Teig auf den Boden seines Tellers, dann begehrte er einen frischen Teller und ließ den andern am Tische von Hand zu Hand gehen, was ein großes Aufsehen unter allen Gästen machte. Als nun Gackeleias Bild zu Kronovus und des Kronovus Bild zu Gackeleia kam, fanden diese sich so ge¬ troffen, daß sie sich freßlieb gewannen, und das wurde auf einmal Mode am Tisch, Einer aß des Andern Bild auf. Da drehte Gackeleia, die melancholische Kounteß auch wieder durch eine Artigkeit zu erheitern, den Ring Salomonis, daß alle ihre Lebzelten-Vorältern neben ihr leben und mit ihr spre¬ chen möchten und eben so möchten die neugeformten Gesich¬ ter mit dem Lebküchler thun. Das gab nun einen seltsamen Spaß, die alten Schottischen Könige fiengen an mit der Kounteß, und dann unter einander von dem Stein Jakobs zu disputiren und zwar sehr heftig, die Gesichter, welche der Künstler auf die Teller formte, schnitten Gesichter und streckten ihm die Zunge heraus, er wurde unwillig darüber, knetete ihnen die Mäuler zu, da bliesen sie dann die Backen auf, kurz es ward eine stäte Abwechslung von Grimassen. Da nun alle die Könige anfiengen, dem Meth und Aepfel¬ wein tüchtig zu zusprechen und auch dem Lebküchler häufig zutranken, gab es Streit und sie warfen sich die Teller ins Gesicht und modellirten sich ganz grandios mit den Humpen auf den Köpfen herum. Diese alten Schotten- Könige hatten eine Art Bauernkrieg unter einander und bald war dieser bald jener Trumpf, -- und dazwischen wurde immer vom Stein Jakobs geschrieen, ohne daß sie irgend ei¬ nig werden konnten. Alles das ward der guten Kounteß ein Stein des Anstoßes, sie wußte gar nicht mehr, was sie von ihren Altvorderen halten sollte, sie kam zitternd und be¬ bend mit ihrem Kinderstühlchen zu Gackeleia gelaufen und lehnte ihren großen Kopf Hilfe suchend, da Gackeleia, um dem Streite zu zusehen, auf den Stuhl gestiegen war, ganz bequem gegen das Achselband ihrer rechten Schulter mit den
Teig auf den Boden ſeines Tellers, dann begehrte er einen friſchen Teller und ließ den andern am Tiſche von Hand zu Hand gehen, was ein großes Aufſehen unter allen Gaͤſten machte. Als nun Gackeleias Bild zu Kronovus und des Kronovus Bild zu Gackeleia kam, fanden dieſe ſich ſo ge¬ troffen, daß ſie ſich freßlieb gewannen, und das wurde auf einmal Mode am Tiſch, Einer aß des Andern Bild auf. Da drehte Gackeleia, die melancholiſche Kounteß auch wieder durch eine Artigkeit zu erheitern, den Ring Salomonis, daß alle ihre Lebzelten-Voraͤltern neben ihr leben und mit ihr ſpre¬ chen moͤchten und eben ſo moͤchten die neugeformten Geſich¬ ter mit dem Lebkuͤchler thun. Das gab nun einen ſeltſamen Spaß, die alten Schottiſchen Koͤnige fiengen an mit der Kounteß, und dann unter einander von dem Stein Jakobs zu diſputiren und zwar ſehr heftig, die Geſichter, welche der Kuͤnſtler auf die Teller formte, ſchnitten Geſichter und ſtreckten ihm die Zunge heraus, er wurde unwillig daruͤber, knetete ihnen die Maͤuler zu, da blieſen ſie dann die Backen auf, kurz es ward eine ſtaͤte Abwechslung von Grimaſſen. Da nun alle die Koͤnige anfiengen, dem Meth und Aepfel¬ wein tuͤchtig zu zuſprechen und auch dem Lebkuͤchler haͤufig zutranken, gab es Streit und ſie warfen ſich die Teller ins Geſicht und modellirten ſich ganz grandios mit den Humpen auf den Koͤpfen herum. Dieſe alten Schotten- Koͤnige hatten eine Art Bauernkrieg unter einander und bald war dieſer bald jener Trumpf, — und dazwiſchen wurde immer vom Stein Jakobs geſchrieen, ohne daß ſie irgend ei¬ nig werden konnten. Alles das ward der guten Kounteß ein Stein des Anſtoßes, ſie wußte gar nicht mehr, was ſie von ihren Altvorderen halten ſollte, ſie kam zitternd und be¬ bend mit ihrem Kinderſtuͤhlchen zu Gackeleia gelaufen und lehnte ihren großen Kopf Hilfe ſuchend, da Gackeleia, um dem Streite zu zuſehen, auf den Stuhl geſtiegen war, ganz bequem gegen das Achſelband ihrer rechten Schulter mit den
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0270"n="218"/>
Teig auf den Boden ſeines Tellers, dann begehrte er einen<lb/>
friſchen Teller und ließ den andern am Tiſche von Hand<lb/>
