kamen, den Alektryo zu sehen, benutzte dieser die durch seine Wiedergeburt erschütterten Hahnenherzen und Hühnergemü¬ ther, schwang sich auf die Kanzel empor und hielt eine ganz erstaunlich ergreifende Rede über Familienglück und Kinder¬ zucht, so daß auch kein Hühnerauge ohne Mitgefühl blieb, all das unten zuhörende Federvieh schluchzte und piepte ganz leise -- der Organist accompagnirte gar lieblich mit einer melancholischen Arie: "Ach Schwester! die du sicher u. s. w." Auch die raugräfliche Familie war sehr gerührt.
Als nun Alektryo am Schluße seiner Rede ausrief: "ist Jemand unter den verehrten Anwesenden, der feierliche Ver¬ löbniß oder Hochzeit zu halten wünscht?" -- drehte Gacke¬ leia den Ring, ohne zu wissen wie, und sprach ganz heim¬ lich, ohne zu wissen was:
"Salomo du weiser König, Dem die Geister unterthänig, Bring' doch den Kronovus her So ganz, wie von ungefähr; Ringlein! Ringlein! dreh' dich um, Mach' geschwind, ich bitt' dich drum."
Da ertönten plötzlich Jagdhörner im Schloßhof, Gacke¬ leia lief hinaus, als ob ihr der Kopf brenne, und sah das Prinzchen Kronovus in einem grünen Jagdröckchen von sei¬ nem Schimmelchen springen, und sie flogen sich einander in die Arme mit dem Ausruf: "Ach wie bist du so groß, bück dich!" -- "Ach wie bist du so klein, streck dich!" -- Gackeleia aber drehte, schnell den Ring hinter dem Rücken des Kronovus und wünschte, daß er so erwachsen und verständig seyn möge, als sie selbst, und sieh da, er ward es zusehends, worüber sie eine große Freude hatte. Da eilte sie mit ihm in die Kapelle, sein Jagdgefolge aber blieb in den Thüren stehen.
Gockel und Hinkel grüßten den Kronovus herzlich und dieser sagte sogleich, da sein Herr Vater Eifrasius und seine
kamen, den Alektryo zu ſehen, benutzte dieſer die durch ſeine Wiedergeburt erſchuͤtterten Hahnenherzen und Huͤhnergemuͤ¬ ther, ſchwang ſich auf die Kanzel empor und hielt eine ganz erſtaunlich ergreifende Rede uͤber Familiengluͤck und Kinder¬ zucht, ſo daß auch kein Huͤhnerauge ohne Mitgefuͤhl blieb, all das unten zuhoͤrende Federvieh ſchluchzte und piepte ganz leiſe — der Organiſt accompagnirte gar lieblich mit einer melancholiſchen Arie: „Ach Schweſter! die du ſicher u. ſ. w.“ Auch die raugraͤfliche Familie war ſehr geruͤhrt.
Als nun Alektryo am Schluße ſeiner Rede ausrief: „iſt Jemand unter den verehrten Anweſenden, der feierliche Ver¬ loͤbniß oder Hochzeit zu halten wuͤnſcht?“ — drehte Gacke¬ leia den Ring, ohne zu wiſſen wie, und ſprach ganz heim¬ lich, ohne zu wiſſen was:
„Salomo du weiſer Koͤnig, Dem die Geiſter unterthaͤnig, Bring' doch den Kronovus her So ganz, wie von ungefaͤhr; Ringlein! Ringlein! dreh' dich um, Mach' geſchwind, ich bitt' dich drum.“
Da ertoͤnten ploͤtzlich Jagdhoͤrner im Schloßhof, Gacke¬ leia lief hinaus, als ob ihr der Kopf brenne, und ſah das Prinzchen Kronovus in einem gruͤnen Jagdroͤckchen von ſei¬ nem Schimmelchen ſpringen, und ſie flogen ſich einander in die Arme mit dem Ausruf: „Ach wie biſt du ſo groß, buͤck dich!“ — „Ach wie biſt du ſo klein, ſtreck dich!“ — Gackeleia aber drehte, ſchnell den Ring hinter dem Ruͤcken des Kronovus und wuͤnſchte, daß er ſo erwachſen und verſtaͤndig ſeyn moͤge, als ſie ſelbſt, und ſieh da, er ward es zuſehends, woruͤber ſie eine große Freude hatte. Da eilte ſie mit ihm in die Kapelle, ſein Jagdgefolge aber blieb in den Thuͤren ſtehen.
