ten Weinsberg frei heraustragen, wollte er sich nie trennen; immer buchstabirte er wieder die Unterschrift: "Exempel ehelicher Lieb und Treu deutscher Frauen gegen ihre Männer" und sah mich dabei gar freundlich an, ja ich mußte ihn länger, als mir lieb war, auf dem Rücken herumtragen, habe aber dennoch während dem das Gelübde gethan, wüßte ich, daß der Kaiser meinem Mann durch mich so aus dem Nachtgebiet der Natur könnte heraushelfen lassen, wie er jenen Weibern zugestanden, ihren Männern aus Weinsberg zu helfen, so wollte ich meinen Eheherrn bis nach Wien auf dem Rücken tragen. -- Jetzt aber habe ich diese Hülfe im Herrn Pfalzgrafen Diemringer viel näher und es wäre eine Schande, wenn ich wartete, bis er erst das Hereinragen aller Wald und Wassergeister in die Natur urkundlich dokumentirt hat und hierher zurückgekehrt ist. Nein das Emporra¬ gen ist meinem Herrn viel nöthiger, er hat schon bitterlich geweint, daß er die Wanduhr und den Bratenwender nicht aufziehen, den Vogelkäfig nicht herablassen, den Barometer nicht nachsehen, die Lichter auf dem Kronleuchter nicht ausblasen könne und alle Augen¬ blicke muß ich ihn in die Höhe heben. -- So will ich dann den Weinsbergerinnen nicht nachstehen; Morgen trage ich meinen lieben Herrn und Gebieter auf dem Rücken nach Staufenberg, um ihn durch den Herrn Pfalzgrafen aus dem Nachtgebiet heraus bringen zu las¬ sen. -- Indem ich nun alle meine anwesenden Freundinnen auffordere, in meine Fußstapfen zu treten, frage ich schließlich: "sollten die Geln¬ hauser Bubenschenkel, deren Ursprung niemand kennt, und die wir so oft in schwerer Ladung auf dem Rücken in der Gegend umher zu Markte tragen müssen, nicht ein prophetisches Backwerk seyn, welches Morgen in Erfüllung geht, wenn wir unsre verkindeten Angehörigen nach Staufenberg tragen?" -- Allgemeiner Beifall krönte den Ent¬ schluß und Vorschlag der hochherzigen Frau. -- Am folgenden Mor¬ gen sah man sie und einige zwanzig andere Gelnhauser Frauen und Männer mit ihren Verkindeten Ehehälften auf dem Rücken oder Arm gen Staufenberg in die Ortenau zu Herrn Pfalzgraf Diemringer wallfahrten; dem Erfolg wird mit gespannter Erwartung entgegen¬ gesehen.
Die Schottländische breite Countesse, welche am Schlusse obiger Wunderbegebenheit als Kind von St. Eduards Stuhl mit den Engeln emporgestiegen, soll nach den neuesten Beobachtungen des jungen Herschels auf dem Vorgebirg der guten Hoffnung wirklich im Monde
ten Weinsberg frei heraustragen, wollte er ſich nie trennen; immer buchſtabirte er wieder die Unterſchrift: „Exempel ehelicher Lieb und Treu deutſcher Frauen gegen ihre Maͤnner“ und ſah mich dabei gar freundlich an, ja ich mußte ihn laͤnger, als mir lieb war, auf dem Ruͤcken herumtragen, habe aber dennoch waͤhrend dem das Geluͤbde gethan, wuͤßte ich, daß der Kaiſer meinem Mann durch mich ſo aus dem Nachtgebiet der Natur koͤnnte heraushelfen laſſen, wie er jenen Weibern zugeſtanden, ihren Maͤnnern aus Weinsberg zu helfen, ſo wollte ich meinen Eheherrn bis nach Wien auf dem Ruͤcken tragen. — Jetzt aber habe ich dieſe Huͤlfe im Herrn Pfalzgrafen Diemringer viel naͤher und es waͤre eine Schande, wenn ich wartete, bis er erſt das Hereinragen aller Wald und Waſſergeiſter in die Natur urkundlich dokumentirt hat und hierher zuruͤckgekehrt iſt. Nein das Emporra¬ gen iſt meinem Herrn viel noͤthiger, er hat ſchon bitterlich geweint, daß er die Wanduhr und den Bratenwender nicht aufziehen, den Vogelkaͤfig nicht herablaſſen, den Barometer nicht nachſehen, die Lichter auf dem Kronleuchter nicht ausblaſen koͤnne und alle Augen¬ blicke muß ich ihn in die Hoͤhe heben. — So will ich dann den Weinsbergerinnen nicht nachſtehen; Morgen trage ich meinen lieben Herrn und Gebieter auf dem Ruͤcken nach Staufenberg, um ihn durch den Herrn Pfalzgrafen aus dem Nachtgebiet heraus bringen zu laſ¬ ſen. — Indem ich nun alle meine anweſenden Freundinnen auffordere, in meine Fußſtapfen zu treten, frage ich ſchließlich: „ſollten die Geln¬ hauſer Bubenſchenkel, deren Urſprung niemand kennt, und die wir ſo oft in ſchwerer Ladung auf dem Ruͤcken in der Gegend umher zu Markte tragen muͤſſen, nicht ein prophetiſches Backwerk ſeyn, welches Morgen in Erfuͤllung geht, wenn wir unſre verkindeten Angehoͤrigen nach Staufenberg tragen?“ — Allgemeiner Beifall kroͤnte den Ent¬ ſchluß und Vorſchlag der hochherzigen Frau. — Am folgenden Mor¬ gen ſah man ſie und einige zwanzig andere Gelnhauſer Frauen und Maͤnner mit ihren Verkindeten Ehehaͤlften auf dem Ruͤcken oder Arm gen Staufenberg in die Ortenau zu Herrn Pfalzgraf Diemringer wallfahrten; dem Erfolg wird mit geſpannter Erwartung entgegen¬ geſehen.
