Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.Die Sinne. Wie künstlich unser Leib von innen zugericht't, Wie unbeschreiblich wunderbar; Zeigt die Zerglied'rungs-Kunst uns klar. Dieß aber zeigt sie jedem nicht, Daß auch die allerklein'sten Gänge, Daß aller Darm- und Adern Länge, Daß aller Drüs- und Sehnen Menge, Daß auch die allerdünn'sten Säfte, Daß unsers Herz- und Magens Kräfte, Daß alle Muskeln, Fleisch und Bein Nur das allein Zu ihrem Endzweck haben, Daß uns're Cörper sinnlich seyn. Es läuft das Blut in uns'rer Adern Rören; Man fül't den geist'gen Saft in unsern Sehnen rennen, Nur bloß damit wir hören, Sehn, riechen, fülen, schmecken können. Ja wenn wir es wol überlegen, So finden wir, daß auf der Welt Fast alles uns'rer Sinne wegen Gemacht sey und uns vorgestell't: Daß selbst die Luft, das Licht, die Erde, Ein Werkzeug uns'rer Sinne werde. Dieß alles zeig't uns nun aufs neu, Wie vielerley Zu unsern Sinnen nötig sey; Daß aller Pflanzen, aller Tiere Kunst-reiche Cörper fast allein, Damit man sehe, schmecke, spüre, Auch hör' und fül', erschaffen seyn; Daß, wie gesag't, auch unser Leib von innen, So
Die Sinne. Wie kuͤnſtlich unſer Leib von innen zugericht’t, Wie unbeſchreiblich wunderbar; Zeigt die Zerglied’rungs-Kunſt uns klar. Dieß aber zeigt ſie jedem nicht, Daß auch die allerklein’ſten Gaͤnge, Daß aller Darm- und Adern Laͤnge, Daß aller Druͤſ- und Sehnen Menge, Daß auch die allerduͤnn’ſten Saͤfte, Daß unſers Herz- und Magens Kraͤfte, Daß alle Muſkeln, Fleiſch und Bein Nur das allein Zu ihrem Endzweck haben, Daß unſ’re Coͤrper ſinnlich ſeyn. Es laͤuft das Blut in unſ’rer Adern Roͤren; Man fuͤl’t den geiſt’gen Saft in unſern Sehnen rennen, Nur bloß damit wir hoͤren, Sehn, riechen, fuͤlen, ſchmecken koͤnnen. Ja wenn wir es wol uͤberlegen, So finden wir, daß auf der Welt Faſt alles unſ’rer Sinne wegen Gemacht ſey und uns vorgeſtell’t: Daß ſelbſt die Luft, das Licht, die Erde, Ein Werkzeug unſ’rer Sinne werde. Dieß alles zeig’t uns nun aufs neu, Wie vielerley Zu unſern Sinnen noͤtig ſey; Daß aller Pflanzen, aller Tiere Kunſt-reiche Coͤrper faſt allein, Damit man ſehe, ſchmecke, ſpuͤre, Auch hoͤr’ und fuͤl’, erſchaffen ſeyn; Daß, wie geſag’t, auch unſer Leib von innen, So
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Die Sinne.
Wie kuͤnſtlich unſer Leib von innen zugericht’t,
Wie unbeſchreiblich wunderbar;
Zeigt die Zerglied’rungs-Kunſt uns klar.
Dieß aber zeigt ſie jedem nicht,
Daß auch die allerklein’ſten Gaͤnge,
Daß aller Darm- und Adern Laͤnge,
Daß aller Druͤſ- und Sehnen Menge,
Daß auch die allerduͤnn’ſten Saͤfte,
Daß unſers Herz- und Magens Kraͤfte,
Daß alle Muſkeln, Fleiſch und Bein
Nur das allein
Zu ihrem Endzweck haben,
Daß unſ’re Coͤrper ſinnlich ſeyn.
Es laͤuft das Blut in unſ’rer Adern Roͤren;
Man fuͤl’t den geiſt’gen Saft in unſern Sehnen rennen,
Nur bloß damit wir hoͤren,
Sehn, riechen, fuͤlen, ſchmecken koͤnnen.
Ja wenn wir es wol uͤberlegen,
So finden wir, daß auf der Welt
Faſt alles unſ’rer Sinne wegen
Gemacht ſey und uns vorgeſtell’t:
Daß ſelbſt die Luft, das Licht, die Erde,
Ein Werkzeug unſ’rer Sinne werde.
Dieß alles zeig’t uns nun aufs neu,
Wie vielerley
Zu unſern Sinnen noͤtig ſey;
Daß aller Pflanzen, aller Tiere
Kunſt-reiche Coͤrper faſt allein,
Damit man ſehe, ſchmecke, ſpuͤre,
Auch hoͤr’ und fuͤl’, erſchaffen ſeyn;
Daß, wie geſag’t, auch unſer Leib von innen,
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