über den dreißig Eiern brütete, und von einer Wand zur an¬ dern ruhte eine alte Lanze in zwei Mauerlöchern, auf wel¬ cher sitzend der schwarze Alektryo Nachts zu schlafen pflegte. Der Hühnerstall war der einzige Raum in dem alten Schloße, der noch bewohnbar unter Dach und Fach stand.
Zu Olims Zeiten, wo Dieses und Jenes geschehen ist, war dieses Schloß eines der herrlichsten und deutlichsten in ganz Deutschland; aber die Franzosen haben es so übel mit¬ genommen, daß sie es recht abscheulich zurückließen. Ihr König Hahnri hatte gesagt, jeder Franzose solle Sonntags ein Huhn, und wenn keines zu haben sei, ein Hinkel in den Topf stecken und sich eine Suppe kochen. Darauf hielten sie streng, und sahen sich überall um, wie jeder zu seinem Huhn kommen könne. Als sie nun zu Haus mit den Hüh¬ nern fertig waren, machten sie nicht viel Federlesens und hatten bald mit diesem, bald mit jenem Nachbarn ein Hühn¬ chen zu pflücken. Sie sahen die Landkarte wie einen Spei¬ sezettel an, wo etwas von Henne, Huhn oder Hahn stand, das strichen sie mit rother Tinte an und giengen mit Küchen¬ messer und Bratspieß darauf los. So giengen sie über den Hanebach, steckten Groß- und Kleinhüningen in den Topf, und kamen dann auch bis in das Hanauer Land. Als sie nun Gockelsruh, das herrliche Schloß der Raugrafen von Hanau, im Walde fanden, wo damals der Großvater Go¬ ckels wohnte, statuirten sie ein Exempel, schnitten allen Hüh¬ nern die Hälse ab, steckten sie in den Topf und den rothen Hahn auf das Dach, das heißt, sie machten ein so gutes Feuerchen unter den Topf, daß die lichte Lohe zum Dach herausschlug und Gockelsruh darüber verbrannte. Dann giengen sie weiter nach Hünefeld und Hunhaun und sind noch lang unterwegs geblieben.
Als sie abgespeist hatten, gieng Gockels Großvater, der mit seiner Familie und dem Stamm-, Erb und Wappen¬
uͤber den dreißig Eiern bruͤtete, und von einer Wand zur an¬ dern ruhte eine alte Lanze in zwei Mauerloͤchern, auf wel¬ cher ſitzend der ſchwarze Alektryo Nachts zu ſchlafen pflegte. Der Huͤhnerſtall war der einzige Raum in dem alten Schloße, der noch bewohnbar unter Dach und Fach ſtand.
Zu Olims Zeiten, wo Dieſes und Jenes geſchehen iſt, war dieſes Schloß eines der herrlichſten und deutlichſten in ganz Deutſchland; aber die Franzoſen haben es ſo uͤbel mit¬ genommen, daß ſie es recht abſcheulich zuruͤckließen. Ihr Koͤnig Hahnri hatte geſagt, jeder Franzoſe ſolle Sonntags ein Huhn, und wenn keines zu haben ſei, ein Hinkel in den Topf ſtecken und ſich eine Suppe kochen. Darauf hielten ſie ſtreng, und ſahen ſich uͤberall um, wie jeder zu ſeinem Huhn kommen koͤnne. Als ſie nun zu Haus mit den Huͤh¬ nern fertig waren, machten ſie nicht viel Federleſens und hatten bald mit dieſem, bald mit jenem Nachbarn ein Huͤhn¬ chen zu pfluͤcken. Sie ſahen die Landkarte wie einen Spei¬ ſezettel an, wo etwas von Henne, Huhn oder Hahn ſtand, das ſtrichen ſie mit rother Tinte an und giengen mit Kuͤchen¬ meſſer und Bratſpieß darauf los. So giengen ſie uͤber den Hanebach, ſteckten Groß- und Kleinhuͤningen in den Topf, und kamen dann auch bis in das Hanauer Land. Als ſie nun Gockelsruh, das herrliche Schloß der Raugrafen von Hanau, im Walde fanden, wo damals der Großvater Go¬ ckels wohnte, ſtatuirten ſie ein Exempel, ſchnitten allen Huͤh¬ nern die Haͤlſe ab, ſteckten ſie in den Topf und den rothen Hahn auf das Dach, das heißt, ſie machten ein ſo gutes Feuerchen unter den Topf, daß die lichte Lohe zum Dach herausſchlug und Gockelsruh daruͤber verbrannte. Dann giengen ſie weiter nach Huͤnefeld und Hunhaun und ſind noch lang unterwegs geblieben.
