und sagte: "es sind gar keine Bilder darin, das ist Schade, es ist mir auch jetzt ganz unleserlich zu Muthe; mir ist so lustig und kindisch, daß ich mich ordentlich zusammennehmen muß, um mich nicht da auf den Tisch hinauf auf mein Kin¬ derstühlchen zu setzen und mit den Füßen zu pampeln. So lächerlich, ja unmöglich dieses bei meiner allzu großmächtigen Figur nun scheint, muß ich dennoch leiblich dagegen kämpfen; denn mein Seelchen sitzt wirklich schon darauf und läßt jeder¬ mann seine schönen, neuen, rothen Schuhe bewundern. Nein, jetzt lese ich nicht -- ich habe eine große Angst, wieder in die Untersuchungen alttestamentarischer Antiquitäten zu fallen, mir ist, als verstünde ich jetzt erst den Stein Jakobs recht, mir ist, als stiege ich mit den Engeln auf der Himmelslei¬ ter, die er auf diesem Steine schlafend im Traume gesehen, auf und nieder, und wir spielten zusammen und einer von ihnen hat mir gesagt: "sey ein frommes Kind, laufe nicht in alle Gassen hinein, halte dich hübsch fest an der Schürze der Mutter und trau den falschen Ammen nicht -- die treuen Kinder wird die Mutter gewiß zum lieben Vater bringen, und da giebt es Kuchen und Herz, was verlangst du?" -- seht, so ist mir -- ich will mir keine neuen Skrupel in den Kopf setzen; aber ich will Euch hernach doch aus dem Buche lesen -- jetzt nun hätte ich vor mein Leben gern, daß die liebe Gackeleia mir und uns Allen das wünsche, was ihr das Liebste und uns Allen das Nützlichste und Gott das Wohl¬ gefälligste, am Ende aber ein wenig plaisirlich für jedermann wäre. -- Wünsche, Gackeleia, wünsche, bitte, bitte, bitte!" -- Die große majestätische Schottländerin sagte dies so von gan¬ zen Herzen, so ganz wie ein unschuldiges Kind, das erst der Flamme des Lichtes mit den Händchen winkt, und weil sie nicht gleich naht, unbesorgt hinein greift, ja so ganz von Herzen, daß sie in ihrer jetzigen Aeußerung einem schönen, schimmernden Schmetterling glich, der sich aus der finsteren Hülle einer Puppe, wie aus einem Kerker hervorwindet, die
und ſagte: „es ſind gar keine Bilder darin, das iſt Schade, es iſt mir auch jetzt ganz unleſerlich zu Muthe; mir iſt ſo luſtig und kindiſch, daß ich mich ordentlich zuſammennehmen muß, um mich nicht da auf den Tiſch hinauf auf mein Kin¬ derſtuͤhlchen zu ſetzen und mit den Fuͤßen zu pampeln. So laͤcherlich, ja unmoͤglich dieſes bei meiner allzu großmaͤchtigen Figur nun ſcheint, muß ich dennoch leiblich dagegen kaͤmpfen; denn mein Seelchen ſitzt wirklich ſchon darauf und laͤßt jeder¬ mann ſeine ſchoͤnen, neuen, rothen Schuhe bewundern. Nein, jetzt leſe ich nicht — ich habe eine große Angſt, wieder in die Unterſuchungen altteſtamentariſcher Antiquitaͤten zu fallen, mir iſt, als verſtuͤnde ich jetzt erſt den Stein Jakobs recht, mir iſt, als ſtiege ich mit den Engeln auf der Himmelslei¬ ter, die er auf dieſem Steine ſchlafend im Traume geſehen, auf und nieder, und wir ſpielten zuſammen und einer von ihnen hat mir geſagt: „ſey ein frommes Kind, laufe nicht in alle Gaſſen hinein, halte dich huͤbſch feſt an der Schuͤrze der Mutter und trau den falſchen Ammen nicht — die treuen Kinder wird die Mutter gewiß zum lieben Vater bringen, und da giebt es Kuchen und Herz, was verlangſt du?