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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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ten, das nur dann und wann das ferne Singen: "feuer¬
rothe Röselein" unterbrach. Klareta wnsch mir die Füße,
ich bedurfte es, sie hatte es gefühlt, ich nicht begehrt. Als
sie aber ihre langen Haare auflößte, um mir die Füße damit
zu trocknen, weigerte ich mich des Dienstes; sie aber flehte:
"o lasse es geschehen, diese Haare haben mir bis jetzt nur
zur Eitelkeit gedient, o lasse mich einen Dienst der dankba¬
ren Liebe mit ihnen verrichten, damit sie doch ein Verdienst
haben, wenn sie mir nun bald abgeschnitten werden!" -- ich
fügte mich ihrem Willen, aber ich war doch hart gegen sie,
indem ich ihre Hoffnung zum Kloster gar nicht zu kennen
schien und zu ihr sprach: "du wirst doch deine schönen Haare
nicht abschneiden lassen?" -- das that ihr weh, ich fühlte
ihre Thränen auf meine Füße rinnen. Da sprach ich: "ich
muß mir selbst helfen, sonst erneust du das Fußbad;" da
faßte ich ihre Haare und trocknete meine Füße. -- Ich weiß
nicht welches Gefühl mich erschütterte, als ich ihre Haare
faßte. Ich hatte sie unaussprechlich lieb -- das heißt, ich
hätte diese Neigung getödtet, wenn ich sie ausgesprochen. --
"Gieße das Wasser hinaus," sprach ich, "damit die Gräs¬
lein und die Gänseblümchen auch etwas von dem Feste ha¬
ben, es war so heiß heute, sie sänftigen ja alle unsre Schritte
mit solcher Liebe, wir nehmen es an, als verdienten wir es,
und treten sie mit Füßen, als verdienten sie das; so muß
man nicht seyn." -- Da ich nun hörte, daß sie das Wasser
ausgoß, sprach ich vernehmlich: "ach, wie das erquicket!
Klareta gieb mir auch zu trinken." -- Sie reichte mir ein
Glas frisches Wasser und hielt mir es erst durch eine Oeff¬
nung des Zeltes gegen den Sternhimmel, damit ich seine
Klarheit sehe. -- "Das ist klar wie Klareta," sagte ich
und trank und gab ihr den Rest und hatte das Gefühl, gar
liebreich gewesen zu seyn, schämte mich auch gar nicht, son¬
dern lächelte, wie sehr ich die Tugend gegen die Gänseblüm¬
chen empfahl, die ich gegen Klareta vernachläßigte. Ich

ten, das nur dann und wann das ferne Singen: „feuer¬
rothe Roͤſelein“ unterbrach. Klareta wnſch mir die Fuͤße,
ich bedurfte es, ſie hatte es gefuͤhlt, ich nicht begehrt. Als
ſie aber ihre langen Haare aufloͤßte, um mir die Fuͤße damit
zu trocknen, weigerte ich mich des Dienſtes; ſie aber flehte:
„o laſſe es geſchehen, dieſe Haare haben mir bis jetzt nur
zur Eitelkeit gedient, o laſſe mich einen Dienſt der dankba¬
ren Liebe mit ihnen verrichten, damit ſie doch ein Verdienſt
haben, wenn ſie mir nun bald abgeſchnitten werden!“ — ich
fuͤgte mich ihrem Willen, aber ich war doch hart gegen ſie,
indem ich ihre Hoffnung zum Kloſter gar nicht zu kennen
ſchien und zu ihr ſprach: „du wirſt doch deine ſchoͤnen Haare
nicht abſchneiden laſſen?“ — das that ihr weh, ich fuͤhlte
ihre Thraͤnen auf meine Fuͤße rinnen. Da ſprach ich: „ich
muß mir ſelbſt helfen, ſonſt erneuſt du das Fußbad;“ da
faßte ich ihre Haare und trocknete meine Fuͤße. — Ich weiß
nicht welches Gefuͤhl mich erſchuͤtterte, als ich ihre Haare
faßte. Ich hatte ſie unausſprechlich lieb — das heißt, ich
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lein und die Gaͤnſebluͤmchen auch etwas von dem Feſte ha¬
ben, es war ſo heiß heute, ſie ſaͤnftigen ja alle unſre Schritte
mit ſolcher Liebe, wir nehmen es an, als verdienten wir es,
und treten ſie mit Fuͤßen, als verdienten ſie das; ſo muß
man nicht ſeyn.“ — Da ich nun hoͤrte, daß ſie das Waſſer
ausgoß, ſprach ich vernehmlich: „ach, wie das erquicket!