Als ſie abgeſpeiſt hatten, gieng Gockels Großvater, der mit ſeiner Familie und dem Stamm-, Erb und Wappen¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0026"n="4"/>
uͤber den dreißig Eiern bruͤtete, und von einer Wand zur an¬<lb/>
dern ruhte eine alte Lanze in zwei Mauerloͤchern, auf wel¬<lb/>
cher ſitzend der ſchwarze Alektryo Nachts zu ſchlafen pflegte.<lb/>
Der Huͤhnerſtall war der einzige Raum in dem alten Schloße,<lb/>
der noch bewohnbar unter Dach und Fach ſtand.</p><lb/><p>Zu Olims Zeiten, wo Dieſes und Jenes geſchehen iſt,<lb/>
war dieſes Schloß eines der herrlichſten und deutlichſten in<lb/>
ganz Deutſchland; aber die Franzoſen haben es ſo uͤbel mit¬<lb/>
genommen, daß ſie es recht abſcheulich zuruͤckließen. Ihr<lb/>
Koͤnig Hahnri hatte geſagt, jeder Franzoſe ſolle Sonntags<lb/>
ein Huhn, und wenn keines zu haben ſei, ein Hinkel in den<lb/>
Topf ſtecken und ſich eine Suppe kochen. Darauf hielten<lb/>ſie ſtreng, und ſahen ſich uͤberall um, wie jeder zu ſeinem<lb/>
Huhn kommen koͤnne. Als ſie nun zu Haus mit den Huͤh¬<lb/>
nern fertig waren, machten ſie nicht viel Federleſens und<lb/>
hatten bald mit dieſem, bald mit jenem Nachbarn ein Huͤhn¬<lb/>
chen zu pfluͤcken. Sie ſahen die Landkarte wie einen Spei¬<lb/>ſezettel an, wo etwas von Henne, Huhn oder Hahn ſtand,<lb/>
das ſtrichen ſie mit rother Tinte an und giengen mit Kuͤchen¬<lb/>
meſſer und Bratſpieß darauf los. So giengen ſie uͤber den<lb/>
Hanebach, ſteckten Groß- und Kleinhuͤningen in den Topf,<lb/>
und kamen dann auch bis in das Hanauer Land. Als ſie<lb/>
nun Gockelsruh, das herrliche Schloß der Raugrafen von<lb/>
Hanau, im Walde fanden, wo damals der Großvater Go¬<lb/>
ckels wohnte, ſtatuirten ſie ein Exempel, ſchnitten allen Huͤh¬<lb/>
nern die Haͤlſe ab, ſteckten ſie in den Topf und den rothen<lb/>
Hahn auf das Dach, das heißt, ſie machten ein ſo gutes<lb/>
Feuerchen unter den Topf, daß die lichte Lohe zum Dach<lb/>
herausſchlug und Gockelsruh daruͤber verbrannte. Dann<lb/>
giengen ſie weiter nach Huͤnefeld und Hunhaun und ſind<lb/>
noch lang unterwegs geblieben.</p><lb/><p>Als ſie abgeſpeiſt hatten, gieng Gockels Großvater, der<lb/>
mit ſeiner Familie und dem Stamm-, Erb und Wappen¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[4/0026]
uͤber den dreißig Eiern bruͤtete, und von einer Wand zur an¬
dern ruhte eine alte Lanze in zwei Mauerloͤchern, auf wel¬
cher ſitzend der ſchwarze Alektryo Nachts zu ſchlafen pflegte.
Der Huͤhnerſtall war der einzige Raum in dem alten Schloße,
der noch bewohnbar unter Dach und Fach ſtand.
Zu Olims Zeiten, wo Dieſes und Jenes geſchehen iſt,
war dieſes Schloß eines der herrlichſten und deutlichſten in
ganz Deutſchland; aber die Franzoſen haben es ſo uͤbel mit¬
genommen, daß ſie es recht abſcheulich zuruͤckließen. Ihr
Koͤnig Hahnri hatte geſagt, jeder Franzoſe ſolle Sonntags
ein Huhn, und wenn keines zu haben ſei, ein Hinkel in den
Topf ſtecken und ſich eine Suppe kochen. Darauf hielten
ſie ſtreng, und ſahen ſich uͤberall um, wie jeder zu ſeinem
Huhn kommen koͤnne. Als ſie nun zu Haus mit den Huͤh¬
nern fertig waren, machten ſie nicht viel Federleſens und
hatten bald mit dieſem, bald mit jenem Nachbarn ein Huͤhn¬
chen zu pfluͤcken. Sie ſahen die Landkarte wie einen Spei¬
ſezettel an, wo etwas von Henne, Huhn oder Hahn ſtand,
das ſtrichen ſie mit rother Tinte an und giengen mit Kuͤchen¬
meſſer und Bratſpieß darauf los. So giengen ſie uͤber den
Hanebach, ſteckten Groß- und Kleinhuͤningen in den Topf,
und kamen dann auch bis in das Hanauer Land. Als ſie
nun Gockelsruh, das herrliche Schloß der Raugrafen von
Hanau, im Walde fanden, wo damals der Großvater Go¬
ckels wohnte, ſtatuirten ſie ein Exempel, ſchnitten allen Huͤh¬
nern die Haͤlſe ab, ſteckten ſie in den Topf und den rothen
Hahn auf das Dach, das heißt, ſie machten ein ſo gutes
Feuerchen unter den Topf, daß die lichte Lohe zum Dach
herausſchlug und Gockelsruh daruͤber verbrannte. Dann
giengen ſie weiter nach Huͤnefeld und Hunhaun und ſind
noch lang unterwegs geblieben.
Als ſie abgeſpeiſt hatten, gieng Gockels Großvater, der
mit ſeiner Familie und dem Stamm-, Erb und Wappen¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/26>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.