Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.Der Wasser-Tropfen. Jüngst sah ich mit vergnüg'ten Blicken, Nach allbereit verschwund'ner Nacht, Der güld'nen Morgen-Sonne Pracht Die Luft, die Flut und Erde schmücken. Gerührt durch dieses Wunder-Prangen, Schaut' ich mit Freuden hin und her, Und sah zuletzt von ungefehr An einem Zweig' ein Tröpfgen hangen, Worin die Sonne selbst ihr herrlichs Bildniß drückte, Und es mit Gluht und Glanz, mit Licht und Schimmer schmückte. Es war so klar, so rein, so rund, Es glänzt' und war so feurig bunt, Daß auch ein Diamant nicht rein, nicht klar Bey dieser reinen Klarheit war. Jndem ich nun bewundernd stehe, Und mit vor Lust entzücktem Sinn Den ungemeinen Glanz besehe; War plötzlich aller Glanz dahin, Da wie ein Blitz, der Blitz, so meiner Augen Ziel, Das Tröpfgen, auf die Erde fiel. Jch stutzt', und dachte, wie so bald Verwelket Schönheit und Gestalt! Wie schnell vergeht, verraucht, verschwindet, Was man auf Erden schönes findet? Allein bald tröstet' ich mich wieder. Denn der Gedanke fiel mir ein: Fällt gleich des Lichtes schöner Schein Zugleich mit diesem Tropfen nieder; So hat er mich dennoch vergnüg't. Jch wuste nicht, daß auf derselben Stelle, Weil
Der Waſſer-Tropfen. Juͤngſt ſah ich mit vergnuͤg’ten Blicken, Nach allbereit verſchwund’ner Nacht, Der guͤld’nen Morgen-Sonne Pracht Die Luft, die Flut und Erde ſchmuͤcken. Geruͤhrt durch dieſes Wunder-Prangen, Schaut’ ich mit Freuden hin und her, Und ſah zuletzt von ungefehr An einem Zweig’ ein Troͤpfgen hangen, Worin die Sonne ſelbſt ihr herrlichs Bildniß druͤckte, Und es mit Gluht und Glanz, mit Licht und Schimmer ſchmuͤckte. Es war ſo klar, ſo rein, ſo rund, Es glaͤnzt’ und war ſo feurig bunt, Daß auch ein Diamant nicht rein, nicht klar Bey dieſer reinen Klarheit war. Jndem ich nun bewundernd ſtehe, Und mit vor Luſt entzuͤcktem Sinn Den ungemeinen Glanz beſehe; War ploͤtzlich aller Glanz dahin, Da wie ein Blitz, der Blitz, ſo meiner Augen Ziel, Das Troͤpfgen, auf die Erde fiel. Jch ſtutzt’, und dachte, wie ſo bald Verwelket Schoͤnheit und Geſtalt! Wie ſchnell vergeht, verraucht, verſchwindet, Was man auf Erden ſchoͤnes findet? Allein bald troͤſtet’ ich mich wieder. Denn der Gedanke fiel mir ein: Faͤllt gleich des Lichtes ſchoͤner Schein Zugleich mit dieſem Tropfen nieder; So hat er mich dennoch vergnuͤg’t. Jch wuſte nicht, daß auf derſelben Stelle, Weil
