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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

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6.
Jm Gehirn, der Nerven-Qvelle,
Wird der Mittel-Punct gezeugt,
Der sich von der Ursprungs-Stelle
Jn zween zarte Gänge beugt,
Draus die aufmerksamen Augen
Die Bewegungs-Kräfte saugen,
Daß daher, wenn eins sich reg't,
Auch das and're sich beweg't.
7.
Uns'rer Augen wässricht Wesen
Samt der Haut ist ungefärbt,
Damit, was wir sehn und lesen,
Nicht verändert, nicht verderbt
Uns'rer Sele scheinen mögte;
Sie also nur fälschlich dächte,
Wie, wenn wir durch Gläser sehn,
Die gefärb't, pfleg't zu geschehn.
8.
Hinter einem jeden Kreise
Find't sich eine schwarze Wand,
An der, auf besond're Weise,
Da sie gleichsam ausgespann't,
Durch die wäss'richten Krystallen
Mancherley Gestalten fallen,
Wann das Licht, so sie bestral't,
Tausend Bilder daran mal't.
9. Lin-
6.
Jm Gehirn, der Nerven-Qvelle,
Wird der Mittel-Punct gezeugt,
Der ſich von der Urſprungs-Stelle
Jn zween zarte Gaͤnge beugt,
Draus die aufmerkſamen Augen
Die Bewegungs-Kraͤfte ſaugen,
Daß daher, wenn eins ſich reg’t,
Auch das and’re ſich beweg’t.
7.
Unſ’rer Augen waͤſſricht Weſen
Samt der Haut iſt ungefaͤrbt,
Damit, was wir ſehn und leſen,
Nicht veraͤndert, nicht verderbt
Unſ’rer Sele ſcheinen moͤgte;
Sie alſo nur faͤlſchlich daͤchte,
Wie, wenn wir durch Glaͤſer ſehn,
Die gefaͤrb’t, pfleg’t zu geſchehn.
8.
Hinter einem jeden Kreiſe
Find’t ſich eine ſchwarze Wand,
An der, auf beſond’re Weiſe,
Da ſie gleichſam ausgeſpann’t,
Durch die waͤſſ’richten Kryſtallen
Mancherley Geſtalten fallen,
Wann das Licht, ſo ſie beſtral’t,
Tauſend Bilder daran mal’t.
9. Lin-
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[288/0324] 6. Jm Gehirn, der Nerven-Qvelle, Wird der Mittel-Punct gezeugt, Der ſich von der Urſprungs-Stelle Jn zween zarte Gaͤnge beugt, Draus die aufmerkſamen Augen Die Bewegungs-Kraͤfte ſaugen, Daß daher, wenn eins ſich reg’t, Auch das and’re ſich beweg’t. 7. Unſ’rer Augen waͤſſricht Weſen Samt der Haut iſt ungefaͤrbt, Damit, was wir ſehn und leſen, Nicht veraͤndert, nicht verderbt Unſ’rer Sele ſcheinen moͤgte; Sie alſo nur faͤlſchlich daͤchte, Wie, wenn wir durch Glaͤſer ſehn, Die gefaͤrb’t, pfleg’t zu geſchehn. 8. Hinter einem jeden Kreiſe Find’t ſich eine ſchwarze Wand, An der, auf beſond’re Weiſe, Da ſie gleichſam ausgeſpann’t, Durch die waͤſſ’richten Kryſtallen Mancherley Geſtalten fallen, Wann das Licht, ſo ſie beſtral’t, Tauſend Bilder daran mal’t. 9. Lin-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/324>, abgerufen am 22.11.2024.