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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

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Man macht uns auf dem Har und in der Hand zu Leichen,
Und giebt uns ohne Schuld noch vor der Zeit den Rest;
Ja dieses heisst ein Glück, dem keines zu vergleichen,
Wenn eine Doris uns im Busen sterben lässt.

Hierauf sprach die Natur: stellt eure Klagen ein,
Jhr liebsten Kinderchen! die ihr an mir gesogen,
Die ich mit solcher Müh' und Sorgfalt auferzogen.
Weil Menschen, wie ihr sag't, so gar entmenschet seyn,
Daß sie aus Aberwitz und Blindheit euch verschmähen,
Da eure Trefflichkeit doch höchsten Ruhmes wehrt;
So hab' ich einen Mann zu eurem Schutz ersehen,
Der eure Schönheit ehrt, und euren Ruhm verklär't.
Dort, wo HAMMONJA, Europens Tyrus, lieg't,
Leb't Er, mit Namen BROCKS, Der mich genau beschauet.
Weil Er Sich nun daselbst ein Lust-Revier erbauet;
So rat' ich, daß ihr euch alsbald dahin verfüg't,
Jn die Rabatten stell't, und euren Schimmer zeiget.
Jch weiß, wenn Jhn die Lust in diesen Garten treib't,
Daß Er Sein himmlisch Herz zu eurer Anmut neiget,
Und Sein erleuchtet Aug' auf euch geheftet bleib't.
Die Bluhmen eil'ten fort, und folgten diesem Rat.
Die eine drängte sich, der andern vorzukommen:
Als sie nun kaum das Beet zusammen eingenommen;
Geschah es gleich, daß BROCKS in diesen Garten trat,
Und weil ein' jede sich aufs herrlichste geschmücket,
Blieb Er Verwund'rungs-voll bey einer jeden stehn,
Und rief, nachdem Er sie mit Andacht angeblicket:
Nichts, was sonst schöne heisst, ist gegen diese schön!
Jhr Töchter der Natur! die sie so schön gezier't,
Jhr seyd durch euren Schmuck nicht nur der Augen Freude,
Jhr macht, daß ich zugleich an euch die Sele weide,
Als die ihr ausser sich zum höchsten Schöpfer führ't.

Auf-

Man macht uns auf dem Har und in der Hand zu Leichen,
Und giebt uns ohne Schuld noch vor der Zeit den Reſt;
Ja dieſes heiſſt ein Gluͤck, dem keines zu vergleichen,
Wenn eine Doris uns im Buſen ſterben laͤſſt.

Hierauf ſprach die Natur: ſtellt eure Klagen ein,
Jhr liebſten Kinderchen! die ihr an mir geſogen,
Die ich mit ſolcher Muͤh’ und Sorgfalt auferzogen.
Weil Menſchen, wie ihr ſag’t, ſo gar entmenſchet ſeyn,
Daß ſie aus Aberwitz und Blindheit euch verſchmaͤhen,
Da eure Trefflichkeit doch hoͤchſten Ruhmes wehrt;
So hab’ ich einen Mann zu eurem Schutz erſehen,
Der eure Schoͤnheit ehrt, und euren Ruhm verklaͤr’t.
Dort, wo HAMMONJA, Europens Tyrus, lieg’t,
Leb’t Er, mit Namen BROCKS, Der mich genau beſchauet.
Weil Er Sich nun daſelbſt ein Luſt-Revier erbauet;
So rat’ ich, daß ihr euch alsbald dahin verfuͤg’t,
Jn die Rabatten ſtell’t, und euren Schimmer zeiget.
Jch weiß, wenn Jhn die Luſt in dieſen Garten treib’t,
Daß Er Sein himmliſch Herz zu eurer Anmut neiget,
Und Sein erleuchtet Aug’ auf euch geheftet bleib’t.
Die Bluhmen eil’ten fort, und folgten dieſem Rat.
Die eine draͤngte ſich, der andern vorzukommen:
Als ſie nun kaum das Beet zuſammen eingenommen;
Geſchah es gleich, daß BROCKS in dieſen Garten trat,
Und weil ein’ jede ſich aufs herrlichſte geſchmuͤcket,
Blieb Er Verwund’rungs-voll bey einer jeden ſtehn,
Und rief, nachdem Er ſie mit Andacht angeblicket:
Nichts, was ſonſt ſchoͤne heiſſt, iſt gegen dieſe ſchoͤn!
Jhr Toͤchter der Natur! die ſie ſo ſchoͤn gezier’t,
Jhr ſeyd durch euren Schmuck nicht nur der Augen Freude,
Jhr macht, daß ich zugleich an euch die Sele weide,
Als die ihr auſſer ſich zum hoͤchſten Schoͤpfer fuͤhr’t.

Auf-
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[0034] Man macht uns auf dem Har und in der Hand zu Leichen, Und giebt uns ohne Schuld noch vor der Zeit den Reſt; Ja dieſes heiſſt ein Gluͤck, dem keines zu vergleichen, Wenn eine Doris uns im Buſen ſterben laͤſſt. Hierauf ſprach die Natur: ſtellt eure Klagen ein, Jhr liebſten Kinderchen! die ihr an mir geſogen, Die ich mit ſolcher Muͤh’ und Sorgfalt auferzogen. Weil Menſchen, wie ihr ſag’t, ſo gar entmenſchet ſeyn, Daß ſie aus Aberwitz und Blindheit euch verſchmaͤhen, Da eure Trefflichkeit doch hoͤchſten Ruhmes wehrt; So hab’ ich einen Mann zu eurem Schutz erſehen, Der eure Schoͤnheit ehrt, und euren Ruhm verklaͤr’t. Dort, wo HAMMONJA, Europens Tyrus, lieg’t, Leb’t Er, mit Namen BROCKS, Der mich genau beſchauet. Weil Er Sich nun daſelbſt ein Luſt-Revier erbauet; So rat’ ich, daß ihr euch alsbald dahin verfuͤg’t, Jn die Rabatten ſtell’t, und euren Schimmer zeiget. Jch weiß, wenn Jhn die Luſt in dieſen Garten treib’t, Daß Er Sein himmliſch Herz zu eurer Anmut neiget, Und Sein erleuchtet Aug’ auf euch geheftet bleib’t. Die Bluhmen eil’ten fort, und folgten dieſem Rat. Die eine draͤngte ſich, der andern vorzukommen: Als ſie nun kaum das Beet zuſammen eingenommen; Geſchah es gleich, daß BROCKS in dieſen Garten trat, Und weil ein’ jede ſich aufs herrlichſte geſchmuͤcket, Blieb Er Verwund’rungs-voll bey einer jeden ſtehn, Und rief, nachdem Er ſie mit Andacht angeblicket: Nichts, was ſonſt ſchoͤne heiſſt, iſt gegen dieſe ſchoͤn! Jhr Toͤchter der Natur! die ſie ſo ſchoͤn gezier’t, Jhr ſeyd durch euren Schmuck nicht nur der Augen Freude, Jhr macht, daß ich zugleich an euch die Sele weide, Als die ihr auſſer ſich zum hoͤchſten Schoͤpfer fuͤhr’t. Auf-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/34>, abgerufen am 28.03.2024.