“ — ſeht, ſo iſt mir — ich will mir keine neuen Skrupel in den Kopf ſetzen; aber ich will Euch hernach doch aus dem Buche leſen — jetzt nun haͤtte ich vor mein Leben gern, daß die liebe Gackeleia mir und uns Allen das wuͤnſche, was ihr das Liebſte und uns Allen das Nuͤtzlichſte und Gott das Wohl¬ gefaͤlligſte, am Ende aber ein wenig plaiſirlich fuͤr jedermann waͤre. — Wuͤnſche, Gackeleia, wuͤnſche, bitte, bitte, bitte!“ — Die große majeſtaͤtiſche Schottlaͤnderin ſagte dies ſo von gan¬ zen Herzen, ſo ganz wie ein unſchuldiges Kind, das erſt der Flamme des Lichtes mit den Haͤndchen winkt, und weil ſie nicht gleich naht, unbeſorgt hinein greift, ja ſo ganz von Herzen, daß ſie in ihrer jetzigen Aeußerung einem ſchoͤnen, ſchimmernden Schmetterling glich, der ſich aus der finſteren Huͤlle einer Puppe, wie aus einem Kerker hervorwindet, die
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und ſagte: „es ſind gar keine Bilder darin, das iſt Schade,
es iſt mir auch jetzt ganz unleſerlich zu Muthe; mir iſt ſo
luſtig und kindiſch, daß ich mich ordentlich zuſammennehmen
muß, um mich nicht da auf den Tiſch hinauf auf mein Kin¬
derſtuͤhlchen zu ſetzen und mit den Fuͤßen zu pampeln. So
laͤcherlich, ja unmoͤglich dieſes bei meiner allzu großmaͤchtigen
Figur nun ſcheint, muß ich dennoch leiblich dagegen kaͤmpfen;
denn mein Seelchen ſitzt wirklich ſchon darauf und laͤßt jeder¬
mann ſeine ſchoͤnen, neuen, rothen Schuhe bewundern. Nein,
jetzt leſe ich nicht — ich habe eine große Angſt, wieder in
die Unterſuchungen altteſtamentariſcher Antiquitaͤten zu fallen,
mir iſt, als verſtuͤnde ich jetzt erſt den Stein Jakobs recht,
mir iſt, als ſtiege ich mit den Engeln auf der Himmelslei¬
ter, die er auf dieſem Steine ſchlafend im Traume geſehen,
auf und nieder, und wir ſpielten zuſammen und einer von
ihnen hat mir geſagt: „ſey ein frommes Kind, laufe nicht in
alle Gaſſen hinein, halte dich huͤbſch feſt an der Schuͤrze
der Mutter und trau den falſchen Ammen nicht — die treuen
Kinder wird die Mutter gewiß zum lieben Vater bringen,
und da giebt es Kuchen und Herz, was verlangſt du?“ —
ſeht, ſo iſt mir — ich will mir keine neuen Skrupel in den
Kopf ſetzen; aber ich will Euch hernach doch aus dem Buche
leſen — jetzt nun haͤtte ich vor mein Leben gern, daß die
liebe Gackeleia mir und uns Allen das wuͤnſche, was ihr das
Liebſte und uns Allen das Nuͤtzlichſte und Gott das Wohl¬
gefaͤlligſte, am Ende aber ein wenig plaiſirlich fuͤr jedermann
waͤre. — Wuͤnſche, Gackeleia, wuͤnſche, bitte, bitte, bitte!“ —
Die große majeſtaͤtiſche Schottlaͤnderin ſagte dies ſo von gan¬
zen Herzen, ſo ganz wie ein unſchuldiges Kind, das erſt der
Flamme des Lichtes mit den Haͤndchen winkt, und weil ſie
nicht gleich naht, unbeſorgt hinein greift, ja ſo ganz von
Herzen, daß ſie in ihrer jetzigen Aeußerung einem ſchoͤnen,
ſchimmernden Schmetterling glich, der ſich aus der finſteren
Huͤlle einer Puppe, wie aus einem Kerker hervorwindet, die
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Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/272>, abgerufen am 24.11.2024.
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