Orden zum Besten der Kinder zu stiften. Da küßte Verena mir mit Freudenthränen die Hände und sagte: "Schön Dank, tausend Dank für's fromme Hühnlein!" ich aber fragte mit lächelnder Neugierde: "und fürs Büblein?" -- Da sammelte sich Verena, ward ernsthaft und sagte wie ehe¬ dem: "das thut sein Sach!" -- Dann sprach ich noch mit ihr von meinem ersten Kirchengang und auch von meinem jetzigen Gewissenszustand. Sie wiederholte mir wie gewöhnlich alle meine Hauptfehler von Kind auf und dankte Gott mit mir, wie er mich gehütet, und mir Gnade gegeben, Manches zu bessern, und betete mit mir für die Zukunft. Ich kann nicht sagen, wie ihr Wesen mich immer rührte; als ich von ihr gieng, sagte sie: "Gnädigste Gräfin, o meine goldene Amey, ich danke viel tausendmahl, daß du noch immer so redlich zu mir kömmst, dein armes Herz zu erweichen, ehe du es mit Reuethränen vor Gott reinigest. -- Ja es ist hier bei mir nicht vergebens das Waschhaus! -- Morgen in aller Frühe werden in St. Peter die Ostereier gesegnet, und dann werde ich der gnädigen Amey das goldene Osterei unterthänigst überreichen." -- Hierauf verneigte sie sich tief und wollte den Saum meines Rockes küssen; aber ich schloß sie in die Arme und lud sie auf den Ostermontag in den Garten zu der Ordensstiftung ein. Sie lehnte es ab und sprach: "es ist besser, daß ich zurückgezogen für euch bete." Sie gab mir dann noch mancherlei Rath in dieser Sache und wir trennten uns mit dem gegenseitigen Wunsche eines gesegneten Oster¬ festes. Sie geleitete mich bis zur Wohnung des frommen Hühnchens. Mir war Angst und bang, es möge sich rühren, auch vor dem Büblein war mir bang; aber alles war still, und Verena flüsterte: "Gottes Segen mit dir, goldene Amey! Gallina mahnet nicht, du wirst nichts auf deinem Herzen behalten;" da gieng ich zur Kirche, wo meine Gespielen mich erwarteten, und behielt nichts auf meinem Herzen; o es war mir so leicht, so leicht, daß ich auf dem Rückweg ohne
Orden zum Beſten der Kinder zu ſtiften. Da kuͤßte Verena mir mit Freudenthraͤnen die Haͤnde und ſagte: „Schoͤn Dank, tauſend Dank fuͤr's fromme Huͤhnlein!“ ich aber fragte mit laͤchelnder Neugierde: „und fuͤrs Buͤblein?“ — Da ſammelte ſich Verena, ward ernſthaft und ſagte wie ehe¬ dem: „das thut ſein Sach!“ — Dann ſprach ich noch mit ihr von meinem erſten Kirchengang und auch von meinem jetzigen Gewiſſenszuſtand. Sie wiederholte mir wie gewoͤhnlich alle meine Hauptfehler von Kind auf und dankte Gott mit mir, wie er mich gehuͤtet, und mir Gnade gegeben, Manches zu beſſern, und betete mit mir fuͤr die Zukunft. Ich kann nicht ſagen, wie ihr Weſen mich immer ruͤhrte; als ich von ihr gieng, ſagte ſie: „Gnaͤdigſte Graͤfin, o meine goldene Amey, ich danke viel tauſendmahl, daß du noch immer ſo redlich zu mir koͤmmſt, dein armes Herz zu erweichen, ehe du es mit Reuethraͤnen vor Gott reinigeſt. — Ja es iſt hier bei mir nicht vergebens das Waſchhaus! — Morgen in aller Fruͤhe werden in St. Peter die Oſtereier geſegnet, und dann werde ich der gnaͤdigen Amey das goldene Oſterei unterthaͤnigſt uͤberreichen.