Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite
Es bracht' dies edle Huhngeschlecht
Aus Syria ein Edelknecht,
Der bei Pilati Leibwach stand,
Salm hieß er, aus Savoierlaud. --
Nun fing ich und mein edler Hahn
Ein ritterliches Leben an;
Ich hatte Söhnchen nach der Reih,
Er Hahn und Hühnchen, Ei auf Ei!
Ich dreht den Ring -- den Grafenhut
Hat ich sogleich, er stand mir gut. --
Doch als ich ward ein edler Greis,
Gedacht ich an die weite Reis,
Ins andere gelobte Land.
Ich dreht' den Ring -- "hätt' ich Verstand!"
Da war ich klug wie Salomo
Und sprach da zu Alektryo:
"Ich hab den Ring bald ausgedreht,
"Und du die Zeit bald ausgekräht,
"Es naht der Ring der Ewigkeit,
"Da mißt kein Hahnenschrei die Zeit;
"Die Schlange beißt sich in den Schweif,
"Ohn' End und Anfang ist der Reif,
"Und da es geht zum Ende nun,
"Sprich, was soll mit dem Ring ich thun?"
Alektryo sprach: "hör' sey klug!
"Du läßst wohl Geld und Gut genug
"Den Söhnen dein, sie können sich
"Als Grafen nähren ritterlich;
"Gäbst ihrer Einem du den Ring,
"Gar leicht ein Zank und Streit angieng;
"Er wünschte sich solch Glück und Ehr,
"Daß drüber er sein Seel' verlör'!
"Da Keiner von dem Ring noch weiß,
"Wird Keinem um den Ring auch heiß.
"Dem Erstgebornen gieb das Haus,
"Die Andern statte reichlich aus;
"So soll jed Erstgeborner thun,
"Bis alle Gockel bei dir ruhn.
Es bracht' dies edle Huhngeſchlecht
Aus Syria ein Edelknecht,
Der bei Pilati Leibwach ſtand,
Salm hieß er, aus Savoierlaud. —
Nun fing ich und mein edler Hahn
Ein ritterliches Leben an;
Ich hatte Soͤhnchen nach der Reih,
Er Hahn und Huͤhnchen, Ei auf Ei!
Ich dreht den Ring — den Grafenhut
Hat ich ſogleich, er ſtand mir gut. —
Doch als ich ward ein edler Greis,
Gedacht ich an die weite Reis,
Ins andere gelobte Land.
Ich dreht' den Ring — „haͤtt' ich Verſtand!“
Da war ich klug wie Salomo
Und ſprach da zu Alektryo:
„Ich hab den Ring bald ausgedreht,
„Und du die Zeit bald ausgekraͤht,
„Es naht der Ring der Ewigkeit,
„Da mißt kein Hahnenſchrei die Zeit;
„Die Schlange beißt ſich in den Schweif,
„Ohn' End und Anfang iſt der Reif,
„Und da es geht zum Ende nun,
„Sprich, was ſoll mit dem Ring ich thun?“
Alektryo ſprach: „hoͤr' ſey klug!
„Du laͤßſt wohl Geld und Gut genug
„Den Soͤhnen dein, ſie koͤnnen ſich
„Als Grafen naͤhren ritterlich;
„Gaͤbſt ihrer Einem du den Ring,
„Gar leicht ein Zank und Streit angieng;
„Er wuͤnſchte ſich ſolch Gluͤck und Ehr,
„Daß druͤber er ſein Seel' verloͤr'!
„Da Keiner von dem Ring noch weiß,
„Wird Keinem um den Ring auch heiß.
