Es war bereits im Herbst, als mich ein heit'rer Morgen, Nachdem der Schatten Heer sich Westen-wärts ge- borgen, An meines Zimmers Fenster trieb; Jch öffnet' es mit meiner rechten Hand, Und meine linke rieb Mein noch halb-schläfrig Aug'; allein Wie bald vertrieb der helle Schein, Der Wasser, Luft und Erde füllte, Des Schlummers Rest, der meinen Blick verhüllte! Es hatte, nebst dem Thau, ein starker Nebel-Duft Aus der dadurch verklär'ten Luft Sich auf die Erd' herab gesenket, Und nicht nur Kräuter, Stauden, Gras, Nein auch der Bäume Haupt, getränket. Fast alle Blätter waren naß, Und glänzten durch den Sonnen-Schein, Jn solcher Wunder-schönen Pracht, Daß alles, was man sah, in heit'rer Wonne lacht'. Jhr Schimmer war fast allgemein. Nie hab' ich auf der Welt solch einen Glanz verspüret, Und niemals ist mein Geist empfindlicher gerüret.
Es schien itzt die Natur der Bäume grünen Kränzen, Damit sie noch viel schöner glänzen, Und unser Aug' ergetzen mögten,
Viel
Die ſchnelle Veraͤnderung.
Es war bereits im Herbſt, als mich ein heit’rer Morgen, Nachdem der Schatten Heer ſich Weſten-waͤrts ge- borgen, An meines Zimmers Fenſter trieb; Jch oͤffnet’ es mit meiner rechten Hand, Und meine linke rieb Mein noch halb-ſchlaͤfrig Aug’; allein Wie bald vertrieb der helle Schein, Der Waſſer, Luft und Erde fuͤllte, Des Schlummers Reſt, der meinen Blick verhuͤllte! Es hatte, nebſt dem Thau, ein ſtarker Nebel-Duft Aus der dadurch verklaͤr’ten Luft Sich auf die Erd’ herab geſenket, Und nicht nur Kraͤuter, Stauden, Gras, Nein auch der Baͤume Haupt, getraͤnket. Faſt alle Blaͤtter waren naß, Und glaͤnzten durch den Sonnen-Schein, Jn ſolcher Wunder-ſchoͤnen Pracht, Daß alles, was man ſah, in heit’rer Wonne lacht’. Jhr Schimmer war faſt allgemein. Nie hab’ ich auf der Welt ſolch einen Glanz verſpuͤret, Und niemals iſt mein Geiſt empfindlicher geruͤret.
Es ſchien itzt die Natur der Baͤume gruͤnen Kraͤnzen, Damit ſie noch viel ſchoͤner glaͤnzen, Und unſer Aug’ ergetzen moͤgten,
Viel
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Die ſchnelle Veraͤnderung.
Es war bereits im Herbſt, als mich ein heit’rer Morgen,
Nachdem der Schatten Heer ſich Weſten-waͤrts ge-
borgen,
An meines Zimmers Fenſter trieb;
Jch oͤffnet’ es mit meiner rechten Hand,
Und meine linke rieb
Mein noch halb-ſchlaͤfrig Aug’; allein
Wie bald vertrieb der helle Schein,
Der Waſſer, Luft und Erde fuͤllte,
Des Schlummers Reſt, der meinen Blick verhuͤllte!
Es hatte, nebſt dem Thau, ein ſtarker Nebel-Duft
Aus der dadurch verklaͤr’ten Luft
Sich auf die Erd’ herab geſenket,
Und nicht nur Kraͤuter, Stauden, Gras,
Nein auch der Baͤume Haupt, getraͤnket.
Faſt alle Blaͤtter waren naß,
Und glaͤnzten durch den Sonnen-Schein,
Jn ſolcher Wunder-ſchoͤnen Pracht,
Daß alles, was man ſah, in heit’rer Wonne lacht’.
Jhr Schimmer war faſt allgemein.
Nie hab’ ich auf der Welt ſolch einen Glanz verſpuͤret,
Und niemals iſt mein Geiſt empfindlicher geruͤret.
Es ſchien itzt die Natur der Baͤume gruͤnen Kraͤnzen,
Damit ſie noch viel ſchoͤner glaͤnzen,
Und unſer Aug’ ergetzen moͤgten,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/428>, abgerufen am 28.07.2024.
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