zu Hand gehen, was ein großes Aufſehen unter allen Gaͤſten<lb/>
machte. Als nun Gackeleias Bild zu Kronovus und des<lb/>
Kronovus Bild zu Gackeleia kam, fanden dieſe ſich ſo ge¬<lb/>
troffen, daß ſie ſich freßlieb gewannen, und das wurde auf<lb/>
einmal Mode am Tiſch, Einer aß des Andern Bild auf.<lb/>
Da drehte Gackeleia, die melancholiſche Kounteß auch wieder<lb/>
durch eine Artigkeit zu erheitern, den Ring Salomonis, daß alle<lb/>
ihre Lebzelten-Voraͤltern neben ihr leben und mit ihr ſpre¬<lb/>
chen moͤchten und eben ſo moͤchten die neugeformten Geſich¬<lb/>
ter mit dem Lebkuͤchler thun. Das gab nun einen ſeltſamen<lb/>
Spaß, die alten Schottiſchen Koͤnige fiengen an mit der<lb/>
Kounteß, und dann unter einander von dem Stein Jakobs<lb/>
zu diſputiren und zwar ſehr heftig, die Geſichter, welche<lb/>
der Kuͤnſtler auf die Teller formte, ſchnitten Geſichter und<lb/>ſtreckten ihm die Zunge heraus, er wurde unwillig daruͤber,<lb/>
knetete ihnen die Maͤuler zu, da blieſen ſie dann die Backen<lb/>
auf, kurz es ward eine ſtaͤte Abwechslung von Grimaſſen.<lb/>
Da nun alle die Koͤnige anfiengen, dem Meth und Aepfel¬<lb/>
wein tuͤchtig zu zuſprechen und auch dem Lebkuͤchler haͤufig<lb/>
zutranken, gab es Streit und ſie warfen ſich die Teller<lb/>
ins Geſicht und modellirten ſich ganz grandios mit den<lb/>
Humpen auf den Koͤpfen herum. Dieſe alten Schotten-<lb/>
Koͤnige hatten eine Art Bauernkrieg unter einander und bald<lb/>
war dieſer bald jener Trumpf, — und dazwiſchen wurde<lb/>
immer vom Stein Jakobs geſchrieen, ohne daß ſie irgend ei¬<lb/>
nig werden konnten. Alles das ward der guten Kounteß<lb/>
ein Stein des Anſtoßes, ſie wußte gar nicht mehr, was ſie<lb/>
von ihren Altvorderen halten ſollte, ſie kam zitternd und be¬<lb/>
bend mit ihrem Kinderſtuͤhlchen zu Gackeleia gelaufen und<lb/>
lehnte ihren großen Kopf Hilfe ſuchend, da Gackeleia, um<lb/>
dem Streite zu zuſehen, auf den Stuhl geſtiegen war, ganz<lb/>
bequem gegen das Achſelband ihrer rechten Schulter mit den<lb/></p></div></body></text></TEI>
[218/0270]
Teig auf den Boden ſeines Tellers, dann begehrte er einen
friſchen Teller und ließ den andern am Tiſche von Hand
zu Hand gehen, was ein großes Aufſehen unter allen Gaͤſten
machte. Als nun Gackeleias Bild zu Kronovus und des
Kronovus Bild zu Gackeleia kam, fanden dieſe ſich ſo ge¬
troffen, daß ſie ſich freßlieb gewannen, und das wurde auf
einmal Mode am Tiſch, Einer aß des Andern Bild auf.
Da drehte Gackeleia, die melancholiſche Kounteß auch wieder
durch eine Artigkeit zu erheitern, den Ring Salomonis, daß alle
ihre Lebzelten-Voraͤltern neben ihr leben und mit ihr ſpre¬
chen moͤchten und eben ſo moͤchten die neugeformten Geſich¬
ter mit dem Lebkuͤchler thun. Das gab nun einen ſeltſamen
Spaß, die alten Schottiſchen Koͤnige fiengen an mit der
Kounteß, und dann unter einander von dem Stein Jakobs
zu diſputiren und zwar ſehr heftig, die Geſichter, welche
der Kuͤnſtler auf die Teller formte, ſchnitten Geſichter und
ſtreckten ihm die Zunge heraus, er wurde unwillig daruͤber,
knetete ihnen die Maͤuler zu, da blieſen ſie dann die Backen
auf, kurz es ward eine ſtaͤte Abwechslung von Grimaſſen.
Da nun alle die Koͤnige anfiengen, dem Meth und Aepfel¬
wein tuͤchtig zu zuſprechen und auch dem Lebkuͤchler haͤufig
zutranken, gab es Streit und ſie warfen ſich die Teller
ins Geſicht und modellirten ſich ganz grandios mit den
Humpen auf den Koͤpfen herum. Dieſe alten Schotten-
Koͤnige hatten eine Art Bauernkrieg unter einander und bald
war dieſer bald jener Trumpf, — und dazwiſchen wurde
immer vom Stein Jakobs geſchrieen, ohne daß ſie irgend ei¬
nig werden konnten. Alles das ward der guten Kounteß
ein Stein des Anſtoßes, ſie wußte gar nicht mehr, was ſie
von ihren Altvorderen halten ſollte, ſie kam zitternd und be¬
bend mit ihrem Kinderſtuͤhlchen zu Gackeleia gelaufen und
lehnte ihren großen Kopf Hilfe ſuchend, da Gackeleia, um
dem Streite zu zuſehen, auf den Stuhl geſtiegen war, ganz
bequem gegen das Achſelband ihrer rechten Schulter mit den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/270>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.