„Dem Erſtgebornen gieb das Haus,
„Die Andern ſtatte reichlich aus;
„So ſoll jed Erſtgeborner thun,
„Bis alle Gockel bei dir ruhn.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0083" n="57"/>
          <l>Es bracht' dies edle Huhnge&#x017F;chlecht</l><lb/>
          <l>Aus Syria ein Edelknecht,</l><lb/>
          <l>Der bei Pilati Leibwach &#x017F;tand,</l><lb/>
          <l>Salm hieß er, aus Savoierlaud. &#x2014;</l><lb/>
          <l>Nun fing ich und mein edler Hahn</l><lb/>
          <l>Ein ritterliches Leben an;</l><lb/>
          <l>Ich hatte So&#x0364;hnchen nach der Reih,</l><lb/>
          <l>Er Hahn und Hu&#x0364;hnchen, Ei auf Ei!</l><lb/>
          <l>Ich dreht den Ring &#x2014; den Grafenhut</l><lb/>
          <l>Hat ich &#x017F;ogleich, er &#x017F;tand mir gut. &#x2014;</l><lb/>
          <l>Doch als ich ward ein edler Greis,</l><lb/>
          <l>Gedacht ich an die weite Reis,</l><lb/>
          <l>Ins andere gelobte Land.</l><lb/>
          <l>Ich dreht' den Ring &#x2014; &#x201E;ha&#x0364;tt' ich Ver&#x017F;tand!&#x201C;</l><lb/>
          <l>Da war ich klug wie Salomo</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;prach da zu Alektryo:</l><lb/>
          <l>&#x201E;Ich hab den Ring bald ausgedreht,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Und du die Zeit bald ausgekra&#x0364;ht,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Es naht der Ring der Ewigkeit,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Da mißt kein Hahnen&#x017F;chrei die Zeit;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Die Schlange beißt &#x017F;ich in den Schweif,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Ohn' End und Anfang i&#x017F;t der Reif,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Und da es geht zum Ende nun,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Sprich, was &#x017F;oll mit dem Ring ich thun?&#x201C;</l><lb/>
          <l>Alektryo &#x017F;prach: &#x201E;ho&#x0364;r' &#x017F;ey klug!</l><lb/>
          <l>&#x201E;Du la&#x0364;ß&#x017F;t wohl Geld und Gut genug</l><lb/>
          <l>&#x201E;Den So&#x0364;hnen dein, &#x017F;ie ko&#x0364;nnen &#x017F;ich</l><lb/>
          <l>&#x201E;Als Grafen na&#x0364;hren ritterlich;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Ga&#x0364;b&#x017F;t ihrer Einem du den Ring,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Gar leicht ein Zank und Streit angieng;</l><lb/>
          <l>&#x201E;Er wu&#x0364;n&#x017F;chte &#x017F;ich &#x017F;olch Glu&#x0364;ck und Ehr,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Daß dru&#x0364;ber er &#x017F;ein Seel' verlo&#x0364;r'!</l><lb/>
          <l>&#x201E;Da Keiner von dem Ring noch weiß,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Wird Keinem um den Ring auch heiß.</l><lb/>
          <l>&#x201E;Dem Er&#x017F;tgebornen gieb das Haus,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Die Andern &#x017F;tatte reichlich aus;</l><lb/>
          <l>&#x201E;So &#x017F;oll jed Er&#x017F;tgeborner thun,</l><lb/>
          <l>&#x201E;Bis alle Gockel bei dir ruhn.</l><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0083] Es bracht' dies edle Huhngeſchlecht Aus Syria ein Edelknecht, Der bei Pilati Leibwach ſtand, Salm hieß er, aus Savoierlaud. — Nun fing ich und mein edler Hahn Ein ritterliches Leben an; Ich hatte Soͤhnchen nach der Reih, Er Hahn und Huͤhnchen, Ei auf Ei! Ich dreht den Ring — den Grafenhut Hat ich ſogleich, er ſtand mir gut. — Doch als ich ward ein edler Greis, Gedacht ich an die weite Reis, Ins andere gelobte Land. Ich dreht' den Ring — „haͤtt' ich Verſtand!“ Da war ich klug wie Salomo Und ſprach da zu Alektryo: „Ich hab den Ring bald ausgedreht, „Und du die Zeit bald ausgekraͤht, „Es naht der Ring der Ewigkeit, „Da mißt kein Hahnenſchrei die Zeit; „Die Schlange beißt ſich in den Schweif, „Ohn' End und Anfang iſt der Reif, „Und da es geht zum Ende nun, „Sprich, was ſoll mit dem Ring ich thun?“ Alektryo ſprach: „hoͤr' ſey klug! „Du laͤßſt wohl Geld und Gut genug „Den Soͤhnen dein, ſie koͤnnen ſich „Als Grafen naͤhren ritterlich; „Gaͤbſt ihrer Einem du den Ring, „Gar leicht ein Zank und Streit angieng; „Er wuͤnſchte ſich ſolch Gluͤck und Ehr, „Daß druͤber er ſein Seel' verloͤr'! „Da Keiner von dem Ring noch weiß, „Wird Keinem um den Ring auch heiß. „Dem Erſtgebornen gieb das Haus, „Die Andern ſtatte reichlich aus; „So ſoll jed Erſtgeborner thun, „Bis alle Gockel bei dir ruhn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/83
Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/83>, abgerufen am 29.03.2024.