn, ſo kuͤnſtlich finden, Mehr einen Ueberfluß, als einen Mangel, an.
Es
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Zeigt es vielmehr nicht an,</l><lb/><l>Daß auch von ungefehr</l><lb/><l>Was kuͤnſtliches entſpringen kann?</l></lg><lb/><lgn="18"><l>Ach nein, geliebter Menſch! beſinne dich!</l><lb/><l>Du ſprichſt zu wild und zu vermeſſentlich</l><lb/><l>Von Deines Schoͤpfers Wunderwerken,</l><lb/><l>Die du mit Ehrfurcht ſollteſt ſehn;</l><lb/><l>Weil ſie warhaftig nicht von ungefehr geſchehn.</l></lg><lb/><lgn="19"><l>Zween Gruͤnde kann ich nur in deinem Einwurf merken.</l><lb/><l>Der erſte geht dahin: weil Schnee ſo ſchnell vergeht,</l><lb/><l>Der and’re, weil kein Nutz aus ſeiner Zier entſteh’t;</l><lb/><l>So flieſſe ganz gewiß daher,</l><lb/><l>Es komm’ im Schnee die Zier von ungefehr.</l><lb/><l>Ja du entſieh’ſt dich nicht, hieraus auf and’re Sachen</l><lb/><l>Auch Folgen, die viel ſchlimmer noch, zu machen.</l></lg><lb/><lgn="20"><l>Allein, bedenke wol, wie elend, ſchwach und klein</l><lb/><l>Die angefuͤhrten Gruͤnde ſeyn!</l></lg><lb/><lgn="21"><l>Zeigt nicht der Unterſcheid</l><lb/><l>Der Dau’r, ſelbſt in verſchied’nen Dingen,</l><lb/><l>Ein Merkmal groͤſſerer Vollkommenheit,</l><lb/><l>Als wenn ſie alle gleich beſtuͤnden und vergingen?</l><lb/><l>Kann man, mit Recht, es einen Fehler nennen,</l><lb/><l>Daß Bluhmen nicht ſo lang’, als Baͤume, dauren koͤnnen?</l><lb/><l>Daß Baͤume nicht ſo lang beſtehen, als ein Stein?</l><lb/><l>Stimmt nun der Coͤrper Dau’r nicht uͤberein;</l><lb/><l>So muß notwendig eins an Dau’r das klein’ſte ſeyn.</l><lb/><l>Zudem zeig’t ſolch ein ploͤtzliches Verſchwinden</l><lb/><l>Der Dinge, die wir doch ſo ſchoͤn, ſo kuͤnſtlich finden,</l><lb/><l>Mehr einen Ueberfluß, als einen Mangel, an.</l><lb/><l><fwplace="bottom"type="catch">Es</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
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Zeigt es vielmehr nicht an,
Daß auch von ungefehr
Was kuͤnſtliches entſpringen kann?
Ach nein, geliebter Menſch! beſinne dich!
Du ſprichſt zu wild und zu vermeſſentlich
Von Deines Schoͤpfers Wunderwerken,
Die du mit Ehrfurcht ſollteſt ſehn;
Weil ſie warhaftig nicht von ungefehr geſchehn.
Zween Gruͤnde kann ich nur in deinem Einwurf merken.
Der erſte geht dahin: weil Schnee ſo ſchnell vergeht,
Der and’re, weil kein Nutz aus ſeiner Zier entſteh’t;
So flieſſe ganz gewiß daher,
Es komm’ im Schnee die Zier von ungefehr.
Ja du entſieh’ſt dich nicht, hieraus auf and’re Sachen
Auch Folgen, die viel ſchlimmer noch, zu machen.
Allein, bedenke wol, wie elend, ſchwach und klein
Die angefuͤhrten Gruͤnde ſeyn!
Zeigt nicht der Unterſcheid
Der Dau’r, ſelbſt in verſchied’nen Dingen,
Ein Merkmal groͤſſerer Vollkommenheit,
Als wenn ſie alle gleich beſtuͤnden und vergingen?
Kann man, mit Recht, es einen Fehler nennen,
Daß Bluhmen nicht ſo lang’, als Baͤume, dauren koͤnnen?
Daß Baͤume nicht ſo lang beſtehen, als ein Stein?
Stimmt nun der Coͤrper Dau’r nicht uͤberein;
So muß notwendig eins an Dau’r das klein’ſte ſeyn.
Zudem zeig’t ſolch ein ploͤtzliches Verſchwinden
Der Dinge, die wir doch ſo ſchoͤn, ſo kuͤnſtlich finden,
Mehr einen Ueberfluß, als einen Mangel, an.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/449>, abgerufen am 28.07.2024.
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