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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.

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Gar oft, als ob man es mit Fleiß
Mit Leib-Farb' überstrichen hätte,
Recht artig anzusehn.
Wenn sie das frische Gras
Mit scharfen Zungen mäh'n;
Erreget jeder Biß ein knarschendes Getön.
Jn ihren halb-geschloss'nen Augen scheint
Die Sanftmut mit der Ruh vereint,
Gelassen, unbesorgt, und recht vergnüg't zu wohnen.
Ach daß man euch mit ruhigem Gemüt
Nicht oft zu unsrer Lehr' in solcher Stellung sieht!

Mit hin und her beweg'ten Kiefern stunden
Verschied'ne glatte Küh' unangebunden,
Und liessen aus der vollen Eiter Zitzen
Die fette Milch zu uns'rer Nahrung spritzen.
Liebstes Vieh, da ich hier stehe,
Und, wie man dich melket, sehe;
Fällt mir bey,
Auf was Weis' es möglich sey,
Daß in dir das Gras für mich
Auf so wundersame Weise
So zum Trank als auch zur Speise
Zubereitet werd', und sich,
Als in lebendigen Oefen, gleichsam selber distillire.
Sprich nun, Mensch, ob in der That
Dem, Der es geordnet hat,
Nicht unendlich Lob gebühre!


Der

Gar oft, als ob man es mit Fleiß
Mit Leib-Farb’ uͤberſtrichen haͤtte,
Recht artig anzuſehn.
Wenn ſie das friſche Gras
Mit ſcharfen Zungen maͤh’n;
Erreget jeder Biß ein knarſchendes Getoͤn.
Jn ihren halb-geſchloſſ’nen Augen ſcheint
Die Sanftmut mit der Ruh vereint,
Gelaſſen, unbeſorgt, und recht vergnuͤg’t zu wohnen.
Ach daß man euch mit ruhigem Gemuͤt
Nicht oft zu unſrer Lehr’ in ſolcher Stellung ſieht!

Mit hin und her beweg’ten Kiefern ſtunden
Verſchied’ne glatte Kuͤh’ unangebunden,
Und lieſſen aus der vollen Eiter Zitzen
Die fette Milch zu unſ’rer Nahrung ſpritzen.
Liebſtes Vieh, da ich hier ſtehe,
Und, wie man dich melket, ſehe;
Faͤllt mir bey,
Auf was Weiſ’ es moͤglich ſey,
Daß in dir das Gras fuͤr mich
Auf ſo wunderſame Weiſe
So zum Trank als auch zur Speiſe
Zubereitet werd’, und ſich,
Als in lebendigen Oefen, gleichſam ſelber diſtillire.
Sprich nun, Menſch, ob in der That
Dem, Der es geordnet hat,
Nicht unendlich Lob gebuͤhre!


Der
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[171/0207] Gar oft, als ob man es mit Fleiß Mit Leib-Farb’ uͤberſtrichen haͤtte, Recht artig anzuſehn. Wenn ſie das friſche Gras Mit ſcharfen Zungen maͤh’n; Erreget jeder Biß ein knarſchendes Getoͤn. Jn ihren halb-geſchloſſ’nen Augen ſcheint Die Sanftmut mit der Ruh vereint, Gelaſſen, unbeſorgt, und recht vergnuͤg’t zu wohnen. Ach daß man euch mit ruhigem Gemuͤt Nicht oft zu unſrer Lehr’ in ſolcher Stellung ſieht! Mit hin und her beweg’ten Kiefern ſtunden Verſchied’ne glatte Kuͤh’ unangebunden, Und lieſſen aus der vollen Eiter Zitzen Die fette Milch zu unſ’rer Nahrung ſpritzen. Liebſtes Vieh, da ich hier ſtehe, Und, wie man dich melket, ſehe; Faͤllt mir bey, Auf was Weiſ’ es moͤglich ſey, Daß in dir das Gras fuͤr mich Auf ſo wunderſame Weiſe So zum Trank als auch zur Speiſe Zubereitet werd’, und ſich, Als in lebendigen Oefen, gleichſam ſelber diſtillire. Sprich nun, Menſch, ob in der That Dem, Der es geordnet hat, Nicht unendlich Lob gebuͤhre! Der

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen02_1727/207>, abgerufen am 29.03.2024.