Die Schottlaͤndiſche breite Counteſſe, welche am Schluſſe obiger Wunderbegebenheit als Kind von St. Eduards Stuhl mit den Engeln emporgeſtiegen, ſoll nach den neueſten Beobachtungen des jungen Herſchels auf dem Vorgebirg der guten Hoffnung wirklich im Monde
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ten Weinsberg frei heraustragen, wollte er ſich nie trennen; immer
buchſtabirte er wieder die Unterſchrift: „Exempel ehelicher Lieb und
Treu deutſcher Frauen gegen ihre Maͤnner“ und ſah mich dabei gar
freundlich an, ja ich mußte ihn laͤnger, als mir lieb war, auf dem
Ruͤcken herumtragen, habe aber dennoch waͤhrend dem das Geluͤbde
gethan, wuͤßte ich, daß der Kaiſer meinem Mann durch mich ſo aus
dem Nachtgebiet der Natur koͤnnte heraushelfen laſſen, wie er jenen
Weibern zugeſtanden, ihren Maͤnnern aus Weinsberg zu helfen, ſo
wollte ich meinen Eheherrn bis nach Wien auf dem Ruͤcken tragen. —
Jetzt aber habe ich dieſe Huͤlfe im Herrn Pfalzgrafen Diemringer viel
naͤher und es waͤre eine Schande, wenn ich wartete, bis er erſt das
Hereinragen aller Wald und Waſſergeiſter in die Natur urkundlich
dokumentirt hat und hierher zuruͤckgekehrt iſt. Nein das Emporra¬
gen iſt meinem Herrn viel noͤthiger, er hat ſchon bitterlich geweint,
daß er die Wanduhr und den Bratenwender nicht aufziehen, den
Vogelkaͤfig nicht herablaſſen, den Barometer nicht nachſehen, die
Lichter auf dem Kronleuchter nicht ausblaſen koͤnne und alle Augen¬
blicke muß ich ihn in die Hoͤhe heben. — So will ich dann den
Weinsbergerinnen nicht nachſtehen; Morgen trage ich meinen lieben
Herrn und Gebieter auf dem Ruͤcken nach Staufenberg, um ihn durch
den Herrn Pfalzgrafen aus dem Nachtgebiet heraus bringen zu laſ¬
ſen. — Indem ich nun alle meine anweſenden Freundinnen auffordere,
in meine Fußſtapfen zu treten, frage ich ſchließlich: „ſollten die Geln¬
hauſer Bubenſchenkel, deren Urſprung niemand kennt, und die wir
ſo oft in ſchwerer Ladung auf dem Ruͤcken in der Gegend umher zu
Markte tragen muͤſſen, nicht ein prophetiſches Backwerk ſeyn, welches
Morgen in Erfuͤllung geht, wenn wir unſre verkindeten Angehoͤrigen
nach Staufenberg tragen?“ — Allgemeiner Beifall kroͤnte den Ent¬
ſchluß und Vorſchlag der hochherzigen Frau. — Am folgenden Mor¬
gen ſah man ſie und einige zwanzig andere Gelnhauſer Frauen und
Maͤnner mit ihren Verkindeten Ehehaͤlften auf dem Ruͤcken oder Arm
gen Staufenberg in die Ortenau zu Herrn Pfalzgraf Diemringer
wallfahrten; dem Erfolg wird mit geſpannter Erwartung entgegen¬
geſehen.
Die Schottlaͤndiſche breite Counteſſe, welche am Schluſſe obiger
Wunderbegebenheit als Kind von St. Eduards Stuhl mit den Engeln
emporgeſtiegen, ſoll nach den neueſten Beobachtungen des jungen
Herſchels auf dem Vorgebirg der guten Hoffnung wirklich im Monde
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/290>, abgerufen am 23.11.2024.
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