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Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

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Welch' ein Handwerk Er treibt? frage ich, warum
will Er mir's nicht sagen, treibt Er kein ehrlich Hand¬
werk, so greif Er's noch an, es hat einen goldnen
Boden. Er ist doch nicht etwa gar ein Henker oder
Spion, der mich ausholen will; meinet halben sey Er wer
Er will, sag' Er's, wer Er ist! Wenn Er bei Tage so
hier säße, würde ich glauben, Er sey ein Lehnerich, so
ein Tagedieb, der sich an die Häuser lehnt, damit er
nicht umfällt vor Faulheit.

Da fiel mir ein Wort ein, das mir vielleicht eine
Brücke zu ihrem Verständniß schlagen könnte: Liebe
Mutter, sagte ich, ich bin ein Schreiber. Nun, sagte
sie, das hätte Er gleich sagen sollen; Er ist also ein
Mann von der Feder, dazu gehören feine Köpfe und
schnelle Finger, und ein gutes Herz, sonst wird Einem
drauf geklopft. Ein Schreiber ist Er? kann Er mir
dann wohl eine Bittschrift aufsetzen an den Herzog, die
aber gewiß erhört wird, und nicht bei den vielen andern
liegen bleibt?

Eine Bittschrift, liebe Mutter, sprach ich, kann ich
Ihr wohl aufsetzen, und ich will mir alle Mühe geben,
daß sie recht eindringlich abgefaßt seyn soll.

Welch' ein Handwerk Er treibt? frage ich, warum
will Er mir's nicht ſagen, treibt Er kein ehrlich Hand¬
werk, ſo greif Er's noch an, es hat einen goldnen
Boden. Er iſt doch nicht etwa gar ein Henker oder
Spion, der mich ausholen will; meinet halben ſey Er wer
Er will, ſag' Er's, wer Er iſt! Wenn Er bei Tage ſo
hier ſäße, würde ich glauben, Er ſey ein Lehnerich, ſo
ein Tagedieb, der ſich an die Häuſer lehnt, damit er
nicht umfällt vor Faulheit.

Da fiel mir ein Wort ein, das mir vielleicht eine
Brücke zu ihrem Verſtändniß ſchlagen könnte: Liebe
Mutter, ſagte ich, ich bin ein Schreiber. Nun, ſagte
ſie, das hätte Er gleich ſagen ſollen; Er iſt alſo ein
Mann von der Feder, dazu gehören feine Köpfe und
ſchnelle Finger, und ein gutes Herz, ſonſt wird Einem
drauf geklopft. Ein Schreiber iſt Er? kann Er mir
dann wohl eine Bittſchrift aufſetzen an den Herzog, die
aber gewiß erhört wird, und nicht bei den vielen andern
liegen bleibt?

Eine Bittſchrift, liebe Mutter, ſprach ich, kann ich
Ihr wohl aufſetzen, und ich will mir alle Mühe geben,
daß ſie recht eindringlich abgefaßt ſeyn ſoll.

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[21/0031] Welch' ein Handwerk Er treibt? frage ich, warum will Er mir's nicht ſagen, treibt Er kein ehrlich Hand¬ werk, ſo greif Er's noch an, es hat einen goldnen Boden. Er iſt doch nicht etwa gar ein Henker oder Spion, der mich ausholen will; meinet halben ſey Er wer Er will, ſag' Er's, wer Er iſt! Wenn Er bei Tage ſo hier ſäße, würde ich glauben, Er ſey ein Lehnerich, ſo ein Tagedieb, der ſich an die Häuſer lehnt, damit er nicht umfällt vor Faulheit. Da fiel mir ein Wort ein, das mir vielleicht eine Brücke zu ihrem Verſtändniß ſchlagen könnte: Liebe Mutter, ſagte ich, ich bin ein Schreiber. Nun, ſagte ſie, das hätte Er gleich ſagen ſollen; Er iſt alſo ein Mann von der Feder, dazu gehören feine Köpfe und ſchnelle Finger, und ein gutes Herz, ſonſt wird Einem drauf geklopft. Ein Schreiber iſt Er? kann Er mir dann wohl eine Bittſchrift aufſetzen an den Herzog, die aber gewiß erhört wird, und nicht bei den vielen andern liegen bleibt? Eine Bittſchrift, liebe Mutter, ſprach ich, kann ich Ihr wohl aufſetzen, und ich will mir alle Mühe geben, daß ſie recht eindringlich abgefaßt ſeyn ſoll.

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/31>, abgerufen am 21.11.2024.