auf jene Decke, in der sie entführt, gerettet und die Braut Urgockels ward." -- "Es paßt recht schön," sprach nun Gackeleia, "daß sie diese Farbe auch hier im Tode trägt, denn so ist sie auch in dieser Farbe von der Erde entführt, und unter dem wahren Hennenkreuz gerettet, eine Braut des Himmels und wie ein Küchlein unter die Flügel der Henne versammelt worden. -- Aber sage, warum haben denn die Räuber die liebe Ahnfrau entführen wollen? -- Sie sieht doch gar nicht so reichgeschmückt aus wie andere Gräfinnen, die von funkelndem Geschmeide strotzen, und ich habe mich schon über diese Armuth verwundert, kannst du mir wohl sagen, warum hat sie denn gar keinen andern Schmuck auf ihrem amaranthseidenen Brautkleid, als nur zwei kleine Edel¬ steine auf den beiden Spangen, welche das weite Gewand auf den Schultern zusammen fassen?" -- Da schaute Gockel die Gackeleia lächelnd an und sprach: "du bist ein rechter Schelm, du fragst mich über Allerlei, was längst vergessen ist, und dann drehst du heimlich den Ring Salomonis, da¬ mit mir Alles in den Sinn kommen soll, was ich nie oder doch nur dunkel gewußt habe." -- "Freilich mache ich es so," antwortete Gackeleia, "denn wie jede Speise ihr eigen¬ thümliches Gefäß hat, so sind solche alte Geschichten immer am schönsten, wenn sie der Vater erzählt." -- Da fuhr Go¬ ckel fort: "du fragst ganz recht wegen den Räubern, die sie entführten und diesen einsamen Edelsteinen auf ihren Achsel¬ bändern zugleich, denn wegen dieser wollten die Räuber, wel¬ ches böse Edelleute aus dem Turgau waren, sie entführen, und Kronovus mag dich nur gut bewachen, sonst kann dir es auch so gehen; denn auch du trägst solche zwei kleine Edelsteine auf den goldnen Spangen, welche die Aermel dei¬ nes amaranthfarbigen Brautkleides auf der Schulter schür¬ zen, und es sind diese Spangen deine eigentliche Morgengabe, welche dir allein gehört. Es sind die sogenannten heiligen Lehns-Kleinode der Grafschaft Vadutz, deren Wappen da¬
auf jene Decke, in der ſie entfuͤhrt, gerettet und die Braut Urgockels ward.“ — „Es paßt recht ſchoͤn,“ ſprach nun Gackeleia, „daß ſie dieſe Farbe auch hier im Tode traͤgt, denn ſo iſt ſie auch in dieſer Farbe von der Erde entfuͤhrt, und unter dem wahren Hennenkreuz gerettet, eine Braut des Himmels und wie ein Kuͤchlein unter die Fluͤgel der Henne verſammelt worden. — Aber ſage, warum haben denn die Raͤuber die liebe Ahnfrau entfuͤhren wollen? — Sie ſieht doch gar nicht ſo reichgeſchmuͤckt aus wie andere Graͤfinnen, die von funkelndem Geſchmeide ſtrotzen, und ich habe mich ſchon uͤber dieſe Armuth verwundert, kannſt du mir wohl ſagen, warum hat ſie denn gar keinen andern Schmuck auf ihrem amaranthſeidenen Brautkleid, als nur zwei kleine Edel¬ ſteine auf den beiden Spangen, welche das weite Gewand auf den Schultern zuſammen faſſen?“ — Da ſchaute Gockel die Gackeleia laͤchelnd an und ſprach: „du biſt ein rechter Schelm, du fragſt mich uͤber Allerlei, was laͤngſt vergeſſen iſt, und dann drehſt du heimlich den Ring Salomonis, da¬ mit mir Alles in den Sinn kommen ſoll, was ich nie oder doch nur dunkel gewußt habe.“ — „Freilich mache ich es ſo,“ antwortete Gackeleia, „denn wie jede Speiſe ihr eigen¬ thuͤmliches Gefaͤß hat, ſo ſind ſolche alte Geſchichten immer am ſchoͤnſten, wenn ſie der Vater erzaͤhlt.“ — Da fuhr Go¬ ckel fort: „du fragſt ganz recht wegen den Raͤubern, die ſie entfuͤhrten und dieſen einſamen Edelſteinen auf ihren Achſel¬ baͤndern zugleich, denn wegen dieſer wollten die Raͤuber, wel¬ ches boͤſe Edelleute aus dem Turgau waren, ſie entfuͤhren, und Kronovus mag dich nur gut bewachen, ſonſt kann dir es auch ſo gehen; denn auch du traͤgſt ſolche zwei kleine Edelſteine auf den goldnen Spangen, welche die Aermel dei¬ nes amaranthfarbigen Brautkleides auf der Schulter ſchuͤr¬ zen, und es ſind dieſe Spangen deine eigentliche Morgengabe, welche dir allein gehoͤrt. Es ſind die ſogenannten heiligen Lehns-Kleinode der Grafſchaft Vadutz, deren Wappen da¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0254"n="202"/>
auf jene Decke, in der ſie entfuͤhrt, gerettet und die Braut<lb/>
Urgockels ward.“—„Es paßt recht ſchoͤn,“ſprach nun<lb/>
