Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838.ewige Zeiten drei weiße Lilien auf meinem Grabe zu erhal¬ "Ihr Lilien im Garten Gedenket der Nacht, Gedenket der Zarten, Die bei euch gewacht; Gedenket der Gnade, Die auf euch gethaut, Und duftet am Pfade Der lieblichen Braut, Und bittet am Grabe, In dem sie nun ruht, Daß Friede sie habe, Die lieb war und gut." Da neigten sich die drei weißen Klosterfrauen gegen die "O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!" Hierauf nahte die Mutter Gackeleias dem Sarge und 14
ewige Zeiten drei weiße Lilien auf meinem Grabe zu erhal¬ „Ihr Lilien im Garten Gedenket der Nacht, Gedenket der Zarten, Die bei euch gewacht; Gedenket der Gnade, Die auf euch gethaut, Und duftet am Pfade Der lieblichen Braut, Und bittet am Grabe, In dem ſie nun ruht, Daß Friede ſie habe, Die lieb war und gut.“ Da neigten ſich die drei weißen Kloſterfrauen gegen die „O Stern und Blume, Geiſt und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!“ Hierauf nahte die Mutter Gackeleias dem Sarge und 14
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ewige Zeiten drei weiße Lilien auf meinem Grabe zu erhal¬
ten. — Es ſind aber dieſe drei Kloſterſchweſtern bei ſolcher
Gelegenheit mit den Worten aufzurufen:
„Ihr Lilien im Garten
Gedenket der Nacht,
Gedenket der Zarten,
Die bei euch gewacht;
Gedenket der Gnade,
Die auf euch gethaut,
Und duftet am Pfade
Der lieblichen Braut,
Und bittet am Grabe,
In dem ſie nun ruht,
Daß Friede ſie habe,
Die lieb war und gut.“
Da neigten ſich die drei weißen Kloſterfrauen gegen die
rechte Schulter der Ahnfrau und man hoͤrte die Worte wieder:
„O Stern und Blume, Geiſt und Kleid,
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!“
Hierauf nahte die Mutter Gackeleias dem Sarge und
legte vier der acht Amaranthbaͤnder, die von dem Guͤrtel der
Ahnfrau ausliefen, zur rechten und vier zur linken Seite des
Sarges heraus, und indem ſie die weiten Aermel ein wenig
uͤber den hagern elfenbeinernen Haͤnden der Ahnfrau in die
Hoͤhe zog, ſprach ſie: „ſieh Gackeleia, da bewaͤhrt ſich das
Sprichwort wieder — an der Klaue kennt man den Loͤwen
und an der Hand die Graͤfin von Hennegau. — Wenn wir
es auch nicht wuͤßten, ſo wuͤrden uns dieſe Haͤnde ſagen,
daß ſie der Graͤfin Amey von Hennegau gehoͤren. Sieh, Ga¬
ckeleia, von ihr haben wir die ſogenannten Hennegauiſchen
Dockadaumen oder Gnadendaumen geerbt.“ Gackeleia kuͤßte
die Haͤnde der Ahnfrau ehrerbietig, indem ſie den Vater
fragte, woher denn der Name Hennegauiſche Gnadendau¬
men komme; da erwiederte Gockel: „die ganze Hennegaui¬
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