Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

und will sterben, und ihn nicht unglücklich machen; ich
muß meine Strafe leiden, daß ich zu meinem Kinde
komme, aber ihn kann es verderben, wenn ich ihn nenne.
Darüber wurde ihr das Schwerdt zuerkannt. Gehe Er
zum Herzog, und bitte Er für Kasper und Annerl um
ein ehrlich Grab. Gehe Er gleich, seh' Er: dort geht
der Herr Pfarrer in's Gefängniß, ich will ihn anspre¬
chen, daß er mich mit hinein zum schönen Annerl nimmt.
Wenn Er sich eilt, so kann Er uns draußen am Ge¬
richte vielleicht den Trost noch bringen: mit dem ehr¬
lichen Grab für Kasper und Annerl.

Unter diesen Worten waren wir mit dem Prediger
zusammengetroffen, die Alte erzählte ihr Verhältniß zu
der Gefangenen und er nahm sie freundlich mit zum
Gefängniß. Ich aber eilte nun, wie ich noch nie gelau¬
fen, nach dem Schlosse, und es machte mir einen trösten¬
den Eindruck, es war mir wie ein Zeichen der Hoffnung,
als ich an Graf Grossingers Hause vorüberstürzte, und
aus einem offnen Fenster des Gartenhauses eine liebliche
Stimme zur Laute singen hörte:

Die Gnade sprach von Liebe,
Die Ehre aber wacht,
Und wünscht voll Lieb' der Gnade
In Ehren gute Nacht.

und will ſterben, und ihn nicht unglücklich machen; ich
muß meine Strafe leiden, daß ich zu meinem Kinde
komme, aber ihn kann es verderben, wenn ich ihn nenne.
Darüber wurde ihr das Schwerdt zuerkannt. Gehe Er
zum Herzog, und bitte Er für Kasper und Annerl um
ein ehrlich Grab. Gehe Er gleich, ſeh' Er: dort geht
der Herr Pfarrer in's Gefängniß, ich will ihn anſpre¬
chen, daß er mich mit hinein zum ſchönen Annerl nimmt.
Wenn Er ſich eilt, ſo kann Er uns draußen am Ge¬
richte vielleicht den Troſt noch bringen: mit dem ehr¬
lichen Grab für Kasper und Annerl.

Unter dieſen Worten waren wir mit dem Prediger
zuſammengetroffen, die Alte erzählte ihr Verhältniß zu
der Gefangenen und er nahm ſie freundlich mit zum
Gefängniß. Ich aber eilte nun, wie ich noch nie gelau¬
fen, nach dem Schloſſe, und es machte mir einen tröſten¬
den Eindruck, es war mir wie ein Zeichen der Hoffnung,
als ich an Graf Groſſingers Hauſe vorüberſtürzte, und
aus einem offnen Fenſter des Gartenhauſes eine liebliche
Stimme zur Laute ſingen hörte:

Die Gnade ſprach von Liebe,
Die Ehre aber wacht,
Und wünſcht voll Lieb' der Gnade
In Ehren gute Nacht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0062" n="52"/>
und will &#x017F;terben, und ihn nicht unglücklich machen; ich<lb/>
muß meine Strafe leiden, daß ich zu meinem Kinde<lb/>
komme, aber ihn kann es verderben, wenn ich ihn nenne.<lb/>
Darüber wurde ihr das Schwerdt zuerkannt. Gehe Er<lb/>
zum Herzog, und bitte Er für Kasper und Annerl um<lb/>
ein ehrlich Grab. Gehe Er gleich, &#x017F;eh' Er: dort geht<lb/>
der Herr Pfarrer in's Gefängniß, ich will ihn an&#x017F;pre¬<lb/>
chen, daß er mich mit hinein zum &#x017F;chönen Annerl nimmt.<lb/>
Wenn Er &#x017F;ich eilt, &#x017F;o kann Er uns draußen am Ge¬<lb/>
richte vielleicht den Tro&#x017F;t noch bringen: mit dem ehr¬<lb/>
lichen Grab für Kasper und Annerl.</p><lb/>
        <p>Unter die&#x017F;en Worten waren wir mit dem Prediger<lb/>
zu&#x017F;ammengetroffen, die Alte erzählte ihr Verhältniß zu<lb/>
der Gefangenen und er nahm &#x017F;ie freundlich mit zum<lb/>
Gefängniß. Ich aber eilte nun, wie ich noch nie gelau¬<lb/>
fen, nach dem Schlo&#x017F;&#x017F;e, und es machte mir einen trö&#x017F;ten¬<lb/>
den Eindruck, es war mir wie ein Zeichen der Hoffnung,<lb/>
als ich an Graf Gro&#x017F;&#x017F;ingers Hau&#x017F;e vorüber&#x017F;türzte, und<lb/>
aus einem offnen Fen&#x017F;ter des Gartenhau&#x017F;es eine liebliche<lb/>
Stimme zur Laute &#x017F;ingen hörte:<lb/><lg type="poem"><l>Die Gnade &#x017F;prach von Liebe,</l><lb/><l>Die Ehre aber wacht,</l><lb/><l>Und wün&#x017F;cht voll Lieb' der Gnade</l><lb/><l>In Ehren gute Nacht.</l><lb/></lg></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0062] und will ſterben, und ihn nicht unglücklich machen; ich muß meine Strafe leiden, daß ich zu meinem Kinde komme, aber ihn kann es verderben, wenn ich ihn nenne. Darüber wurde ihr das Schwerdt zuerkannt. Gehe Er zum Herzog, und bitte Er für Kasper und Annerl um ein ehrlich Grab. Gehe Er gleich, ſeh' Er: dort geht der Herr Pfarrer in's Gefängniß, ich will ihn anſpre¬ chen, daß er mich mit hinein zum ſchönen Annerl nimmt. Wenn Er ſich eilt, ſo kann Er uns draußen am Ge¬ richte vielleicht den Troſt noch bringen: mit dem ehr¬ lichen Grab für Kasper und Annerl. Unter dieſen Worten waren wir mit dem Prediger zuſammengetroffen, die Alte erzählte ihr Verhältniß zu der Gefangenen und er nahm ſie freundlich mit zum Gefängniß. Ich aber eilte nun, wie ich noch nie gelau¬ fen, nach dem Schloſſe, und es machte mir einen tröſten¬ den Eindruck, es war mir wie ein Zeichen der Hoffnung, als ich an Graf Groſſingers Hauſe vorüberſtürzte, und aus einem offnen Fenſter des Gartenhauſes eine liebliche Stimme zur Laute ſingen hörte: Die Gnade ſprach von Liebe, Die Ehre aber wacht, Und wünſcht voll Lieb' der Gnade In Ehren gute Nacht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/62
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/62>, abgerufen am 07.05.2024.