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Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838.

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Es war Sommers-Frühe, die Nachtigallen sangen erst
seit einigen Tagen durch die Straßen, und verstummten
heut in einer kühlen Nacht, welche von fernen Gewittern
zu uns herwehte; der Nachtwächter rief die elfte Stunde
an, da sah ich, nach Hause gehend, vor der Thür eines
großen Gebäudes einen Trupp von allerlei Gesellen, die
vom Biere kamen, um Jemand, der auf den Thürstufen
saß, versammelt. Ihr Antheil schien mir so lebhaft, daß
ich irgend ein Unglück besorgte und mich näherte.

Eine alte Bäuerin saß auf der Treppe, und so
lebhaft die Gesellen sich um sie bekümmerten, so wenig
ließ sie sich von den neugierigen Fragen und gutmüthigen
Vorschlägen derselben stören. Es hatte etwas sehr Be¬
fremdendes, ja schier Großes, wie die gute alte Frau so

Es war Sommers-Frühe, die Nachtigallen ſangen erſt
ſeit einigen Tagen durch die Straßen, und verſtummten
heut in einer kühlen Nacht, welche von fernen Gewittern
zu uns herwehte; der Nachtwächter rief die elfte Stunde
an, da ſah ich, nach Hauſe gehend, vor der Thür eines
großen Gebäudes einen Trupp von allerlei Geſellen, die
vom Biere kamen, um Jemand, der auf den Thürſtufen
ſaß, verſammelt. Ihr Antheil ſchien mir ſo lebhaft, daß
ich irgend ein Unglück beſorgte und mich näherte.

Eine alte Bäuerin ſaß auf der Treppe, und ſo
lebhaft die Geſellen ſich um ſie bekümmerten, ſo wenig
ließ ſie ſich von den neugierigen Fragen und gutmüthigen
Vorſchlägen derſelben ſtören. Es hatte etwas ſehr Be¬
fremdendes, ja ſchier Großes, wie die gute alte Frau ſo

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[0015] Es war Sommers-Frühe, die Nachtigallen ſangen erſt ſeit einigen Tagen durch die Straßen, und verſtummten heut in einer kühlen Nacht, welche von fernen Gewittern zu uns herwehte; der Nachtwächter rief die elfte Stunde an, da ſah ich, nach Hauſe gehend, vor der Thür eines großen Gebäudes einen Trupp von allerlei Geſellen, die vom Biere kamen, um Jemand, der auf den Thürſtufen ſaß, verſammelt. Ihr Antheil ſchien mir ſo lebhaft, daß ich irgend ein Unglück beſorgte und mich näherte. Eine alte Bäuerin ſaß auf der Treppe, und ſo lebhaft die Geſellen ſich um ſie bekümmerten, ſo wenig ließ ſie ſich von den neugierigen Fragen und gutmüthigen Vorſchlägen derſelben ſtören. Es hatte etwas ſehr Be¬ fremdendes, ja ſchier Großes, wie die gute alte Frau ſo

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl. Berlin, 1838, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_kasperl_1838/15>, abgerufen am 28.03.2024.