Jn deren Tiefe Licht und Dunkel sich vereinet, Die sonder Farbe blau, dicht sonder Cörper, scheinet.
Vor ungeheurer Tiefe lässt Die ungeheure Tief', als wäre sie nicht tief: Es schein't der leere Raum, als wär' er voll und fest, Da doch in diesen holen Gründen, Wenn gleich ein schneller Blick beständig vor sich lief', Jn Ewigkeit kein Ziel, kein Grund, zu finden: Und dennoch können wir so ungemess'ne Höhen Mit unsern kleinen Augen sehen. O Wunder, das kein Mensch begreifen Und keine Klugheit fassen kann! O Wunder-Werk, worin sich alle Wunder häusen! Ach schauet es mit Ehrfurcht an! Ein Schau-Platz, welcher Millionen Und Millionen Meilen groß, Ein Platz, in dessen weitem Schoß Viel Millionen Sonnen wohnen, Kann, nebst verschied'nen Erden, Auf einmal übersehen werden, Auf einmal in die spiegelnden Krystallen Von unsern kleinen Augen fallen, Und sich so eng zusammen ziehn. Ach laß mich doch, mein GOtt, mit Ernst mich oft bemühn, Damit mein forschendes Gesicht Auch durchs Gestirn oft sey auf Dich gericht't!
Durch diese Wunder-reiche Klarheit Wird mein erstaun't Gesicht erqvickt; Doch zittert Aug' und Herz, wenn, halb entzückt, Jch diese Himmel-feste Wahrheit
Von
M 3
Jn deren Tiefe Licht und Dunkel ſich vereinet, Die ſonder Farbe blau, dicht ſonder Coͤrper, ſcheinet.
Vor ungeheurer Tiefe laͤſſt Die ungeheure Tief’, als waͤre ſie nicht tief: Es ſchein’t der leere Raum, als waͤr’ er voll und feſt, Da doch in dieſen holen Gruͤnden, Wenn gleich ein ſchneller Blick beſtaͤndig vor ſich lief’, Jn Ewigkeit kein Ziel, kein Grund, zu finden: Und dennoch koͤnnen wir ſo ungemeſſ’ne Hoͤhen Mit unſern kleinen Augen ſehen. O Wunder, das kein Menſch begreifen Und keine Klugheit faſſen kann! O Wunder-Werk, worin ſich alle Wunder haͤuſen! Ach ſchauet es mit Ehrfurcht an! Ein Schau-Platz, welcher Millionen Und Millionen Meilen groß, Ein Platz, in deſſen weitem Schoß Viel Millionen Sonnen wohnen, Kann, nebſt verſchied’nen Erden, Auf einmal uͤberſehen werden, Auf einmal in die ſpiegelnden Kryſtallen Von unſern kleinen Augen fallen, Und ſich ſo eng zuſammen ziehn. Ach laß mich doch, mein GOtt, mit Ernſt mich oft bemuͤhn, Damit mein forſchendes Geſicht Auch durchs Geſtirn oft ſey auf Dich gericht’t!
Durch dieſe Wunder-reiche Klarheit Wird mein erſtaun’t Geſicht erqvickt; Doch zittert Aug’ und Herz, wenn, halb entzuͤckt, Jch dieſe Himmel-feſte Wahrheit
Von
M 3
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Jn deren Tiefe Licht und Dunkel ſich vereinet,</l><lb/><l>Die ſonder Farbe blau, dicht ſonder Coͤrper, ſcheinet.</l></lg><lb/><lgn="22"><l>Vor ungeheurer Tiefe laͤſſt</l><lb/><l>Die ungeheure Tief’, als waͤre ſie nicht tief:</l><lb/><l>Es ſchein’t der leere Raum, als waͤr’ er voll und feſt,</l><lb/><l>Da doch in dieſen holen Gruͤnden,</l><lb/><l>Wenn gleich ein ſchneller Blick beſtaͤndig vor ſich lief’,</l><lb/><l>Jn Ewigkeit kein Ziel, kein Grund, zu finden:</l><lb/><l>Und dennoch koͤnnen wir ſo ungemeſſ’ne Hoͤhen</l><lb/><l>Mit unſern kleinen Augen ſehen.</l><lb/><l>O Wunder, das kein Menſch begreifen</l><lb/><l>Und keine Klugheit faſſen kann!</l><lb/><l>O Wunder-Werk, worin ſich alle Wunder haͤuſen!</l><lb/><l>Ach ſchauet es mit Ehrfurcht an!</l><lb/><l>Ein Schau-Platz, welcher Millionen</l><lb/><l>Und Millionen Meilen groß,</l><lb/><l>Ein Platz, in deſſen weitem Schoß</l><lb/><l>Viel Millionen Sonnen wohnen,</l><lb/><l>Kann, nebſt verſchied’nen Erden,</l><lb/><l>Auf einmal uͤberſehen werden,</l><lb/><l>Auf einmal in die ſpiegelnden Kryſtallen</l><lb/><l>Von unſern kleinen Augen fallen,</l><lb/><l>Und ſich ſo eng zuſammen ziehn.</l><lb/><l>Ach laß mich doch, mein GOtt, mit Ernſt mich oft bemuͤhn,</l><lb/><l>Damit mein forſchendes Geſicht</l><lb/><l>Auch durchs Geſtirn oft ſey auf Dich gericht’t!</l></lg><lb/><lgn="23"><l>Durch dieſe Wunder-reiche Klarheit</l><lb/><l>Wird mein erſtaun’t Geſicht erqvickt;</l><lb/><l>Doch zittert Aug’ und Herz, wenn, halb entzuͤckt,</l><lb/><l>Jch dieſe Himmel-feſte Wahrheit</l><lb/><l><fwplace="bottom"type="sig">M 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">Von</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
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Jn deren Tiefe Licht und Dunkel ſich vereinet,
Die ſonder Farbe blau, dicht ſonder Coͤrper, ſcheinet.
Vor ungeheurer Tiefe laͤſſt
Die ungeheure Tief’, als waͤre ſie nicht tief:
Es ſchein’t der leere Raum, als waͤr’ er voll und feſt,
Da doch in dieſen holen Gruͤnden,
Wenn gleich ein ſchneller Blick beſtaͤndig vor ſich lief’,
Jn Ewigkeit kein Ziel, kein Grund, zu finden:
Und dennoch koͤnnen wir ſo ungemeſſ’ne Hoͤhen
Mit unſern kleinen Augen ſehen.
O Wunder, das kein Menſch begreifen
Und keine Klugheit faſſen kann!
O Wunder-Werk, worin ſich alle Wunder haͤuſen!
Ach ſchauet es mit Ehrfurcht an!
Ein Schau-Platz, welcher Millionen
Und Millionen Meilen groß,
Ein Platz, in deſſen weitem Schoß
Viel Millionen Sonnen wohnen,
Kann, nebſt verſchied’nen Erden,
Auf einmal uͤberſehen werden,
Auf einmal in die ſpiegelnden Kryſtallen
Von unſern kleinen Augen fallen,
Und ſich ſo eng zuſammen ziehn.
Ach laß mich doch, mein GOtt, mit Ernſt mich oft bemuͤhn,
Damit mein forſchendes Geſicht
Auch durchs Geſtirn oft ſey auf Dich gericht’t!
Durch dieſe Wunder-reiche Klarheit
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/217>, abgerufen am 16.02.2025.
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