Gockel und Hinkel gruͤßten den Kronovus herzlich und dieſer ſagte ſogleich, da ſein Herr Vater Eifraſius und ſeine
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0234"n="184"/>
kamen, den Alektryo zu ſehen, benutzte dieſer die durch ſeine<lb/>
Wiedergeburt erſchuͤtterten Hahnenherzen und Huͤhnergemuͤ¬<lb/>
ther, ſchwang ſich auf die Kanzel empor und hielt eine ganz<lb/>
erſtaunlich ergreifende Rede uͤber Familiengluͤck und Kinder¬<lb/>
zucht, ſo daß auch kein Huͤhnerauge ohne Mitgefuͤhl blieb,<lb/>
all das unten zuhoͤrende Federvieh ſchluchzte und piepte ganz<lb/>
leiſe — der Organiſt accompagnirte gar lieblich mit einer<lb/>
melancholiſchen Arie: „Ach Schweſter! die du ſicher u. ſ. w.“<lb/>
Auch die raugraͤfliche Familie war ſehr geruͤhrt.</p><lb/><p>Als nun Alektryo am Schluße ſeiner Rede ausrief: „iſt<lb/>
Jemand unter den verehrten Anweſenden, der feierliche Ver¬<lb/>
loͤbniß oder Hochzeit zu halten wuͤnſcht?“— drehte Gacke¬<lb/>
leia den Ring, ohne zu wiſſen wie, und ſprach ganz heim¬<lb/>
lich, ohne zu wiſſen was:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Salomo du weiſer Koͤnig,</l><lb/><l>Dem die Geiſter unterthaͤnig,</l><lb/><l>Bring' doch den Kronovus her</l><lb/><l>So ganz, wie von ungefaͤhr;</l><lb/><l>Ringlein! Ringlein! dreh' dich um,</l><lb/><l>Mach' geſchwind, ich bitt' dich drum.“</l><lb/></lg><p>Da ertoͤnten ploͤtzlich Jagdhoͤrner im Schloßhof, Gacke¬<lb/>
leia lief hinaus, als ob ihr der Kopf brenne, und ſah das<lb/>
Prinzchen Kronovus in einem gruͤnen Jagdroͤckchen von ſei¬<lb/>
nem Schimmelchen ſpringen, und ſie flogen ſich einander<lb/>
in die Arme mit dem Ausruf: „Ach wie biſt du ſo groß,<lb/>
buͤck dich!“—„Ach wie biſt du ſo klein, ſtreck dich!“—<lb/>
Gackeleia aber drehte, ſchnell den Ring hinter dem Ruͤcken des<lb/>
Kronovus und wuͤnſchte, daß er ſo erwachſen und verſtaͤndig<lb/>ſeyn moͤge, als ſie ſelbſt, und ſieh da, er ward es zuſehends,<lb/>
woruͤber ſie eine große Freude hatte. Da eilte ſie mit ihm<lb/>
in die Kapelle, ſein Jagdgefolge aber blieb in den Thuͤren<lb/>ſtehen.</p><lb/><p>Gockel und Hinkel gruͤßten den Kronovus herzlich und<lb/>
dieſer ſagte ſogleich, da ſein Herr Vater Eifraſius und ſeine<lb/></p></div></body></text></TEI>
[184/0234]
kamen, den Alektryo zu ſehen, benutzte dieſer die durch ſeine
Wiedergeburt erſchuͤtterten Hahnenherzen und Huͤhnergemuͤ¬
ther, ſchwang ſich auf die Kanzel empor und hielt eine ganz
erſtaunlich ergreifende Rede uͤber Familiengluͤck und Kinder¬
zucht, ſo daß auch kein Huͤhnerauge ohne Mitgefuͤhl blieb,
all das unten zuhoͤrende Federvieh ſchluchzte und piepte ganz
leiſe — der Organiſt accompagnirte gar lieblich mit einer
melancholiſchen Arie: „Ach Schweſter! die du ſicher u. ſ. w.“
Auch die raugraͤfliche Familie war ſehr geruͤhrt.
Als nun Alektryo am Schluße ſeiner Rede ausrief: „iſt
Jemand unter den verehrten Anweſenden, der feierliche Ver¬
loͤbniß oder Hochzeit zu halten wuͤnſcht?“ — drehte Gacke¬
leia den Ring, ohne zu wiſſen wie, und ſprach ganz heim¬
lich, ohne zu wiſſen was:
„Salomo du weiſer Koͤnig,
Dem die Geiſter unterthaͤnig,
Bring' doch den Kronovus her
So ganz, wie von ungefaͤhr;
Ringlein! Ringlein! dreh' dich um,
Mach' geſchwind, ich bitt' dich drum.“
Da ertoͤnten ploͤtzlich Jagdhoͤrner im Schloßhof, Gacke¬
leia lief hinaus, als ob ihr der Kopf brenne, und ſah das
Prinzchen Kronovus in einem gruͤnen Jagdroͤckchen von ſei¬
nem Schimmelchen ſpringen, und ſie flogen ſich einander
in die Arme mit dem Ausruf: „Ach wie biſt du ſo groß,
buͤck dich!“ — „Ach wie biſt du ſo klein, ſtreck dich!“ —
Gackeleia aber drehte, ſchnell den Ring hinter dem Ruͤcken des
Kronovus und wuͤnſchte, daß er ſo erwachſen und verſtaͤndig
ſeyn moͤge, als ſie ſelbſt, und ſieh da, er ward es zuſehends,
woruͤber ſie eine große Freude hatte. Da eilte ſie mit ihm
in die Kapelle, ſein Jagdgefolge aber blieb in den Thuͤren
ſtehen.
Gockel und Hinkel gruͤßten den Kronovus herzlich und
dieſer ſagte ſogleich, da ſein Herr Vater Eifraſius und ſeine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Brentano, Clemens: Gockel, Hinkel und Gackeleia. Frankfurt, 1838, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brentano_gockel_1838/234>, abgerufen am 21.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.