Gackeleia, „daß ſie dieſe Farbe auch hier im Tode traͤgt,<lb/>
denn ſo iſt ſie auch in dieſer Farbe von der Erde entfuͤhrt,<lb/>
und unter dem wahren Hennenkreuz gerettet, eine Braut des<lb/>
Himmels und wie ein Kuͤchlein unter die Fluͤgel der Henne<lb/>
verſammelt worden. — Aber ſage, warum haben denn die<lb/>
Raͤuber die liebe Ahnfrau entfuͤhren wollen? — Sie ſieht<lb/>
doch gar nicht ſo reichgeſchmuͤckt aus wie andere Graͤfinnen,<lb/>
die von funkelndem Geſchmeide ſtrotzen, und ich habe mich<lb/>ſchon uͤber dieſe Armuth verwundert, kannſt du mir wohl<lb/>ſagen, warum hat ſie denn gar keinen andern Schmuck auf<lb/>
ihrem amaranthſeidenen Brautkleid, als nur zwei kleine Edel¬<lb/>ſteine auf den beiden Spangen, welche das weite Gewand<lb/>
auf den Schultern zuſammen faſſen?“— Da ſchaute Gockel<lb/>
die Gackeleia laͤchelnd an und ſprach: „du biſt ein rechter<lb/>
Schelm, du fragſt mich uͤber Allerlei, was laͤngſt vergeſſen<lb/>
iſt, und dann drehſt du heimlich den Ring Salomonis, da¬<lb/>
mit mir Alles in den Sinn kommen ſoll, was ich nie oder<lb/>
doch nur dunkel gewußt habe.“—„Freilich mache ich es<lb/>ſo,“ antwortete Gackeleia, „denn wie jede Speiſe ihr eigen¬<lb/>
thuͤmliches Gefaͤß hat, ſo ſind ſolche alte Geſchichten immer<lb/>
am ſchoͤnſten, wenn ſie der Vater erzaͤhlt.“— Da fuhr Go¬<lb/>
ckel fort: „du fragſt ganz recht wegen den Raͤubern, die ſie<lb/>
entfuͤhrten und dieſen einſamen Edelſteinen auf ihren Achſel¬<lb/>
baͤndern zugleich, denn wegen dieſer wollten die Raͤuber, wel¬<lb/>
ches boͤſe Edelleute aus dem Turgau waren, ſie entfuͤhren,<lb/>
und Kronovus mag dich nur gut bewachen, ſonſt kann dir<lb/>
es auch ſo gehen; denn auch du traͤgſt ſolche zwei kleine<lb/>
Edelſteine auf den goldnen Spangen, welche die Aermel dei¬<lb/>
nes amaranthfarbigen Brautkleides auf der Schulter ſchuͤr¬<lb/>
zen, und es ſind dieſe Spangen deine eigentliche Morgengabe,<lb/>
welche dir allein gehoͤrt. Es ſind die ſogenannten heiligen<lb/>
Lehns-Kleinode der Grafſchaft Vadutz, deren Wappen da¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[202/0254]
auf jene Decke, in der ſie entfuͤhrt, gerettet und die Braut
Urgockels ward.“ — „Es paßt recht ſchoͤn,“ ſprach nun
Gackeleia, „daß ſie dieſe Farbe auch hier im Tode traͤgt,
denn ſo iſt ſie auch in dieſer Farbe von der Erde entfuͤhrt,
und unter dem wahren Hennenkreuz gerettet, eine Braut des
Himmels und wie ein Kuͤchlein unter die Fluͤgel der Henne
verſammelt worden. — Aber ſage, warum haben denn die
Raͤuber die liebe Ahnfrau entfuͤhren wollen? — Sie ſieht
doch gar nicht ſo reichgeſchmuͤckt aus wie andere Graͤfinnen,
die von funkelndem Geſchmeide ſtrotzen, und ich habe mich
ſchon uͤber dieſe Armuth verwundert, kannſt du mir wohl
ſagen, warum hat ſie denn gar keinen andern Schmuck auf
ihrem amaranthſeidenen Brautkleid, als nur zwei kleine Edel¬
ſteine auf den beiden Spangen, welche das weite Gewand
auf den Schultern zuſammen faſſen?“ — Da ſchaute Gockel
die Gackeleia laͤchelnd an und ſprach: „du biſt ein rechter
Schelm, du fragſt mich uͤber Allerlei, was laͤngſt vergeſſen
iſt, und dann drehſt du heimlich den Ring Salomonis, da¬
mit mir Alles in den Sinn kommen ſoll, was ich nie oder
doch nur dunkel gewußt habe.“ — „Freilich mache ich es
ſo,“ antwortete Gackeleia, „denn wie jede Speiſe ihr eigen¬
thuͤmliches Gefaͤß hat, ſo ſind ſolche alte Geſchichten immer
am ſchoͤnſten, wenn ſie der Vater erzaͤhlt.“ — Da fuhr Go¬
ckel fort: „du fragſt ganz recht wegen den Raͤubern, die ſie
entfuͤhrten und dieſen einſamen Edelſteinen auf ihren Achſel¬
baͤndern zugleich, denn wegen dieſer wollten die Raͤuber, wel¬
ches boͤſe Edelleute aus dem Turgau waren, ſie entfuͤhren,
und Kronovus mag dich nur gut bewachen, ſonſt kann dir
es auch ſo gehen; denn auch du traͤgſt ſolche zwei kleine
Edelſteine auf den goldnen Spangen, welche die Aermel dei¬
nes amaranthfarbigen Brautkleides auf der Schulter ſchuͤr¬
zen, und es ſind dieſe Spangen deine eigentliche Morgengabe,
welche dir allein gehoͤrt. Es ſind die ſogenannten heiligen
Lehns-Kleinode der Grafſchaft Vadutz, deren Wappen da¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/254>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.