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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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Büblein ganz leuchtend, wie es ihnen goldnen Weizen
streute und dann verschwand. -- Jakob von Guise kehrte
mit den Gespielen ins Hennegau, Verena zog mit den drei
Schwestern ins Kloster Lilienthal. Mein Eheherr beschloß,
mit mir ein Drittheil des Jahres in Gockelsruh, ein Drit¬
theil in Vadutz, ein Drittheil in Hennegau zu leben. --
Bis hieher habe ich in mein Tagebuch, das die Gespielen
mir aus Hennegau mitgebracht, selbst geschrieben, das Fol¬
gende habe ich durch den Ring Salomonis hinein gedreht.

In der Nacht vor meiner Trauung hatte ich folgenden
seltsamen Traum. -- Ich war mit Verena zu einem Erndte¬
fest geladen und sollte den Kranz flechten. Es war eine
mühselige Reise; wir gingen durch Wälder, Felder, Gär¬
ten, Wildniß und Wüste Jahrhunderte lang und kamen doch
nicht weiter, als um Gockelsruh und Gelnhausen herum.
Es war, als bewegten wir nur die Füße, blieben aber auf
demselben Fleck. Nur die Zeiten drehten sich um uns. Un¬
zählige Male kamen wir durch die Höfe und Gärten von
Gockelsruh und sahen immer andere Gesichter, andere Klei¬
der und neue Grabsteine an der Schloßkapelle aufgerichtet.
Von Zeit zu Zeit begegneten uns drei Klosterfrauen aus Li¬
lienthal mit Lilien in den Händen und acht Ordensgespielen
aus Hennegau mit ihren Pflichthühnern. Oft kündete uns
der Schrei eines Alecktryo, einer Gallina die Zeit; -- Alles
wechselte um uns her, nur Eines fanden wir bei jeder Rück¬
kehr festbestehend und gesund wieder -- die treue, dunkel¬
laubige Linde, unter welcher Gockel mich von den Räubern
befreit und mir den Ring gegeben hatte, breitete ihre Zweige
immer reicher und mütterlicher umher, gleich einer Henne,
die den Frühling ausbrütet. O wie oft kamen wir vorüber
und waren wie die Bienen, die um sie schwärmten, trunken
von dem Honigdufte des Frühlings in ihren Blüthen, und
sahen sie bald winterlich entlaubet und dann wieder blühend.
-- Fünfzig Mal mochten wir zur Linde gekommen seyn, da
war ich so müd, so müd, und sehnte mich wie ein Kind, in

Buͤblein ganz leuchtend, wie es ihnen goldnen Weizen
ſtreute und dann verſchwand. — Jakob von Guiſe kehrte
mit den Geſpielen ins Hennegau, Verena zog mit den drei
Schweſtern ins Kloſter Lilienthal. Mein Eheherr beſchloß,
mit mir ein Drittheil des Jahres in Gockelsruh, ein Drit¬
theil in Vadutz, ein Drittheil in Hennegau zu leben. —
Bis hieher habe ich in mein Tagebuch, das die Geſpielen
mir aus Hennegau mitgebracht, ſelbſt geſchrieben, das Fol¬
gende habe ich durch den Ring Salomonis hinein gedreht.