“ — Hierauf verneigte ſie ſich tief und wollte den Saum meines Rockes kuͤſſen; aber ich ſchloß ſie in die Arme und lud ſie auf den Oſtermontag in den Garten zu der Ordensſtiftung ein. Sie lehnte es ab und ſprach: „es iſt beſſer, daß ich zuruͤckgezogen fuͤr euch bete.“ Sie gab mir dann noch mancherlei Rath in dieſer Sache und wir trennten uns mit dem gegenſeitigen Wunſche eines geſegneten Oſter¬ feſtes. Sie geleitete mich bis zur Wohnung des frommen Huͤhnchens. Mir war Angſt und bang, es moͤge ſich ruͤhren, auch vor dem Buͤblein war mir bang; aber alles war ſtill, und Verena fluͤſterte: „Gottes Segen mit dir, goldene Amey! Gallina mahnet nicht, du wirſt nichts auf deinem Herzen behalten;“ da gieng ich zur Kirche, wo meine Geſpielen mich erwarteten, und behielt nichts auf meinem Herzen; o es war mir ſo leicht, ſo leicht, daß ich auf dem Ruͤckweg ohne
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Orden zum Beſten der Kinder zu ſtiften. Da kuͤßte Verena
mir mit Freudenthraͤnen die Haͤnde und ſagte: „Schoͤn Dank,
tauſend Dank fuͤr's fromme Huͤhnlein!“ ich aber fragte
mit laͤchelnder Neugierde: „und fuͤrs Buͤblein?“ — Da
ſammelte ſich Verena, ward ernſthaft und ſagte wie ehe¬
dem: „das thut ſein Sach!“ — Dann ſprach ich noch mit ihr
von meinem erſten Kirchengang und auch von meinem jetzigen
Gewiſſenszuſtand. Sie wiederholte mir wie gewoͤhnlich alle
meine Hauptfehler von Kind auf und dankte Gott mit mir,
wie er mich gehuͤtet, und mir Gnade gegeben, Manches zu
beſſern, und betete mit mir fuͤr die Zukunft. Ich kann nicht
ſagen, wie ihr Weſen mich immer ruͤhrte; als ich von ihr
gieng, ſagte ſie: „Gnaͤdigſte Graͤfin, o meine goldene Amey,
ich danke viel tauſendmahl, daß du noch immer ſo redlich
zu mir koͤmmſt, dein armes Herz zu erweichen, ehe du es
mit Reuethraͤnen vor Gott reinigeſt. — Ja es iſt hier bei mir
nicht vergebens das Waſchhaus! — Morgen in aller Fruͤhe
werden in St. Peter die Oſtereier geſegnet, und dann werde
ich der gnaͤdigen Amey das goldene Oſterei unterthaͤnigſt
uͤberreichen.“ — Hierauf verneigte ſie ſich tief und wollte den
Saum meines Rockes kuͤſſen; aber ich ſchloß ſie in die
Arme und lud ſie auf den Oſtermontag in den Garten zu
der Ordensſtiftung ein. Sie lehnte es ab und ſprach: „es iſt
beſſer, daß ich zuruͤckgezogen fuͤr euch bete.“ Sie gab mir
dann noch mancherlei Rath in dieſer Sache und wir trennten
uns mit dem gegenſeitigen Wunſche eines geſegneten Oſter¬
feſtes. Sie geleitete mich bis zur Wohnung des frommen
Huͤhnchens. Mir war Angſt und bang, es moͤge ſich ruͤhren,
auch vor dem Buͤblein war mir bang; aber alles war ſtill,
und Verena fluͤſterte: „Gottes Segen mit dir, goldene Amey!
Gallina mahnet nicht, du wirſt nichts auf deinem Herzen
behalten;“ da gieng ich zur Kirche, wo meine Geſpielen mich
erwarteten, und behielt nichts auf meinem Herzen; o es
war mir ſo leicht, ſo leicht, daß ich auf dem Ruͤckweg ohne
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/301>, abgerufen am 22.11.2024.
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