Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 2. Hamburg, 1727.Das Moß. Es ist kein grüner Sammt so schön, Als wie das dunkel-grüne Moß Oft üm- oft in der Bäume Schoß. Man kann nicht leicht was netters sehn, Als die so zart formirten Spitzen, Die dichter noch zusammen sitzen, Als wie die Seid' am Sammtenen Gewand. Es ist zugleich So sanft, so weich, Daß, wenn man es nicht säh' und wüste, Es ganz unfehlbar uns're Hand Für wahren Sammet halten müste. Zuweilen wächst mit neuer Farb' und Zier Aus altem Moß ein junges Moß herfür, Das wunderlich formir't und aus der Massen schön Jm Unterschied der Farben anzusehn. Denn wenn ein saftig dunkel-grün Das alte Moß gefärb't; so zeigt das neue sich Recht eigentlich Als wie ein Seladon. Ein weißlich grünes Blat, Das zierlich, kraus und breit, Da jenes längliche gerade Blätter hat, Zeigt sich in solcher Nettigkeit, Daß die darob erstaunten Augen Sich dran kaum satt zu sehen taugen: Jndem sie in den grünen Gründen Verän- E 4
Das Moß. Es iſt kein gruͤner Sammt ſo ſchoͤn, Als wie das dunkel-gruͤne Moß Oft uͤm- oft in der Baͤume Schoß. Man kann nicht leicht was netters ſehn, Als die ſo zart formirten Spitzen, Die dichter noch zuſammen ſitzen, Als wie die Seid’ am Sammtenen Gewand. Es iſt zugleich So ſanft, ſo weich, Daß, wenn man es nicht ſaͤh’ und wuͤſte, Es ganz unfehlbar unſ’re Hand Fuͤr wahren Sammet halten muͤſte. Zuweilen waͤchſt mit neuer Farb’ und Zier Aus altem Moß ein junges Moß herfuͤr, Das wunderlich formir’t und aus der Maſſen ſchoͤn Jm Unterſchied der Farben anzuſehn. Denn wenn ein ſaftig dunkel-gruͤn Das alte Moß gefaͤrb’t; ſo zeigt das neue ſich Recht eigentlich Als wie ein Seladon. Ein weißlich gruͤnes Blat, Das zierlich, kraus und breit, Da jenes laͤngliche gerade Blaͤtter hat, Zeigt ſich in ſolcher Nettigkeit, Daß die darob erſtaunten Augen Sich dran kaum ſatt zu ſehen taugen: Jndem ſie in den gruͤnen Gruͤnden Veraͤn- E 4
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Das Moß.
Es iſt kein gruͤner Sammt ſo ſchoͤn,
Als wie das dunkel-gruͤne Moß
Oft uͤm- oft in der Baͤume Schoß.
Man kann nicht leicht was netters ſehn,
Als die ſo zart formirten Spitzen,
Die dichter noch zuſammen ſitzen,
Als wie die Seid’ am Sammtenen Gewand.
Es iſt zugleich
So ſanft, ſo weich,
Daß, wenn man es nicht ſaͤh’ und wuͤſte,
Es ganz unfehlbar unſ’re Hand
Fuͤr wahren Sammet halten muͤſte.
Zuweilen waͤchſt mit neuer Farb’ und Zier
Aus altem Moß ein junges Moß herfuͤr,
Das wunderlich formir’t und aus der Maſſen ſchoͤn
Jm Unterſchied der Farben anzuſehn.
Denn wenn ein ſaftig dunkel-gruͤn
Das alte Moß gefaͤrb’t; ſo zeigt das neue ſich
Recht eigentlich
Als wie ein Seladon. Ein weißlich gruͤnes Blat,
Das zierlich, kraus und breit,
Da jenes laͤngliche gerade Blaͤtter hat,
Zeigt ſich in ſolcher Nettigkeit,
Daß die darob erſtaunten Augen
Sich dran kaum ſatt zu ſehen taugen:
Jndem ſie in den gruͤnen Gruͤnden
Veraͤn-
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