In der Nacht vor meiner Trauung hatte ich folgenden
ſeltſamen Traum. — Ich war mit Verena zu einem Erndte¬
feſt geladen und ſollte den Kranz flechten. Es war eine
muͤhſelige Reiſe; wir gingen durch Waͤlder, Felder, Gaͤr¬
ten, Wildniß und Wuͤſte Jahrhunderte lang und kamen doch
nicht weiter, als um Gockelsruh und Gelnhauſen herum.
Es war, als bewegten wir nur die Fuͤße, blieben aber auf
demſelben Fleck. Nur die Zeiten drehten ſich um uns. Un¬
zaͤhlige Male kamen wir durch die Hoͤfe und Gaͤrten von
Gockelsruh und ſahen immer andere Geſichter, andere Klei¬
der und neue Grabſteine an der Schloßkapelle aufgerichtet.
Von Zeit zu Zeit begegneten uns drei Kloſterfrauen aus Li¬
lienthal mit Lilien in den Haͤnden und acht Ordensgeſpielen
aus Hennegau mit ihren Pflichthuͤhnern. Oft kuͤndete uns
der Schrei eines Alecktryo, einer Gallina die Zeit; — Alles
wechſelte um uns her, nur Eines fanden wir bei jeder Ruͤck¬
kehr feſtbeſtehend und geſund wieder — die treue, dunkel¬
laubige Linde, unter welcher Gockel mich von den Raͤubern
befreit und mir den Ring gegeben hatte, breitete ihre Zweige
immer reicher und muͤtterlicher umher, gleich einer Henne,
die den Fruͤhling ausbruͤtet. O wie oft kamen wir voruͤber
und waren wie die Bienen, die um ſie ſchwaͤrmten, trunken
von dem Honigdufte des Fruͤhlings in ihren Bluͤthen, und
ſahen ſie bald winterlich entlaubet und dann wieder bluͤhend.
— Fuͤnfzig Mal mochten wir zur Linde gekommen ſeyn, da
war ich ſo muͤd, ſo muͤd, und ſehnte mich wie ein Kind, in

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[328/0382] Buͤblein ganz leuchtend, wie es ihnen goldnen Weizen ſtreute und dann verſchwand. — Jakob von Guiſe kehrte mit den Geſpielen ins Hennegau, Verena zog mit den drei Schweſtern ins Kloſter Lilienthal. Mein Eheherr beſchloß, mit mir ein Drittheil des Jahres in Gockelsruh, ein Drit¬ theil in Vadutz, ein Drittheil in Hennegau zu leben. — Bis hieher habe ich in mein Tagebuch, das die Geſpielen mir aus Hennegau mitgebracht, ſelbſt geſchrieben, das Fol¬ gende habe ich durch den Ring Salomonis hinein gedreht. In der Nacht vor meiner Trauung hatte ich folgenden ſeltſamen Traum. — Ich war mit Verena zu einem Erndte¬ feſt geladen und ſollte den Kranz flechten. Es war eine muͤhſelige Reiſe; wir gingen durch Waͤlder, Felder, Gaͤr¬ ten, Wildniß und Wuͤſte Jahrhunderte lang und kamen doch nicht weiter, als um Gockelsruh und Gelnhauſen herum. Es war, als bewegten wir nur die Fuͤße, blieben aber auf demſelben Fleck. Nur die Zeiten drehten ſich um uns. Un¬ zaͤhlige Male kamen wir durch die Hoͤfe und Gaͤrten von Gockelsruh und ſahen immer andere Geſichter, andere Klei¬ der und neue Grabſteine an der Schloßkapelle aufgerichtet. Von Zeit zu Zeit begegneten uns drei Kloſterfrauen aus Li¬ lienthal mit Lilien in den Haͤnden und acht Ordensgeſpielen aus Hennegau mit ihren Pflichthuͤhnern. Oft kuͤndete uns der Schrei eines Alecktryo, einer Gallina die Zeit; — Alles wechſelte um uns her, nur Eines fanden wir bei jeder Ruͤck¬ kehr feſtbeſtehend und geſund wieder — die treue, dunkel¬ laubige Linde, unter welcher Gockel mich von den Raͤubern befreit und mir den Ring gegeben hatte, breitete ihre Zweige immer reicher und muͤtterlicher umher, gleich einer Henne, die den Fruͤhling ausbruͤtet. O wie oft kamen wir voruͤber und waren wie die Bienen, die um ſie ſchwaͤrmten, trunken von dem Honigdufte des Fruͤhlings in ihren Bluͤthen, und ſahen ſie bald winterlich entlaubet und dann wieder bluͤhend. — Fuͤnfzig Mal mochten wir zur Linde gekommen ſeyn, da war ich ſo muͤd, ſo muͤd, und ſehnte mich wie ein Kind, in

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/382>, abgerufen am 25.11.2024.