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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.

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bau den armen Schwestern ein Kloster Lilienthal, so Gott
dir helfe;" da gelobte ich es im Traume und es krähte ein
Hahn und die Löwen flohen, und Verena mit dem Hühn¬
lein Gallina kam zu mir, und der rettende Hahn steckte mir
einen Ring an den Finger. -- Bei dem Hahnenschrei erwachte
ich und hörte den Hahn, den die Bleicherinnen als Stun¬
denzeiger bei sich hatten, wirklich krähen. Auch hörte ich
Klareta vor meinem Zelte singen:

"Was hab ich dir gethan,
Was hast du mir gethan?
Schon mahnt der Hahn.
O senk die rothe Fahn',
O heb die weiße Fahn
Jetzt Himmel an!
O hör mein Leiden an,
Dann wird mein kranker Wahn
Dir unterthan.
Arm Kind von Hennegau!
Das Lilienkloster bau,
Schon sinkt der Thau."

Ich öffnete das Zelt, sie warf sich am untern Ende
meines Bettchens nieder und schloß meine Füße an ihr Herz
und wusch sie mit einem Strom von Thränen. -- Ich sprach:
"Klareta, warum thust du so?" -- Sie flüsterte: "aus
Dank und Liebe." -- Ich kann nicht sagen, wie sie mich
rührte, aber ich that mir Gewalt an. Da sie nun so weinte
und ihr Herz so heftig schlug, ward ich freundlich und sagte:
"setze dich zu mir, reiche mir deine Hand, ich will dir mei¬
nen Traum erzählen." -- Sie setzte sich zu meiner Seite,
faßte meine Hand, und ihre Stirne sank wie unwillkührlich
auf den Edelstein meiner rechten Schulterspange; denn es
ist ein altes Familiengesetz, daß eine Gräfinn von Vadutz
diese Kleinode selbst bei Nacht nicht ablegen darf. Ich zuckte
etwas zusammen, ihr Schleier war kalt und naß, ich fragte
um die Ursache, sie erwiederte: "Lilie kennst du den Thau

bau den armen Schweſtern ein Kloſter Lilienthal, ſo Gott
dir helfe;“ da gelobte ich es im Traume und es kraͤhte ein
Hahn und die Loͤwen flohen, und Verena mit dem Huͤhn¬
lein Gallina kam zu mir, und der rettende Hahn ſteckte mir
einen Ring an den Finger. — Bei dem Hahnenſchrei erwachte
ich und hoͤrte den Hahn, den die Bleicherinnen als Stun¬
denzeiger bei ſich hatten, wirklich kraͤhen. Auch hoͤrte ich
Klareta vor meinem Zelte ſingen:

„Was hab ich dir gethan,
Was haſt du mir gethan?
Schon mahnt der Hahn.
O ſenk die rothe Fahn',
O heb die weiße Fahn
Jetzt Himmel an!
O hoͤr mein Leiden an,
Dann wird mein kranker Wahn
Dir unterthan.
Arm Kind von Hennegau!
Das Lilienkloſter bau,
Schon ſinkt der Thau.“

Ich oͤffnete das Zelt, ſie warf ſich am untern Ende
meines Bettchens nieder und ſchloß meine Fuͤße an ihr Herz
und wuſch ſie mit einem Strom von Thraͤnen. — Ich ſprach:
„Klareta, warum thuſt du ſo?“ — Sie fluͤſterte: „aus
Dank und Liebe.“ — Ich kann nicht ſagen, wie ſie mich
ruͤhrte, aber ich that mir Gewalt an. Da ſie nun ſo weinte
und ihr Herz ſo heftig ſchlug, ward ich freundlich und ſagte:
„ſetze dich zu mir, reiche mir deine Hand, ich will dir mei¬
nen Traum erzaͤhlen.“ — Sie ſetzte ſich zu meiner Seite,
faßte meine Hand, und ihre Stirne ſank wie unwillkuͤhrlich
auf den Edelſtein meiner rechten Schulterſpange; denn es
iſt ein altes Familiengeſetz, daß eine Graͤfinn von Vadutz
dieſe Kleinode ſelbſt bei Nacht nicht ablegen darf. Ich zuckte
etwas zuſammen, ihr Schleier war kalt und naß, ich fragte
um die Urſache, ſie erwiederte: „Lilie kennſt du den Thau

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[276/0330] bau den armen Schweſtern ein Kloſter Lilienthal, ſo Gott dir helfe;“ da gelobte ich es im Traume und es kraͤhte ein Hahn und die Loͤwen flohen, und Verena mit dem Huͤhn¬ lein Gallina kam zu mir, und der rettende Hahn ſteckte mir einen Ring an den Finger. — Bei dem Hahnenſchrei erwachte ich und hoͤrte den Hahn, den die Bleicherinnen als Stun¬ denzeiger bei ſich hatten, wirklich kraͤhen. Auch hoͤrte ich Klareta vor meinem Zelte ſingen: „Was hab ich dir gethan, Was haſt du mir gethan? Schon mahnt der Hahn. O ſenk die rothe Fahn', O heb die weiße Fahn Jetzt Himmel an! O hoͤr mein Leiden an, Dann wird mein kranker Wahn Dir unterthan. Arm Kind von Hennegau! Das Lilienkloſter bau, Schon ſinkt der Thau.“ Ich oͤffnete das Zelt, ſie warf ſich am untern Ende meines Bettchens nieder und ſchloß meine Fuͤße an ihr Herz und wuſch ſie mit einem Strom von Thraͤnen. — Ich ſprach: „Klareta, warum thuſt du ſo?“ — Sie fluͤſterte: „aus Dank und Liebe.“ — Ich kann nicht ſagen, wie ſie mich ruͤhrte, aber ich that mir Gewalt an. Da ſie nun ſo weinte und ihr Herz ſo heftig ſchlug, ward ich freundlich und ſagte: „ſetze dich zu mir, reiche mir deine Hand, ich will dir mei¬ nen Traum erzaͤhlen.“ — Sie ſetzte ſich zu meiner Seite, faßte meine Hand, und ihre Stirne ſank wie unwillkuͤhrlich auf den Edelſtein meiner rechten Schulterſpange; denn es iſt ein altes Familiengeſetz, daß eine Graͤfinn von Vadutz dieſe Kleinode ſelbſt bei Nacht nicht ablegen darf. Ich zuckte etwas zuſammen, ihr Schleier war kalt und naß, ich fragte um die Urſache, ſie erwiederte: „Lilie kennſt du den Thau

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Zitationshilfe: Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/330>, abgerufen am 28.11.2024.