Klareta gieb mir auch zu trinken.“ — Sie reichte mir ein
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nung des Zeltes gegen den Sternhimmel, damit ich ſeine
Klarheit ſehe. — „Das iſt klar wie Klareta,“ ſagte ich
und trank und gab ihr den Reſt und hatte das Gefuͤhl, gar
liebreich geweſen zu ſeyn, ſchaͤmte mich auch gar nicht, ſon¬
dern laͤchelte, wie ſehr ich die Tugend gegen die Gaͤnſebluͤm¬
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[314/0368] ten, das nur dann und wann das ferne Singen: „feuer¬ rothe Roͤſelein“ unterbrach. Klareta wnſch mir die Fuͤße, ich bedurfte es, ſie hatte es gefuͤhlt, ich nicht begehrt. Als ſie aber ihre langen Haare aufloͤßte, um mir die Fuͤße damit zu trocknen, weigerte ich mich des Dienſtes; ſie aber flehte: „o laſſe es geſchehen, dieſe Haare haben mir bis jetzt nur zur Eitelkeit gedient, o laſſe mich einen Dienſt der dankba¬ ren Liebe mit ihnen verrichten, damit ſie doch ein Verdienſt haben, wenn ſie mir nun bald abgeſchnitten werden!“ — ich fuͤgte mich ihrem Willen, aber ich war doch hart gegen ſie, indem ich ihre Hoffnung zum Kloſter gar nicht zu kennen ſchien und zu ihr ſprach: „du wirſt doch deine ſchoͤnen Haare nicht abſchneiden laſſen?“ — das that ihr weh, ich fuͤhlte ihre Thraͤnen auf meine Fuͤße rinnen. Da ſprach ich: „ich muß mir ſelbſt helfen, ſonſt erneuſt du das Fußbad;“ da faßte ich ihre Haare und trocknete meine Fuͤße. — Ich weiß nicht welches Gefuͤhl mich erſchuͤtterte, als ich ihre Haare faßte. Ich hatte ſie unausſprechlich lieb — das heißt, ich haͤtte dieſe Neigung getoͤdtet, wenn ich ſie ausgeſprochen. — „Gieße das Waſſer hinaus,“ ſprach ich, „damit die Graͤs¬ lein und die Gaͤnſebluͤmchen auch etwas von dem Feſte ha¬ ben, es war ſo heiß heute, ſie ſaͤnftigen ja alle unſre Schritte mit ſolcher Liebe, wir nehmen es an, als verdienten wir es, und treten ſie mit Fuͤßen, als verdienten ſie das; ſo muß man nicht ſeyn.“ — Da ich nun hoͤrte, daß ſie das Waſſer ausgoß, ſprach ich vernehmlich: „ach, wie das erquicket! Klareta gieb mir auch zu trinken.“ — Sie reichte mir ein Glas friſches Waſſer und hielt mir es erſt durch eine Oeff¬ nung des Zeltes gegen den Sternhimmel, damit ich ſeine Klarheit ſehe. — „Das iſt klar wie Klareta,“ ſagte ich und trank und gab ihr den Reſt und hatte das Gefuͤhl, gar liebreich geweſen zu ſeyn, ſchaͤmte mich auch gar nicht, ſon¬ dern laͤchelte, wie ſehr ich die Tugend gegen die Gaͤnſebluͤm¬ chen empfahl, die ich gegen Klareta vernachlaͤßigte. Ich

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/368>, abgerufen am 25.11.2024.