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0129" n="93"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Der Waſſer-Tropfen.</hi> </head><lb/> <lg n="13"> <l><hi rendition="#in">J</hi>uͤngſt ſah ich mit vergnuͤg’ten Blicken,</l><lb/> <l>Nach allbereit verſchwund’ner Nacht,</l><lb/> <l>Der guͤld’nen Morgen-Sonne Pracht</l><lb/> <l>Die Luft, die Flut und Erde ſchmuͤcken.</l><lb/> <l>Geruͤhrt durch dieſes Wunder-Prangen,</l><lb/> <l>Schaut’ ich mit Freuden hin und her,</l><lb/> <l>Und ſah zuletzt von ungefehr</l><lb/> <l>An einem Zweig’ ein Troͤpfgen hangen,</l><lb/> <l>Worin die Sonne ſelbſt ihr herrlichs Bildniß druͤckte,</l><lb/> <l>Und es mit Gluht und Glanz, mit Licht und Schimmer</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſchmuͤckte.</hi> </l><lb/> <l>Es war ſo klar, ſo rein, ſo rund,</l><lb/> <l>Es glaͤnzt’ und war ſo feurig bunt,</l><lb/> <l>Daß auch ein Diamant nicht rein, nicht klar</l><lb/> <l>Bey dieſer reinen Klarheit war.</l><lb/> <l>Jndem ich nun bewundernd ſtehe,</l><lb/> <l>Und mit vor Luſt entzuͤcktem Sinn</l><lb/> <l>Den ungemeinen Glanz beſehe;</l><lb/> <l>War ploͤtzlich aller Glanz dahin,</l><lb/> <l>Da wie ein Blitz, der Blitz, ſo meiner Augen Ziel,</l><lb/> <l>Das Troͤpfgen, auf die Erde fiel.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Jch ſtutzt’, und dachte, wie ſo bald</l><lb/> <l>Verwelket Schoͤnheit und Geſtalt!</l><lb/> <l>Wie ſchnell vergeht, verraucht, verſchwindet,</l><lb/> <l>Was man auf Erden ſchoͤnes findet?</l><lb/> <l>Allein bald troͤſtet’ ich mich wieder.</l><lb/> <l>Denn der Gedanke fiel mir ein:</l><lb/> <l>Faͤllt gleich des Lichtes ſchoͤner Schein</l><lb/> <l>Zugleich mit dieſem Tropfen nieder;</l><lb/> <l>So hat er mich dennoch vergnuͤg’t.</l><lb/> <l>Jch wuſte nicht, daß auf derſelben Stelle,</l><lb/> <l> <fw place="bottom" type="catch">Weil</fw><lb/> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0129]
Der Waſſer-Tropfen.
Juͤngſt ſah ich mit vergnuͤg’ten Blicken,
Nach allbereit verſchwund’ner Nacht,
Der guͤld’nen Morgen-Sonne Pracht
Die Luft, die Flut und Erde ſchmuͤcken.
Geruͤhrt durch dieſes Wunder-Prangen,
Schaut’ ich mit Freuden hin und her,
Und ſah zuletzt von ungefehr
An einem Zweig’ ein Troͤpfgen hangen,
Worin die Sonne ſelbſt ihr herrlichs Bildniß druͤckte,
Und es mit Gluht und Glanz, mit Licht und Schimmer
ſchmuͤckte.
Es war ſo klar, ſo rein, ſo rund,
Es glaͤnzt’ und war ſo feurig bunt,
Daß auch ein Diamant nicht rein, nicht klar
Bey dieſer reinen Klarheit war.
Jndem ich nun bewundernd ſtehe,
Und mit vor Luſt entzuͤcktem Sinn
Den ungemeinen Glanz beſehe;
War ploͤtzlich aller Glanz dahin,
Da wie ein Blitz, der Blitz, ſo meiner Augen Ziel,
Das Troͤpfgen, auf die Erde fiel.
Jch ſtutzt’, und dachte, wie ſo bald
Verwelket Schoͤnheit und Geſtalt!
Wie ſchnell vergeht, verraucht, verſchwindet,
Was man auf Erden ſchoͤnes findet?
Allein bald troͤſtet’ ich mich wieder.
Denn der Gedanke fiel mir ein:
Faͤllt gleich des Lichtes ſchoͤner Schein
Zugleich mit dieſem Tropfen nieder;
So hat er mich dennoch vergnuͤg’t.
Jch wuſte nicht, daß auf derſelben Stelle,
Weil
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |